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Wirtschaft: Zornige Vögel

Klima bei Lufthansa und Ufo vergiftet/ Mitarbeiter fürchten Billig-Strategie.

Berlin - Angry Birds, zornige Vögel: Die Worte waren auch am Dienstag wieder auf manchen T-Shirts und Plakaten zu sehen, die die Flugbegleiter der Lufthansa auf ihren Kundgebungen tragen. Angry Birds heißt eines der weltweit beliebtesten Computerspiele, in das sich wohl manche Stewardess auf einem Langstreckenflug vertieft. In dem Spiel muss man mit einer virtuellen Schleuder putzig-grimmig dreinschauende Vögel gegen Holz- und Steinfestungen der bösen Schweine-Armee schleudern und diese zerstören. Die Schweine, das sind die, die den Vögeln die Eier klauen. Im Spiel sind die Fronten klar.

Angry Birds soll auch anspielen auf den Kranich, das Lufthansa-Wappentier, das auf den Protestplakaten gern im Sturzflug oder mit gerupften Flügeln dargestellt wird. Schilder mit der offiziellen Kernforderung der Gewerkschaft nach fünf Prozent Gehalt sieht man kaum. Denn es geht in diesem Konflikt um mehr: Die Angst, dass sich einer der beliebtesten Arbeitgeber der Republik zu einem ganz gewöhnlichen Arbeitgeber wandelt.

„Wo Lufthansa drauf steht, muss auch Lufthansa drin sein“, hieß es auf einem Plakat in Frankfurt. Oder: „Wir sind Lufthansa, doch so werden wir zur Frust-Hansa“. Ein anderes Plakat verstanden nur nähere Beobachter der Branche, es traf aber wohl den Kern der Auseinandersetzung: „Direct4You, nothing 4 us“.

Hinter dem kryptischen Namen „Direct4you“ verbirgt sich ein konzerninternes Programm, mit dem der Konzernvorstand die Gründung einer neuen Billigfluglinie vorantreibt, die freilich anders heißen soll. Der konkrete Plan sieht vor, dass die bereits bestehende Billigflugtochter Germanwings zusammengelegt wird mit den Strecken der Marke Lufthansa, die Stadt-zu-Stadt-Verbindungen bedienen – aber nicht Zubringerdienste für die großen Knotenpunkte in Frankfurt und München. Diese freien Strecken, so das Kalkül, könnte man in einer neuen Airline bündeln und so die stetig wachsenden Rivalen Ryanair aus Irland und Easyjet aus England angreifen, die selbst auch nur direkte Städte-Verbindungenbetreiben.

Die stolzen Flugbegleiter der Premium-Airline fürchten also, sich in einer Billigtochter wiederzufinden. Zu Billiglöhnen. Nicht sofort, aber irgendwann. Da geraten die aktuellen Forderungen der Gewerkschaft Ufo, die rund zwei Drittel der 19 000 Flugbegleiter vertritt, in den Hintergrund – zumal sie nur eine Einigung mit einer Laufzeit für ein Jahr anstrebt, rückwirkend zum 1. April.

Derzeit verdienen Einsteiger als Flugbegleiter rund 1700 Euro brutto, mit den Jahren steigt der Betrag auf bis zu 4000 Euro. Kabinenchefs, sogenannte Purser, verdienen bis zu 7000 Euro. Die Lufthanseaten, die das Unternehmen über die Leiharbeitsfirma Aviation Power für den Einsatz ab Berlin rekrutiert hat, steigen zwar zu gleichen Gehältern ein, müssen dafür aber acht Prozent länger arbeiten, was man bei Ufo als den Anfang vom Ende der Tarifstruktur begreift.

Noch hat der Lufthansa-Vorstand um Christoph Franz nichts beschlossen. Zunächst will er in Stuttgart und Berlin erproben, wie so ein Billigmodell funktionieren könnte. Berlin ist auch als Zentrale der neuen Gesellschaft im Gespräch.

In dem Kontext dürfte man bei Ufo auch eine Bekanntmachung von Germanwings als Provokation empfunden haben. Die Gesellschaft teilte ausgerechnet am bisher heftigsten Streiktag mit, dass sie am Standort Berlin mit dem Wechsel zum Winterflugplan am 28. Oktober von Schönefeld nach Tegel umziehen wird. Begründung: In Tegel könne Germanwings seine Angebote mit der Muttergesellschaft Lufthansa besser abstimmen. Lufthansa macht also ernst und lässt sich auch von dem Chaos um den neuen Berliner Großflughafen nicht abhalten. Auch das vergiftet die Atmosphäre.

So verschärfte sich der Ton auch am Dienstag weiter: Sprecher von Ufo und Lufthansa warfen der jeweils anderen Seite „Arroganz“ vor. Lufthansa kritisierte die Ufo-Taktik heftig: „Das hat nichts mehr mit Nadelstichen zu tun, sondern das sind Nackenschläge oder Faustschläge ins Gesicht unserer Kunden“, sagte Konzernsprecher Klaus Walther.

Wie es weitergeht, ist offen. Fest steht nur: Streiten die zwei, freut sich Air Berlin, eine Airline, die nie entschieden hat, ob sie Premium oder billig sein will. Sie setzte gestern zwischen Berlin-Tegel und Frankfurt, Köln sowie Düsseldorf größere Maschinen ein. Die seien „sehr gut ausgelastet“, hieß es. Kevin P. Hoffmann

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