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Wirtschaftskrise: Kurzarbeit für Kreative in Berlin

Noch klingelt das Krisentelefon für Berliner Betriebe selten. Wenn, geht es meist um Arbeitsplatzsicherung

Seit Monaten zeigt die Krise ihr Gesicht in Berlin: Bei Demonstrationen für politische Konsequenzen aus dem Debakel an den Finanzmärkten. Am vergangenen Wochenende mobilisierten die Gewerkschaften Zehntausende, um für einen neuen Sozialpakt zu demonstrieren. Doch Großdemonstrationen von Beschäftigten aus von der Krise betroffenen Berliner Betrieben gibt es kaum. Diese Proteste finden bei Schaeffler, Opel oder der WestLB statt – in Herzogenaurach, Rüsselsheim oder Düsseldorf. Noch scheint Berlin, mit dem soliden Gesundheits- und Sozialsektor, der abgeschmolzenen Industrie und der relativ niedrigen Exportquote, glimpflich davonzukommen. Doch die Krise ist auch in Wirtschaftszweigen spürbar, die bis vor kurzem als besonders aussichtsreich galten.

Unter dem Motto „Berlin trotzt der Krise“ haben sich Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Investitionsbank und die Kammern zusammengetan, um Firmen in Not zu helfen. Zu den Angeboten gehört ein Krisentelefon der IHK. „Es ist nicht gerade so, dass die Drähte heiß glühen“, sagt Christoph von Knobelsdorff, einer der Verantwortlichen für die Firmenberatung. „Wir bekommen 15 bis 30 Anrufe am Tag. Meist wollen die Firmen wissen, wie sie Kurzarbeit beantragen können.“

Die Nachfrage nach Kurzarbeit entwickelt sich allerdings moderat. Im Januar 2009 meldeten 280 Berliner Betriebe bei der Arbeitsagentur möglichen Bedarf an Kurzarbeit an, im März waren es schon 480. Im April sank die Zahl der Betriebe allerdings wieder leicht auf 390. Bis zu 5200 Mitarbeiter könnten der Arbeitsagentur zufolge betroffen sein. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg meldeten im April fast 4000 Betriebe Kurzarbeit für 100 000 Mitarbeiter an.

Bemerkenswert in Berlin: Nicht nur klassische Industriebetriebe, sondern auch wachstumsstarke Dienstleistungsbranchen greifen auf Kurzarbeit zurück, etwa die Kreativwirtschaft. Sie zählt zu den vielbeschworenen Zukunftsbranchen der Hauptstadt. Die Zahl der Mitarbeiter steigt seit Jahren, das aktuelle Beschäftigungspotenzial schätzt der Senat auf 150 000 Arbeitsplätze. Die Jobs verteilen sich auf eine kleinteilige Firmenstruktur. Metadesign, die vielfach ausgezeichnete Agentur für Unternehmensdesign und Branding mit Vorzeigekunden wie Audi, gehört mit 200 Beschäftigten in Berlin schon zu den Branchengrößen.

Die Mitarbeiter sind es gewohnt, rund um die Uhr zu arbeiten, wenn ein wichtiger Auftrag abgeschlossen werden muss. Doch derzeit geht es am Firmensitz in der Leibnizstraße etwas ruhiger zu: Weil viele Aufträge in der Krise verzögert oder reduziert werden, ist die Hälfte der Mitarbeiter seit Februar auf Kurzarbeit. „Für unsere Branche sicher ein ungewöhnlicher Vorgang“, sagt Unternehmenssprecherin Astrid Ramge. „Aber Kurzarbeit ist besser als Kündigung, wir brauchen unsere hochqualifizierten Mitarbeiter für die Zeit nach der Krise.“

Von den vielen kleinen darbenden Betrieben dringen selten Krisenmeldungen in die Öffentlichkeit, ganz zu schweigen von den vielen Selbstständigen. Noch halten die meisten durch und tauchen noch nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. „Die Menschen, die sich in die Selbstständigkeit wagen, haben oft ein sehr hohes Durchhaltevermögen und überstehen schlechte Zeiten, indem sie den Gürtel enger schnallen“, sagt Waltraud Wolf, Geschäftsführerin der Bürgschaftsbank Berlin-Brandenburg.

Wolfs Institut sichert die Kredite von Banken an Gründer durch Bürgschaften ab und muss bei deren Scheitern für die Kreditausfälle geradestehen. Das Ausfallvolumen ist zuletzt spürbar gestiegen, eine Pleitewelle sieht die Bank noch nicht. Wie schlimm es werde, hänge vom weiteren Verlauf der Krise ab. „Aber wir gehen von steigenden Kreditausfällen aus“, sagt Wolf.

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