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Wirtschaft: Wirtschaft prüft Klage gegen „Strafsteuer“

Plan der Bundesregierung zur Ausbildungsplatzabgabe stößt auf Kritik bei Industrie und Handwerk

Berlin (brö/ce). Die Pläne der Bundesregierung zur Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe sind bei Wirtschaft und Gewerkschaften auf scharfe Kritik gestoßen. Das Handwerk sprach von einer „Strafsteuer“, die Arbeitgeber erklärten, die vorgesehene Regelung verschärfe die Konjunkturkrise. Die Wirtschaft will prüfen, ob das geplante Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bekräftigte, dass er die Abgabe ablehne. Kanzler Gerhard Schröder sagte in einem ZDFInterview, dass tarifvertragliche Regelungen bei den Ausbildungsplätzen vorgehen sollen.

SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering kündigte auf einer Fraktionssitzung am Dienstag an, dass kommende Woche die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag stattfinden wird. „Kein Schulabgänger darf von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit fallen“, erklärte er zur Begründung.

Mit der Abgabe will die Regierung erreichen, dass jeder Jugendliche eine Lehrstelle bekommt. Die Idee: Ist der Anteil der Lehrlinge in einem Betrieb zu niedrig, muss das Unternehmen einen Ausgleich zahlen. Firmen, die oberhalb der Quote liegen, bekommen dagegen Geld. Im Herbst 2003 hatten laut Bundesbildungsministerium 35000 Jugendliche keine Ausbildungsstelle gefunden. Den Vorstellungen von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) zufolge sollen in Zukunft Unternehmen zahlen müssen, wenn sie mehr als zehn Leute beschäftigen und ihre Ausbildungsquote unter sieben Prozent liegt. Firmen, die eine höhere Quote haben, können bis zu 7500 Euro im Jahr für jede zusätzliche Lehrstelle erhalten. Erhoben werden soll die Abgabe nur, wenn die Zahl der offenen Lehrstellen nicht mindestens 15 Prozent über der Zahl der unversorgten Bewerber liegt. Anders als seine Partei lehnt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Abgabe weiterhin ab. Er vertrete die Auffassung, „dass das aus freien Stücken besser gelingt“, sagte Clement.

Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Dieter Philipp, sprach am Dienstag von „Planwirtschaft“ und einer „Strafsteuer in Milliardenhöhe“, die zu Firmenpleiten führen werde. Die Zahl der Ausbildungsplätze werde durch die Abgabe nicht steigen, sondern sinken. Philipp bemängelte auch zunehmende Bürokratie: Für die Umsetzung würden 1000 Beschäftigte benötigt, allein dies werde Kosten von 700 Millionen Euro verursachen.

Nachteile für den Mittelstand

Fraglich sei, ob der Plan von Rot-Grün mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Wer personalintensiv produziere, werde gegenüber Firmen benachteiligt, die mit mehr Maschinen und weniger Beschäftigten arbeiteten. Dies treffe besonders den Mittelstand. „Wir prüfen, ob diese Ungleichbehandlung verfassungs- und rechtsfest ist“, sagte Philipp. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist skeptisch. „Es stellen sich noch viele offene Rechtsfragen bei dem Entwurf“, sagte DIHK-Bildungsexperte Geerd Woortmann.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist ebenfalls unzufrieden mit den Regierungsplänen. Die Abgabe wirke „wie ein Rohrkrepierer“ und müsse von der Regierung gestoppt werden. Die Regelung gefährde zudem Ausbildungsverbünde – sie seien in dem Entwurf der Bildungsministerin überhaupt nicht berücksichtigt. Hundt nannte es ein „Täuschungsmanöver“, dass tarifvertragliche Regelungen über einen Ausbildungsfonds nun doch keinen Vorrang vor einer Lehrstellenabgabe haben sollten. Dies hatte Bundeskanzler Schröder versprochen.

Im ZDF sagte Schröder, „alle Elemente von Freiwilligkeit sollen vorgehen“. Die SPD-Fraktion signalisierte, dass sie entsprechende Änderungen an dem Entwurf der Bildungsministerin vornehmen will. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Nicolette Kressl sagte der „Financial Times Deutschland“, in dem Entwurf seien Ausnahmen für bereits bestehende Tarifverträge noch sehr restriktiv. Die speziellen Branchenlösungen etwa in der Chemieindustrie oder der Bauwirtschaft müssten berücksichtigt werden.

Das hatte auch IG BCE-Chef Hubertus Schmoldt verlangt. Die Bauindustrie pflichtete ihm bei. „Solche Pläne zerstören unser bewährtes Modell und damit die hohe Ausbildungsquote in der Bauwirtschaft“, sagte Thomas Bauer, Vizechef des Bauindustrie-Verbandes HDB. Ausbildende Baubetriebe werden aus einem eigenen Fonds entlastet.

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