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FED-Chefin Janet Yellen hat vor allem die US-amerikanischen Wirtschaft im Blick. Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften gewichtet die FED traditionell weit weniger.

© Michael Reynolds/dpa

Zinswende in den USA: Angst vor Janet Yellen

Erhöht die US-Notenbank die Zinsen, trifft dies Schwellenländer hart – und damit deutsche Exporteure. Vor allem die Maschinenbauer schauen mit Sorge auf 2015.

Wer ist die gefährlichste Frau der Welt? Aus Sicht der Schwellenländer Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank Fed. Seit Monaten sind Milliarden aus den Kapitalmärkten von Lateinamerika bis Fernost abgezogen worden, die Wechselkurse sind seitdem auf Talfahrt.

Die Unruhe hat einen Grund: Schon im nächsten Monat könnte Fed-Chefin Yellen erstmals nach neun Jahren die Leitzinsen erhöhen. Schon der Gedanke an dieses Szenario hat Investoren verschreckt, massenhaft haben sie ihr Kapital aus den Schwellenländern abgezogen. Um 16 Prozent sind die Börsen dort seit April eingebrochen. Und ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. „Die Situation erinnert an die Vorboten der Asienkrise von 1997“, warnt Albert Edwards, Anlagestratege bei Société Générale.

Schlechte Aussichten: ein schwaches China, niedrige Rohstoffpreise und steigende Zinsen

Durch die jüngsten Daten vom US-Arbeitsmarkt, die abermals ein Plus von mehr als 200 000 Jobs zeigen, wird die Zinswende jenseits des Atlantiks immer wahrscheinlicher. „Wir glauben, dass die Fed die Zinsen im September erhöht und dass wir in den nächsten Quartalen noch mehr Druck auf die Schwellenländer sehen“, sagt Scott Mather, Chefstratege bei Pimco. Joe LaVorgna, Chefökonom der Deutschen Bank in Nordamerika, warnt: „Das größere Risiko kommt nach der ersten Zinserhöhung.“ Er fürchtet, dass Yellen schneller als erwartet nachlegen könnte, sollten die wirtschaftlichen Daten stimmen.

Die Schwellenländer leiden nicht allein an der Zinspolitik der amerikanischen Notenbank. Die gefallenen Preise für Rohstoffe und die ökonomische Schwächephase in China belasten die Aufsteigerstaaten zusätzlich – eine gefährliche Mixtur. Im Juli brach der chinesische Außenhandel im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast neun Prozent ein. Die Importe aus Indien und Brasilien schrumpften in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um jeweils rund 23 Prozent. Der einst gewaltige Hunger Chinas nach Rohstoffen geht zurück, die Preise für Kupfer und Eisenerz sinken.

Die Nachfrage in China und Russland sinkt

Den Preisverfall spüren auch Australien, Chile, Kanada und Peru. „China könnte etliche Schwellenländer nach unten ziehen“, fürchtet Huang Weiping, Wirtschaftsprofessor an der Pekinger Universität.

Die Sorgen der Schwellenländer sind auch die Sorgen der deutschen Wirtschaft. Vor allem der exportstarke Maschinenbau bekommt die Probleme der Schwellenländer zu spüren, aber auch andere Branchen sorgen sich. „2015 wird ein schwieriges Jahr für den deutschen Maschinenbau“, heißt es beim Anlagenbauer Voith. Schon seit Anfang des Jahres registriert die Branche eine deutlich gesunkene Nachfrage aus den Schwellenländern. Der Markt in Russland ist um fast ein Drittel eingebrochen, der in China liegt leicht im Minus. Auch die Asean-Staaten und traditionell starke Abnehmerländer wie Brasilien zögern mit Bestellungen. „Alle unsere Märkte stehen derzeit unter Druck“, heißt es beim Landtechnik-Hersteller Claas. „Die Schwankungen sind groß“, warnt Antriebsspezialist Bosch-Rexroth, „das gilt vor allem für Russland und China“.

Ulrich Ackermann, der Außenhandelsexperte des Branchenverbandes VDMA, fürchtet, dass sich der Negativtrend durch die anstehende Zinserhöhung der Fed verstärken wird. Die Aufträge aus den Nicht-Euro-Ländern sanken im ersten Halbjahr um vier Prozent, im Juni brachen sie sogar um 15 Prozent ein. DIHK- Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben blickt ebenfalls sorgenvoll nach Washington: „Eine Zinswende in den USA bringt Turbulenzen mit sich – gerade für Schwellenländer, in denen es zu weiteren Abflüssen kurzfristigen Kapitals kommen könnte, die Wechselkurse sinken und die Zinsen steigen.“ Er hofft, dass der starke Dollar und die Exporte in die USA – 2015 wahrscheinlich erstmals für mehr als 100 Milliarden Dollar – die Schwächen im Geschäft mit den Schwellenländern auffangen.

Märkte müssen sich erst an den Zinserhöhungszyklus anpassen

Ein besonderes Problem ist Russland. Der Sportartikelhersteller Adidas spürt vor allem dort Druck, während andere Schwellenmärkte noch gut laufen. Ähnlich beim Handelskonzern Metro. „Wir werden unser Expansionstempo dort etwas drosseln“, sagt Konzern-Chef Olaf Koch. Das Investitionsvolumen wird halbiert. Er spürt auch negative Wechselkurseffekte im Geschäft mit Osteuropa.

Für Investoren bedeutet die Situation trotz der bereits gefallenen Kurse: Finger weg. Der Meinung ist jedenfalls Marino Valensise, Leiter der weltweiten Multi Asset Group bei Barings. Einstiegschancen sieht er erst, wenn sich die Märkte komplett auf den Zinserhöhungszyklus der Fed eingestellt haben. Die Bank of America ist deutlicher. Sie warnt davor, mit dem Kauf von Aktien in den Schwellenländern in ein „fallendes Messer“ zu greifen – sprich: Das Geldhaus geht in diesen Märkten von fallenden Aktienkursen aus.

Frank Wiebe, Stephan Scheuer

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