zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Wir werden VW vor uns hertreiben“

Der niedersächsische IG-Metall-Chef Hartmut Meine zur Tarifrunde bei Volkswagen und zum Kostensenkungsplan des Konzerns

Herr Meine, wie geht es Volkswagen?

VW ist ein erfolgreiches, global tätiges Unternehmen, bei dem im Moment der operative Gewinn sinkt. Trotzdem ist Volkswagen gut aufgestellt.

Der Aktienkurs ist in diesem Jahr um rund 30 Prozent gefallen. Unter anderem, weil VW deutlich weniger verdient als etwa Toyota, BMW oder Porsche.

Deshalb hat der VW-Vorstand ja auch das Programm „For Motion“ gestartet, mit dem die Prozesse in Ordnung gebracht werden. Mit der Optimierung von Abläufen, die wir ausdrücklich begrüßen, kann VW durchaus die angestrebten vier Milliarden Euro binnen weniger Jahre sparen.

Kann auch ein Riesenwerk wie Wolfsburg, ausgestattet mit einem üppigen Haustarifvertrag, mit dem Kostensenkungsprogramm rentabel werden?

Wenn Sie sich anschauen, was die Kollegen verdienen und wie die arbeiten, dann kann von üppigem Tarif keine Rede sein. Bei Volkswagen sind die Strukturen in vielen Bereichen nicht in Ordnung. Mit „For Motion“ wird das korrigiert.

Die Golf-Fertigung in Wolfsburg ist mehr als 20 Prozent teurer als die im sächsischen Mosel. Die sechs westdeutschen VW-Werke sind nach Konzernangaben um elf Prozent teurer als die Konkurrenz. Diese Nachteile wird „For Motion“ nicht ausgleichen.

Wir haben einen Lohnkostenanteil an den gesamten Kosten von gerade mal 17 Prozent. Trotzdem redet alle Welt davon, die kleinen Leute sollten eine Nullrunde fahren. Wenn man sich andere Dinge anschaut, die einen größeren Anteil an den Gesamtkosten haben, sind Einsparungen viel eher erreichbar.

Personalvorstand Peter Hartz will die Arbeitskosten bis 2011 um 30 Prozent reduzieren. Wie geht das mit Ihrer Forderung nach vier Prozent mehr Lohn zusammen?

Wir stellen dieselbe Forderung wie in der Metallindustrie und wie bei den übrigen Automobilherstellern. Zum anderen nehmen wir den Ball auf, den Volkswagen ins Spiel geworfen hat und wollen verbindliche Arbeitsplatzgarantien für die nächsten zehn Jahre.

Der Vorstand wäre fahrlässig, wenn er Garantien für das teure Wolfsburger Stammwerk geben würde.

Das ist eine völlig falsche Vorstellung von Wolfsburg. Die Fertigungsanlagen in der neuen Golf-Produktion sind hochmodern, und Wolfsburg ist zudem das flexibelste Automobilwerk. Bei der Arbeitszeit ist zwischen 28,8 und 35 Stunden alles jederzeit möglich.

Der Golf läuft aber nur, weil mit Rabatten der Verkauf angekurbelt wurde.

Mit Rabatten arbeiten alle. Der Golf verkauft sich heute doppelt so gut wie der Ford Focus und der Opel Astra.

Also ist der Golf nicht zu teuer?

Das Auto wurde im Lauf der Zeit immer aufwändiger und teurer. Gleichzeitig ist unterhalb des Golfs kein klassischer Volkswagen nachgekommen. VW braucht aber ein Fahrzeug, das größer ist als der Polo und preiswerter als der Golf. Ein Auto für Vater, Mutter und zwei Kinder.

Warum verdienen die VWler mehr als die Metaller, die unter den Flächentarif fallen?

Da muss man sehr genau hinschauen und darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Wenn es Unterschiede gibt, hängen die natürlich auch damit zusammen, dass unser Organisationsgrad bei VW sehr hoch ist. Warum sollten wir nicht in Verhandlungen gute Bedingungen für die Arbeitnehmer herausholen?

Weil sich die Wettbewerbssituation gravierend verändert hat?

Zugegeben, Volkswagen hat einige ernst zu nehmende Probleme. Aber im ersten Halbjahr lag das operative Ergebnis im Konzern immer noch bei 857 Millionen Euro. VW ist ein solides Unternehmen, dass im vergangenen Jahr den Aktionären 409 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet hat. Und auch dieses Jahr soll eine Dividende gezahlt werden. Warum sollten die Arbeitnehmer verzichten?

Weil die Produktion in Westdeutschland viel teurer ist als in Ostdeutschland?

Das hängt damit zusammen, dass es uns nicht gelungen ist, den Arbeitskampf um die Einführung der 35-Stunden-Woche im Osten zu gewinnen.

Womöglich gleichen sich die Arbeitsbedingungen im Westen dem Osten an.

Wer soll das mitmachen? Die IG Metall jedenfalls nicht. Im Gegenteil, die Angleichung in Ostdeutschland muss kommen.

Sie haben immerhin einen Tarifvertrag für das Arbeitsmodell VW 5000 unterschrieben, der deutliche Verschlechterungen im Vergleich zum VW-Haustarif vorsieht.

Dieser Vertrag ist ein Modellprojekt zur Einstellung von Arbeitslosen. Gewissermaßen eine Alternative zu neoliberalen Ideologen, die uns erzählen, mit niedrigen Löhnen und Deregulierung könnte man in Deutschland Arbeitsplätze schaffen. Wir haben in der Auto 5000 GmbH ein festes Entgelt über dem westdeutschen Flächentarif, die 35-Stunden-Woche, Kündigungsschutz und Urlaubsgeld.

Wenn Auto 5000 so toll ist, warum übertragen Sie den Vertrag dann nicht auf alle VW-Beschäftigte, wie sich das die Konzernführung wünscht?

Wir werden einen Teufel tun. Auto 5000 ist ein Modell zur Einstellung von Arbeitslosen und liegt deshalb niedriger als der Haustarif.

Und dieser Haustarif, der eine Entlohnung deutlich über dem Flächentarif vorsieht, ist noch zeitgemäß?

Ja sicher. Deshalb sind die Vorstellungen der VW-Führung unrealistisch und überzogen. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir der Belegschaft eine Nullrunde zumuten werden und der Belegschaft, die gute Arbeit leistet, eine Verschlechterung des Haustarifs einbrocken.

Dann wird der kleine Geländewagen in Osteuropa und nicht in Wolfsburg gebaut.

Wir verfolgen eine Doppelstrategie: Erstens wollen wir vier Prozent höhere Einkommen, das ist das Normalste auf der Welt. Und zum Zweiten wollen wir eine Garantie für die sechs westdeutschen Werke mit 103000 Arbeitsplätzen. An diesem Punkt werden wir Volkswagen vor uns hertreiben.

Aber für Arbeitsplatzgarantien muss die IG Metall etwas bieten.

Erstmal muss Volkswagen sich entscheiden, ob das Unternehmen bei schönen Sprechblasen mit englischen Begriffen bleiben will, oder ob wir einen handfesten Tarifvertrag machen.

Gehört dazu auch, gegebenenfalls länger zu arbeiten, um ein neues Produkt nach Wolfsburg zu holen.

Verlängerte Arbeitszeit ohne Bezahlung werden wir nicht machen. Wir fordern eine Arbeitsplatzgarantie für unsere Beschäftigten mit Zusagen für Produktüberschneidungen und Investitionen in den Werken. Wir werden sehen, ob VW sich dazu bereit erklärt.

Und dann bewegt sich auch die IG Metall?

Dann werden wir bestimmte Dinge anders sehen. Das entscheiden wir aber in der Verhandlungskommission. Wenn VW das nicht macht, dann gibt es gar nichts von uns.

Sieht das die Belegschaft auch so?

Die Kollegen wollen die normale Lohnerhöhung und langfristig sichere Arbeitsplätze. Aber bei dem Kürzungskatalog des Vorstands gehen die Leute auf die Palme, weil sie den Eindruck haben, „jetzt sollen wir wieder Dinge ausbaden, die das Management verbockt hat“. Die Stimmung ist gereizt.

Das Gespräch führte Alfons Frese

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false