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© dpa

Zigarettenschmuggel: Wenn Rauchen zu billig ist

Elf Prozent aller Zigaretten sind illegal gehandelt: Experten aus 160 Ländern beraten über Maßnahmen gegen Zigarettenschmuggel.

Berlin - Es ist ein Milliardengeschäft, und es wird immer raffinierter. Experten messen dem weltweiten illegalen Tabakhandel mittlerweile eine größere Bedeutung zu als dem Handel mit Heroin oder Waffen. Das wurde am Rande einer sechstägigen Konferenz der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf deutlich, die am Wochenende zu Ende ging.

Rund 800 Experten von Nichtregierungsorganisationen aus 160 Ländern berieten dort über die Ausgestaltung eines Rahmenabkommens zur Tabakkontrolle (Framework Convention on Tobacco Control). Die 160 Staaten, die das Abkommen seit 2003 ratifiziert haben, darunter Deutschland, verpflichten sich gemäß der Präambel, „heutige und künftige Generationen vor den verheerenden gesundheitlichen, gesellschaftlichen, umweltrelevanten und wirtschaftlichen Folgen des Tabakkonsums zu schützen“.

Laut jüngsten Zahlen sind Zigaretten das meistgeschmuggelte legale Konsumgut. Rund elf Prozent aller weltweit verkauften Zigaretten sind Schmuggelware, schätzten die Fachleute. Das entspräche 600 Milliarden Zigaretten pro Jahr und einem Steuerausfall von mehr als 31 Milliarden Euro. Zudem starben seit 1999, als die Verhandlungen zu dem Rahmenabkommen begannen, 40 Millionen Menschen an den Folgen des Zigarettenqualms – wobei die Todesrate vor allem in Entwicklungsländern steigt. Der illegale Tabakhandel hintergehe die Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums, wie die Erhöhung der Tabaksteuer, und fördere durch den niedrigeren Preis den Konsum gerade bei preisbewussten, jungen Leuten, hieß es.

Die Delegierten konnten sich in Genf am Ende noch nicht auf eine Schlussresolution einigen, welche man den einzelnen Parlamenten vorlegen könnte, um diese in nationales Recht umzusetzen. Weitgehend Einigkeit bestand aber darüber, dass illegaler Zigarettenhandel stärker in der Zuständigkeit jener Strafverfolgungsbehörden angesiedelt sein sollte, die sich mit der Drogen- und Verbrechensbekämpfung befassen. Das ist nicht selbstverständlich, da der Schmuggel in vielen Ländern noch wie ein Kavaliersdelikt behandelt wird.

Die Experten forderten höhere Budgets für die Ermittlungsbehörden und härtere Strafen für überführte Schmuggler, um das Problem in den Griff zu bekommen. Eine große Rolle bei den Beratungen spielten auch die technische Aufrüstung der Tabakindustrie mit „Tracking-and-Tracing“-Systemen, also der elektronischen Kennzeichnung legal hergestellter Zigaretten, um deren Weg von der Fabrik in den Einzelhandel lückenlos zu verfolgen.

Das scheint nötig. Denn auch die Gegenseite rüstet auf, wie aus einem Dossier der Organisation „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) hervorgeht, das am Rande der Konferenz veröffentlicht wurde. Darin wird etwa erklärt, wie sich chinesische Fälscher Zugang zu den Verfahren verschafften, mit denen sie Schutzhologramme auf Verpackungen westlicher Premium-Marken reproduzieren und so Zollbehörden und Käufer täuschen. In der ICIJ sind 100 Reporter aus 50 Ländern organisiert, die über den Zigarettenschmuggel recherchieren.

Zudem wurde quasi nachgewiesen, dass die osteuropäische „Jin Ling“ die weltweit erste Zigarettenmarke ist, die ausschließlich für den Schmuggel produziert wird. Mit „Jin Ling“, die auch den deutschen Schwarzmarkt dominiert, machen die Hersteller eine Milliarde Euro Umsatz in Europa – ohne Geld für Werbung zu investieren. Kevin Hoffmann

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