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Verschnupft. Das Sparprogramm für Portugal hat den Premierminister José Sócrates das Amt gekostet. Die EU einigte sich jetzt auf deutlich schärfere Sanktionen gegen Defizitsünder. Foto: AFP

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Wirtschaft: Zittern um Portugal

Lissabon will keine Hilfe – doch Ratingagenturen stufen das Land herab

Noch am vergangenen Mittwochabend hatte das harte portugiesische Sparprogramm den Lissabonner Premierminister José Sócrates das Amt gekostet. Beim anschließenden EU-Gipfel in Brüssel versuchten die Staats- und Regierungschefs sicherzustellen, dass genau dieses harte Sparprogramm auf jeden Fall umgesetzt wird – egal, welche Partei nach den in spätestens zwei Monaten stattfindenden Neuwahlen in Lissabon regieren wird. Folglich traf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits zum Auftakt des Gipfels am Donnerstag mit dem konservativen portugiesischen Oppositionsführer Pedro Passos Coelho zusammen, um sich dessen Unterstützung für den geplanten Sparkurs zu sichern. Aus Diplomatenkreisen verlautete, man sei zuversichtlich, dass Portugal, dessen Kreditwürdigkeit von den Ratingagenturen Standard & Poor’s und Fitch am Freitag erneut herabgesetzt wurde, mit dem Sparprogramm den Euro-Rettungsschirm nicht in Anspruch nehmen müsse.

Sócrates, der bei den Wahlen erneut Spitzenkandidat seiner sozialdemokratischen Partei sein wird, lehnte dies auch am Freitag in Brüssel erneut ab: „Ich bin hier, um mein Land zu verteidigen. Portugal braucht keine Hilfe von außen, wir brauchen Vertrauen.“

Angesichts der Spekulationen über einen bevorstehenden Hilferuf Portugals rückte die Tatsache fast in den Hintergrund, dass sich die EU bei dem Gipfel in wesentlichen Punkten auf das weitreichendste Paket zur Reform des Euro seit 1999 geeinigt hatte; damals war die Gemeinschaftswährung als Buchgeld eingeführt worden. Der Kern des Reformpakets ist ein runderneuerter Euro-Rettungsschirm (ESM), der von Mitte 2013 an überschuldeten Mitgliedstaaten Kredithilfen von bis zu 500 Milliarden Euro gewähren kann. An dessen Kapitaleinlage ist die Bundesrepublik mit insgesamt 21,7 Milliarden Euro beteiligt. Auf Drängen der FDP erreichte Merkel in Brüssel, dass das Geld später und in mehr Schritten eingezahlt werden muss. Damit stehen der Bundesregierung im Wahljahr 2013 rund sieben Milliarden Euro mehr zur Verfügung.

Auch der gegenwärtige Krisenfonds EFSF wird generalüberholt: Die tatsächliche Ausleihkapazität des EFSF wird von 250 Milliarden Euro auf 440 Milliarden Euro erweitert. Ungeklärt ist allerdings noch, wie die Aufstockung bewerkstelligt werden soll. Das liegt vor allem daran, dass sich das Euro-Mitglied Finnland bislang darüber bedeckt hält, welchen Beitrag es zur Erhöhung des Kreditrahmens leisten will. Das Zögern hat politische Gründe: Vor den finnischen Parlamentswahlen am 17. April befindet sich die rechtspopulistische Partei „Wahre Finnen“, die eine Erhöhung der EU-Hilfen ablehnt, im Aufwind. Deshalb möchte die liberale Regierungspartei der amtierenden Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi der EU-kritischen Rechtspartei nicht noch weiteren Zulauf verschaffen.

Gleichzeitig verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs zu einer Verschärfung des Stabilitätspaktes. Die Neuregelung sieht künftig auch Strafen für Defizitsünder vor, die die zulässige Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten und bei der Rückführung des Defizits nicht genügend Fortschritte machen. Bislang mussten Euro-Staaten vor allem dann mit Strafen rechnen, wenn ihre jährliche Neuverschuldung bei über drei Prozent der Wirtschaftsleistung lag. In der Praxis wurden aber nie Sanktionen verhängt, auch wenn Deutschland und Frankreich 2003 gegen den Stabilitätspakt verstießen. Das soll sich in Zukunft ändern: Schon bei der Einleitung eines Defizitverfahrens müssen die betroffenen Staaten ein Pfand von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hinterlegen. Leistet der Defizitsünder den Empfehlungen aus Brüssel nicht Folge, dann ist auch die Einlage weg – das hinterlegte Geld kommt dann dem Euro-Rettungsfonds zugute. Die Neuregelungen des Stabilitätspaktes bedürfen allerdings noch der Zustimmung des Europaparlamentes, das bis zum Sommer entscheiden will.

Auf Drängen Deutschlands gehört zum Reformpaket auch ein neuer Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit („Euro Plus Pakt“), mit dem sich die 17 Euro-Länder zu einer stärkeren Abstimmung bei der Sozial-, Steuer- und Haushaltspolitik verpflichten. Mithilfe des Paktes sollen auch in wettbewerbsschwächeren EU-Staaten Reformen etwa in der Renten- und Sozialpolitik angestoßen werden. Allerdings gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Neben den Euro-Staaten haben sich auch Polen, Bulgarien, Dänemark, Rumänien, Litauen und Lettland zur Teilnahme bereit erklärt.

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