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Drei Callcenter des Unternehmens Infratel in Berlin, München und Bielefeld wurden durchsucht.

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Rentenbeiträge unterschlagen?: Zoll-Razzien bei Meinungsforschern von TNS Infratest

Fahnder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) haben drei Callcenter des Unternehmens Infratel in Berlin, München und Bielefeld durchsucht und Mitarbeiter befragt. Die Firma arbeitet für die Meinungsforscher von TNS Infratest, bekannt für die berühmte "Sonntagsfrage".

Mehrere hundert Mitarbeiter eines Meinungsforschungsunternehmens („Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?“) haben sich dieser Tage in einer für sie ungewöhnlichen Situation wiedergefunden: Plötzlich haben nicht sie die Fragen gestellt, sondern mussten Fragen beantworten – in erster Linie zu ihrem Beschäftigungsstatus.

Ermittler der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) aus Bielefeld, einer Abteilung des Zolls, hatten am vergangenen Donnerstagabend drei Call-Center des Unternehmens Infratel in Bielefeld, Berlin und München gestürmt, Unterlagen beschlagnahmt und vor Ort die nicht festangestellten Mitarbeiter ausführlich befragt. Das bestätigten das Unternehmen und die Staatsanwaltschaft Bielefeld dem Tagesspiegel am Dienstag. Infratel arbeitet für das Marktforschungsunternehmen TNS Infratest, das auch eine Beteiligung an Infratel hält. In Berlin betreiben die Demoskopen ein Studio mit 62 Telefonarbeitsplätzen in vier Großraumbüros im Stadtteil Plänterwald fast direkt am Treptower Park.

FKS und Staatsanwaltschaft prüfen, ob Infratel-Chefin Petra Mucha gegen Paragraf 266a des Strafgesetzbuchs („Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“) verstoßen hat. Dies kann theoretisch mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Ob es überhaupt für eine Anklage reicht, wird sich erst in Monaten zeigen. Mitarbeiter selbst wurden offenbar nicht geprellt. Die Behörden gehen vielmehr dem Verdacht nach, Infratel habe Beiträge zur Renten- und Sozialversicherung nicht korrekt abgeführt. Dazu müssen sie aber nachweisen, dass es sich bei den auf Honorarbasis Infratel-Beschäftigten um „Scheinselbstständige“ handelt, also Mitarbeiter, die de facto in abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stecken.

Mucha wies die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme zurück und sicherte zu, die Untersuchung zu unterstützen. Telefoninterviewer seien – wie branchenüblich – auf der Basis freier Mitarbeiter-Verträge tätig, erklärte sie. Dem Unternehmen lägen „mehrere behördliche und gerichtliche Entscheidungen vor, die die Rechtmäßigkeit des rechtlichen Status der freien Mitarbeit der für die Infratel GmbH tätigen Telefoninterviewer bestätigen“.

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