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Wirtschaft: „Wir wollen Frühkartoffelpreise verlangen“

Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt über Innovationen, die Zusammenarbeit mit BenQ und den Standort Deutschland

Herr Ganswindt, Siemens hat seine Handysparte aufgegeben. BenQ aus Taiwan ist überzeugt, das Geschäft besser machen zu können. Wieso?

Der Markt hat sich fundamental geändert. Am Anfang ging es darum, eine Technologie zur Verfügung zu stellen. Und von Funktechnik verstehen wir etwas. Aber mobil telefonieren zu können ist heute eine Selbstverständlichkeit. Heute sind Design, Kamera, MP3Player oder Farbdisplay kaufentscheidend beim Handy. Und hier ist der Beitrag, den Siemens leisten kann, minimal. Wir sind nicht im Konsumelektronikgeschäft. Wir bauen keine Kameras oder LCD-Displays. Das sind Themen von BenQ.

Wie lange wird BenQ in Deutschland bleiben?

BenQ verlegt das Headquarter seines Mobilfunkgeschäfts nach München. Ich finde, das ist ein starkes Zeichen des Unternehmens. Das war für uns übrigens ein wichtiger Punkt in den Verhandlungen. Wir hatten ein großes Interesse daran, dass das Know-how unserer Mitarbeiter, dass der Wert, den wir geschaffen haben, hier erhalten bleibt.

Was haben Sie jetzt noch davon?

Wir haben einen starken Partner, der direkt um die Hausecke sitzt. Das ist ein großer Vorteil. Die Mitarbeiter können zum Beispiel bei technischen Entwicklungen sehr schnell und einfach miteinander kommunizieren. Kurz gesagt: Wir können deutsch miteinander reden.

Wie viel wert legt BenQ auf die deutschen Mitarbeiter?

Wenn jemand ein Geschäft kauft, kauft er in erster Linie das Know-how – und das steckt in den Köpfen der Mitarbeiter. Daneben kauft er die Vermögensgegenstände, dazu gehört etwa eine Fertigung wie die in Kamp-Lintfort. Und er kauft die Marke, die ihm Zutritt zum Markt und den Kunden verschafft. BenQ hat sich unsere Mitarbeiter sehr genau angeschaut, insbesondere das Management.

Bis Mitte 2006 gilt in Kamp-Lintfort der Ergänzungstarifvertrag. Was passiert danach?

Werke wie in Kamp-Lintfort müssen sich immer mit denen der Wettbewerber messen. Wir mussten dort – und BenQ muss das auch – eine Kostenposition erreichen, mit der wir im globalen Wettbewerb mithalten können. Die Bedingungen des Ergänzungstarifvertrags waren der Grund dafür, dass BenQ gesagt hat, das Werk übernehmen wir. Wenn der Vertrag ausläuft, wird BenQ wieder Vereinbarungen mit den Gewerkschaften treffen, damit die Kostenposition stimmt.

Kann man in Deutschland konkurrenzfähig produzieren?

Ja, das zeigt ja gerade das Beispiel Siemens. Wir haben auf vielen Gebieten sehr erfolgreiche Fertigungen in Deutschland. Da sich natürlich in Deutschland und Westeuropa allgemein in der Fertigung die Kosten nicht auf ein Niveau wie zum Beispiel im Westen der Volksrepublik China senken lassen, müssen wir innovativer sein als andere.

Die Chinesen werden auch innovativer.

Das stimmt. In der Vergangenheit hatten wir auf der Innovationsseite immer einen großen Vorsprung. Dieser Abstand ist dramatisch kleiner geworden, weil andere Volkswirtschaften sehr intelligent und sehr stringent in Ausbildung investieren und den Zufluss von hellen Köpfen – von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern – gefördert haben. Dadurch haben sie diese Lücke fast schließen können.

Wo haben wir noch eine Chance?

Da fallen mir allein bei Siemens spontan eine ganze Reihe von Themen ein: In der Medizintechnik sind wir führend in der Welt. Ebenso in der Produktionsautomatisierung oder der Automobiltechnik. Sie werden in jedem Arbeitsgebiet von Siemens zahlreiche Beispiele finden – auch in der Kommunikationstechnik, wo wir unter anderem bei der neuen Mobilfunktechnik UMTS führend sind. 90 Prozent aller Kunden, die über UMTS telefonieren, nutzen Netze von Siemens. Forschung und Entwicklung ist eine wesentliche Wertschöpfung dabei. Aber wir müssen dazu auch eine gewisse Produktion im Inland halten, damit der Produktanlauf hier stattfinden kann. Wer als Erster am Markt ist, kann Frühkartoffelpreise verlangen. Später muss man sich mit vielen Wettbewerbern herumschlagen.

Aber auch Forschung und Entwicklung ist in Asien billiger.

Daher gibt es einen massiven Druck, besser und schneller zu sein als zum Beispiel die Kollegen in Indien. Wir müssen aber auch überlegen, wie wir in unserer Wertschöpfungskette beides zusammenbringen. Dann findet ein Teil der Wertschöpfung in Deutschland statt, ein anderer in Indien. Das Gesamtpaket ist wettbewerbsfähig. Deshalb erhalten auch Arbeitsplätze im Ausland Arbeitsplätze hier in der Bundesrepublik.

Sie wollen künftig weiter Mobilfunknetze bauen. Schadet es nicht, dass Sie jetzt keine Handys mehr im Angebot haben?

Natürlich ist es wichtig, alles anbieten zu können: vom Netz über den Service bis zu den Endgeräten. Daher haben wir darauf geachtet einen Partner zu finden, mit dem wir auch Handys anbieten können.

Aber sie haben bei BenQ nicht das Sagen.

Es gibt einen besonderen Einfluss, der nicht zu unterschätzen ist: Wir bringen BenQ Aufträge. Wir bauen für unsere Kunden komplette Netze und bieten die Handys im Paket dazu an. Wenn wir bei BenQ einen signifikanten Anteil am Umsatz realisieren, dann ist das die stärkste Bindung, die man haben kann. Und dann haben wir eine ganze Menge Einfluss.

Ist das vertraglich geregelt?

Nein, aber es gibt im Management auf beiden Seiten ein klares Verständnis, dass wir das Geschäft zusammen entwickeln. Dennoch müssen wir auch offen für andere Anbieter sein.

Sie haben in ihrem Bereich noch ein Problemkind: den IT-Dienstleister Siemens Business Services SBS.

Zunächst sehe ich mit Freude, dass wir in dem Geschäft wachsen. Wir haben eine Reihe interessanter Aufträge akquiriert. Das war lange Zeit nicht so. Aber mit der Ergebnissituation bei SBS sind wir überhaupt nicht zufrieden.

Werden Sie sich auch von SBS trennen?

SBS spielt für uns im Konzern eine sehr wesentliche Rolle – nicht nur wegen der externen Aufträge, die auch viele Geschäfte mit anderen Siemens-Bereichen nach sich ziehen. SBS ist für uns der maßgebliche Dienstleister im Konzern.

Also ist ein Verkauf ausgeschlossen?

Ich schließe nie irgendetwas aus – in keinem Bereich. Der Markt verändert sich sehr schnell.

Welche Konzepte haben sie für die Festnetzsparte?

Ein interessantes Geschäft für uns sind auf diesem Gebiet zum Beispiel die schnurlosen Telefone – nicht nur, weil wir hier weltweit Marktführer sind. Das Geschäft bietet interessante Chancen für die Zukunft, weil es sich technologisch weiterentwickelt. Heute ist da nur das Telefon. In Zukunft wird ein kleiner Kasten an der Wand hängen, über den Sie auch ein Fernsehsignal empfangen, im Internet surfen, ihre Sicherheitstechnik im Haus steuern oder ihre Waschmaschine fernbedienen können. Wir nennen das den Homegateway, einen Zugang zum Haus mit verschiedensten Funktionen.

Das klingt sehr nach Konsumelektronik, dabei sagten sie doch, dass Siemens davon nichts versteht.

Wir werden auch keine Fernseher bauen. Aber wir bauen die Netze und kleinen Kästen, über die das Signal zu Ihnen nach Hause kommt. Dies Boxen machen wir immer schlauer und bringen neue Funktionen hinein. Das erwarten unsere Kunden, die Netzbetreiber, von uns. Der Umsatz, den sie mit Sprache machen, geht zurück. Daher brauchen sie neue Services, die sie über ihre Netze anbieten können. Wir sind in der Lage, unseren Kunden komplette Lösungen anzubieten.

Werden Sie sich im Festnetz – wie im Mobilfunk – auf das Geschäft mit der Infrastruktur beschränken?

Nein. Im Festnetzgeschäft wollen wir den Zugang zum Endkunden behalten. Dazu haben wir auch ein klares Bekenntnis abgegeben. Wir gründen für unser Endgerätegeschäft im Festnetzbereich derzeit eine rechtlich eigenständige Einheit, um diese Aktivitäten so noch schlagkräftiger zu machen und besser weiterentwickeln zu können.

Welche Bedeutung hat Berlin für die Kommunikatiossparte von Siemens?

Der Standort ist eine Drehscheibe für viele richtungsweisende Innovationen im Bereich Com geworden. Heute arbeiten hier überwiegend Softwareexperten an allen Mobilfunktechnologien, besonders am neuen Standard UMTS. Diese Technik ist maßgeblich in Berlin entwickelt worden. Auch auf dem Festnetzgebiet sind wir in Berlin aktiv.

Ihr Vorstandschef Klaus Kleinfeld hat allen Geschäftsbereichen klare Zielvorgaben für die Rentabilität gegeben. Für Com liegt die Messlatte bei acht bis elf Prozent. Wann erreichen Sie das?

Wir haben uns im Vorstand eine Zeitvorgabe von 18 bis 24 Monate gegeben.

Schaffen Sie das?

Das wird ein hartes Stück Arbeit. Aber wir setzen uns Ziele, um sie zu erreichen.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

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