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Wirtschaft: Zeit der Megafusionen

Für Banker sind sie die Königsdisziplin, für die Börse der Stoff, aus dem Legenden entstehen und für Anleger eine Möglichkeit, die schnelle Mark zu machen - die Rede ist von Übernahmen.Davon gibt es zur Zeit reichlich.

Für Banker sind sie die Königsdisziplin, für die Börse der Stoff, aus dem Legenden entstehen und für Anleger eine Möglichkeit, die schnelle Mark zu machen - die Rede ist von Übernahmen.Davon gibt es zur Zeit reichlich.Kaum eine Woche vergeht, in der nicht irgendein Konzern eine Mega-Fusion oder ein spektakuläres Übernahmeangebot bekanntgibt.Kein Zweifel: Die deutsche Börse, und nicht nur sie, ist vom Fusionsfieber gepackt.Börsianer sprechen scherzhaft auch von Fusionitis.

Kaum war zum Beispiel die Elefantenhochzeit zwischen den Automobilkonzernen Daimler und Chrysler über die Bühne, meldete Viag das Zusammengehen mit Alusuisse.Dann gab Deutsche Bank-Chef Rolf E.Breuer wenig später den Kauf der amerikanischen Bankers Trust (BT) bekannt.Mit einer Bilanzsumme von zusammen 1,3 Billionen DM wird das Finanzkonglomerat zur größten Bank der Welt.Das geplante Gemeinschaftsunternehmen von Hoechst und dem französischen Chemiekonzern Rhône-Poulenc fällt da kaum noch ins Gewicht.Und von den Übernahmeschlachten jenseits des Atlantiks - etwa der Übernahme des Ölriesen Mobil durch den Marktführer Exxon - bekommen die Anleger hierzulande zwar etwas mit - aber eher am Rande.

Anders als zur Blütezeit der Übernahmen in den achtziger Jahren, als sogenannte "Raider" unterbewertete Firmen aufstöberten, den Kauf mit hochverzinslichen Anleihen finanzierten und dann das Unternehmen ausplünderten, spielen heute strategische Überlegungen eine Rolle.Längst nicht alle Branchen sind von Übernahmekämpfen - nämlich von Fusionen - betroffen.Vor allem Chemie, Pharma, Banken, Automobilbau, Stahl und Brauerei gelten als Paradebranchen, die in den nächsten Jahren von einem Konzentrationsprozeß geprägt werden.Das Kreditgewerbe gilt dabei als Dauerbrenner in Sachen Übernahmefantasie.Nach Meinung von Analysten waren die Fusionen von der Deutschen Bank mit BT nur der vorläufige Höhepunkt.Weitere werden folgen.

Ein Grund dafür ist die Tatsache, daß den Geldhäusern mit der Einführung des Euros der Wind des Wettbewerbs stärker ins Gesicht blasen wird.Durch die Einheitswährung entsteht ein einheitlicher Markt.Für die Konkurrenz wird einfacher als bisher, in fremden Revieren zu wildern.Ein zweiter Faktor ist, daß der Markt im Banksektor als verteilt gilt.Wachstum durch neue Produkte ist beim Geschäft mit dem Geld kaum möglich.Anbietern, die wachsen wollen, bleibt kaum etwas anderes übrig, als einen seiner Konkurrenten zu schlucken.Auch die Liaison mit einer Versicherung - Stichwort Allfinanzkonzern - hat gewiß ihren Charme.

Die zunehmende Orientierung auf den Shareholder-value - also die Ausrichtung der Unternehmenspolitik an Aktionärsinteressen - tut ihr übriges.Ehrgeizige Renditeziele zwingen die Manager dazu, ganze Konzernbereiche zu verscherbeln, wenn es mit deren Erträgen nicht stimmt.Nicht zuletzt fordert auch die immer mehr voranschreitende Globalisierung ihren Tribut.

Nur Unternehmen, die eine gewisse Größe besitzen, können sich überhaupt auf dem Weltmarkt behaupten.Vor allem im produzierenden Gewerbe wie etwa im Automobil- oder Pharmabereich wird die Entwicklung und weltweite Vermarktung neuer Produkte fast unbezahlbar.Ohne Partner, mit dem man sich ergänzt, läuft dann fast gar nichts.Die vielbeschworenen Synergien werden von Managern stets als schlagkräftiges Argument angeführt, wenn es darum geht, eine Fusion zu begründen.Das klingt zunächst auch einleuchtend.Durch einen gemeinsamen Marktauftritt oder Zusammenlegung Sparten lassen sich zweifellos Kosten sparen.

Bei der Ehe Deutsche Bank-BT wird das Potential zum Beispiel mit 1,7 Milliarden Mark jährlich angegeben.Das Problem ist nur, daß diese Einsparungen regelmäßig zu hoch angesetzt werden.Denn Reibungsverluste im Tagesgeschäft machen diese Schätzungen oft genug zunichte.Vor allem altgediente Daimler-Aktionäre wissen ein Lied davon zu singen.Jahrelang verfolgte der Konzernlenker Edzard Reuter seine Vision vom integrierten Technologiekonzern.Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen kaufte das Unternehemn eine Firma nach der nach auf (Fokker, MTU, Dornier).Doch das Ergebnis war bitter - vor allem für die Aktionäre.Der Daimler-Kurs blieb bis Mitte der Neunziger Jahre weit hinter dem Dax zurück, ganz einfach weil die verschiedenen Teile des Puzzels nicht zusammenpaßten.

Die Banken sind oftmals nicht ganz schuldlos an derartigen Desastern.Mit ihren Aktienpaketen und der Kontrolle des Aufsichtsrats treiben sie Fusionen oft voran.Die letztlich nicht zutande gekommene Übernahme von Thyssen durch Krupp-Hoesch ist zum Beispiel von der Deutschen und Dresdner Bank eingefädelt worden.Dabei muß man den Kreditinstituten wohl oder übel unterstellen, daß in ihren Überlegungen die Interesse der Aktionäre in der Regel höchstens die zweite Geige spielen - wenn überhaupt.Ihnen kommt es vor allem darauf an, daß die beiden Unternehmen auch zukünftig ihre Kredite zurükzahlen können.

Also gehen sie bei der Partnersuche lieber auf Nummer Sicher.Kein Wunder also, daß für die Aktionäre des übernehmenden Unternehmens Fusionen oftmals ein schlechtes Geschäft sind.Manchmal reicht schon allein die Ankündigung des Vorhabens aus, um den Kurs an den Börsen nach unten zu drücken - die Börse ist davon überzeugt, daß ein zu hoher Preis für das andere Unternehmen gezahlt wird.Dessen Aktionäre können sich freilich freuen.Schließlich wird ihnen der Ausstieg versüßt.

Der Traum eines jeden Depotwert-maximierenden Aktienanlegers ist denn auch, einmal bei einer Übernahmeschlacht, in denen sich die Kontrahenten gegenseitig überbeiten, dabei zu sein - so wie zum Beispiel BMW und VW bei Rolls Royce.Wer dabei allerdings zu spät kommt, den bestraft die Börse.Manchmal ist das Übernahmeangebot nämlich nur ein Gerücht oder der gebotenen Preis liegt am Ende weit unter dem spekulativ angeheizten Kurs.

Wer den Rahm eines Übernahmeangebots abschöpfen will, tut deshalb gut daran, sich schon vorher Gedanken darüber zu machen, welche Unternehmen günstigstenfalls für einen take-over in Frage kommen könnte.Anhaltspunkte können beispielsweise anhaltende Ertragsschwäche oder hohe stille Reserven eines Unternehmens sein.Auch eine Unternehmensstrategie, die an den tatsächlichen Aktionärsinteressen vorbeigeht, macht ein Unternehmen zum Übernahmeopfer.

PETER HEIN

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