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Die Gasag-Kunden mussten überhöhte Preise zahlen, weil die Lieferanten des Versorgers viel zu teuer waren, sagt Karl Kauermann, Ex-Chef der Berliner Volksbank.

© IMAGO

Zoff bei der Gasag: „Zutiefst unanständig“

Karl Kauermann, Aufsichtsrat der Gasag, attackiert vor Gericht die Gasag-Eigentümer GdF und Eon, weil die der Gasag zu viel Geld abgeknöpft haben.

Berlin - Eine Dreiviertelstunde ist vorbei im Raum 3809 des Berliner Landgerichts. Kläger, Beklagte und Richter kommen nicht so recht vom Fleck mit ihren juristischen Spiegelfechtereien. Dann meldet sich Karl Kauermann. Wegen ihm hat man sich hier an diesem Mittwochmorgen getroffen, um einen ungewöhnlichen Vorgang zu erörtern: Ein Aufsichtsratsmitglied der Gasag, eben Karl Kauermann, klagt gegen die Gasag, weil er sich über das Geschäftsgebahren einiger Gasag-Eigentümer aufregt. „Ich bin seit 15 Jahren Mitglied im Aufsichtsrat“, sagt Kauermann, gut 14 Jahre sogar als Aufsichtsratsvorsitzender. Im vergangenen Herbst ist ihm, dem langjährigen Chef der Berliner Volksbank, der Kragen geplatzt. „Das Verhalten der Aktionäre, die gleichzeitig Vorlieferanten sind, halte ich für zutiefst unanständig.“ Damit ist alles gesagt über den Kern der komplizierten Auseinandersetzung, deren Wurzeln Jahrzehnte zurückreichen. Es geht, natürlich, um Geld. In den 90er Jahren wurde die Gasag vom Senat verkauft; Eon Ruhrgas ist heute mit 36,85 Prozent der größte Aktionär, jeweils 31,575 Prozent der Anteile halten die französische GdF Suez und die in Berlin ansässige Vattenfall Europe, in der die Bewag aufgegangen ist und die zum schwedischen Staatskonzern Vattenfall gehört. Die Gasag verkauft Gas – und dieses Gas bezieht sie seit vielen Jahren vor allem auch von ihren eigenen Eigentümern, also GdF und Eon Ruhrgas. Eine Basis der langfristigen Verträge war die Kopplung des Gaspreises an den Ölpreis. Doch diese Basis stellte sich als nicht mehr tragfähig heraus, nachdem es von 2009 an ein Überangebot von Erdgas gab und in der Folge der Marktpreis fiel. Für die Gasag ein dramatischer Umstand: Sie musste weiter die teuren Preise an Eon Ruhrgas und GdF zahlen, während sich gleichzeitig die Gasag-Wettbewerber günstiger auf dem freien Markt versorgen konnten und diesen Preisvorteil auch weiterreichten. „Von 800000 Kunden haben wir 100000 Kunden verloren“, klagt rückblickend Kauermann. Seit 2009 versuchte sich der Gasag-Vorstand mit seinen Lieferanten (und Eigentümern) auf einen Kompromiss zu verständigen. Nachdem die Verhandlungen Anfang 2011 scheiterten, wählte die Gasag den juristischen Weg. Gegen GdF wurde vor dem Berliner Landgericht geklagt, gegen Eon begann ein Schiedsverfahren, das bis Mitte 2012 abgeschlossen sein soll. Bereits im Oktober 2011 verständigte sich die Gasag mit der GdF auf einen Vergleich, der auch vom Gasag-Aufsichtsrat gebilligt wurde – mit Ausnahme Kauermanns, der ja das Verhalten der GdF „unanständig“ findet und gegen den Vergleich klagt: Der Aufsichtsrat sei nicht hinreichend informiert gewesen und der Vorstand habe gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, indem er auf Ansprüche gegen die GdF verzichtet habe. Insgesamt hat die Gasag seit 2009 rund 57 Millionen Euro zu viel an die GdF gezahlt, wenn man die Marktpreise zugrunde legte. Diese 57 Millionen sind futsch; im Vergleich hat der Gasag-Vorstand indes erreicht, dass er von der bisherigen Abnahmepflicht befreit wurde, also das Gas künftig günstiger einkaufen kann als bislang. Der Richter hat Verständnis für den Gasag-Vorstand: „Wenn Unklarheiten über die Ansprüche bestanden, dann durfte der Vergleich geschlossen werden.“ Anders gesagt: Der Gasag- Vorstand konnte nicht sicher sein, die Ansprüche vor Gericht durchsetzen zu können und hat sich deshalb verglichen. Kauermann sieht das nicht ein. „Ich halte das für erstaunlich“, sagt er zu dem Umstand, dass die Gasag gut 50 Millionen forderte und nichts bekam. Aber womöglich hänge das auch damit zusammen, dass der Vorstand wiedergewählt werden wolle – von denselben Eigentümern, mit denen er sich verglichen habe. Kauermann regt an, die Gaslieferanten, die sich über Jahre auf Kosten der Berliner Verbraucher bereichert hätten, sollten 50 Millionen Euro in eine Stiftung stecken, die sich zum Beispiel dem Energiesparen widmen könnte. Der 65-jährige Ex-Banker traut den Gasag-Aktionären nicht über den Weg. Eon und Vattenfall wollten ihre Anteile verkaufen, GdF dagegen seine aufstocken – womöglich sei auch deshalb der Vergleich mit den Franzosen zustande gekommen. Der Richter geht auf diese Mutmaßungen nicht ein und legt den Verkündungstermin auf Ende Juni fest.

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