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Wirtschaft: Zu teuer eingekauft

Langfristige Beschaffungsverträge und der milde Winter belasten die Gasag.

Berlin - Das ganze Dilemma zeigt sich in einem dünnen Strich. Neben zwei großen und fetten Balken für die Jahre 2009 und 2010 hat Andreas Prohl für 2011 den Strich gemalt, um die Gewinnsituation der Gasag AG zu illustrieren. Mit dem Verkauf von Gas hat das Berliner Unternehmen im vergangenen Jahr fast kein Geld verdient. Vertriebsvorstand Prohl lieferte etwas verschwurbelt die Begründung dafür: „Mit der derzeitigen Beschaffungssituation können wir kein angemessenes Ergebnis erzielen.“ Damit war das Hauptthema der Bilanzpressekonferenz umrissen: Der Streit mit den Gasag-Großaktionären und gleichzeitig Gaslieferanten Eon und Gaz de France (GdF).

Die Gasag leidet, wie berichtet, seit Jahren unter den Preisen, die sie aufgrund langfristiger Verträge an ihre Lieferanten Eon und GdF zahlen muss. Wie viel genau von den beiden Konzernen gekauft wird, wollte Prohl am Mittwoch nicht sagen. „Keiner der beiden Lieferanten hat mehr als 50 Prozent, und GdF liefert eine kleinere Menge als Eon Ruhrgas.“ Mit den Franzosen hat man sich inzwischen so geeinigt, dass sich die Gasag mehr Gas frei auf den Märkten zu aktuellen Preisen kaufen kann. Mit Eon läuft noch ein Schiedsverfahren. „Wir arbeiten an einer Lösung, aber das dauert“, sagte Prohl.

Eine Ursache für die missliche Vertragssituation sieht der Vorstand in den USA. Vor einigen Jahren hätten die Amerikaner auf Selbstversorgung umgestellt. Das Gas, das früher in den USA gelandet sei, führte dann ab 2009 in Europa zu einer „Gasschwemme“, wie Prohl sagte. Es bildeten sich Handelsmärkte, an denen ständig Gas gekauft und verkauft wurde. Die Bedeutung der klassischen Importverträge nahm ab, doch aufgrund der Langfristigkeit dieser Verträge belasten die dort festgeschriebenen Preise noch immer viele Gasabnehmer. Auch die Gasag. Die hier und da genannte Zahl von 110 Millionen Euro, die der Berliner Konzern angeblich zwischen 2008 und 2011 aufgrund der Altverträge zu viel gezahlt hat, könne man aber „nicht nachvollziehen“, sagte Prohl, ohne selbst eine Ziffer zu nennen.

Trotz der hohen Beschaffungspreise verdiente der Konzern 2011 noch gut 57 Millionen Euro (Vorjahr: knapp 77 Millionen). Und obwohl der Gasabsatz – auch wegen des milden Winters – um zwölf Prozent unter dem Vorjahr blieb, erhöhte sich der Umsatz leicht auf 1,16 Milliarden Euro. Da wirkt sich die Preiserhöhung um durchschnittlich 13 Prozent ab dem Oktober 2010 aus. Im vergangenen Jahr blieben die Preise konstant. Die jüngste Erhöhung gab es im Februar mit durchschnittlich sieben Prozent. Zumindest für die kommenden sechs Monate schloss Vertriebsvorstand Prohl weitere Preisschritte aus. Aufgrund der Schwankungen auf den Beschaffungsmärkten seien danach aber durchaus welche möglich – in beide Richtungen, wie Prohl betonte.

„Unsere Preise waren und sind angemessen“, meinte Prohl, im Bundesdurchschnitt seien diese seit 2000 schneller gestiegen als in Berlin. Trotzdem hat die Gasag seit 2006, als mit Lekker Gas der erste Wettbewerber auf dem Berliner Markt auftauchte, mehr als 100 000 Kunden verloren. Der Marktanteil liegt aber immer noch bei knapp 80 Prozent.

Mit einer „gewissen Enttäuschung“ (Prohl) habe man die Nachfrage beim Biogas zur Kenntnis genommen. Weniger als 1000 Kunden hätten bislang ein entsprechendes Angebot wahrgenommen. Vermutlich, weil das Biogas zehn Prozent teurer sei als Erdgas. Inzwischen betreibt die Gasag jeweils eine Biogasanlage in Rathenow und eine in Schwedt. Das dort gewonnene Gas werde durchaus profitabel in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen verwendet.

Über die Motive des früheren Gasag-Aufsichtsratsvorsitzenden Karl Kauermann, der gerichtlich gegen den Vergleich mit Gaz de France vorgeht, wollte sich der Gasag-Vorstand nicht äußern. „Der ungewöhnliche Vorgang mit Herrn Kauermann ist schlecht für das Image“, räumte der kaufmännische Vorstand Olaf Czernomoriez ein. Indes habe Kauermanns Rücktritt bereits festgestanden, bevor man im vergangenen September den Vergleich mit der GdF geschlossen habe. Am 9. Mai wird die Klage Kauermanns vor dem Landgericht Berlin verhandelt.

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