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Wirtschaft: Zu viele Netze in Europas Meeren

EU-Kommission will Flottenabbau subventionieren und Fangverbot für Kabeljau durchsetzen

Berlin . Die EU-Fischerei steckt in der Krise: Etwa 70 Prozent der europäischen Fischbestände gelten als überfischt, jedes Jahr gehen 8000 Arbeitsplätze in der Fischerei verloren. Der Grund liegt in zu hohen Fangkapazitäten der 100000 Schiffe starken EU-Flotte: „Wir reden von etwa 40 Prozent Überkapazität“, sagt Gerd Hubold, Leiter der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Hamburg.

Reformen sind dringend nötig. An diesem Mittwoch treffen sich in Brüssel die EU-Minister für Fischerei und Landwirtschaft. Auf dem Verhandlungstisch liegen Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der gemeinsamen EU-Fischereipolitik. Auch ein Fangverbot für Kabeljau steht zur Diskussion.

Der Bestand ist in einigen Fischfangregionen akut bedroht. Zu viele Schiffe machen Jagd auf zu wenig Fisch. „Man hat seit zehn Jahren die Bestände überfischt. Jetzt stehen sie in der Nordsee, der Irischen See und westlich von Schottland vor dem Kollaps“, sagt Hubold. Nur noch 50000 Tonnen Kabeljau landeten die Fischer 2001 an – Anfang der achtziger Jahren waren es um die 300000 Tonnen. Die wiederholten Forderungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) nach einer Reduzierung der Fangquoten wurden vom EU-Ministerrat oft ignoriert. Ende Oktober blieb dem ICES nichts anderes mehr übrig, als ein Fangverbot für alle Fischereien zu fordern, bei denen Kabeljau – beabsichtigt oder als ungewollter „Beifang“ – ins Netz geht.

In einem Fangverbot sieht auch die EU-Kommission das sicherste Mittel, um den Kabeljau zu retten. Ob die Minister der EU-Länder das aber umsetzen, ist fraglich: Zwar will sich Verbraucherschutzministerin Renate Künast nachdrücklich dafür einsetzen, steht aber damit unter ihren Ministerkollegen ziemlich allein da.

Die EU-Kommission will die Fischereipolitik insgesamt nachhaltiger gestalten und Überkapazitäten abbauen: Bis 2006 soll die europäische Fischfangflotte deutlich verkleinert werden. Fangquoten sollen sinken und ihre Einhaltung stärker kontrolliert werden. Das generelle Problem der Kontrollen ist, dass sie zu spät greifen: Überprüft werden in der Regel die Anlandungen, aber Fisch, der gefangen und schon auf hoher See tot wieder ins Meer geworfen wird, geht bei den Kontrollen durch die Lappen. Flächendeckende Kontrollen wie in Kanada gibt es nicht. Dort war vor zehn Jahren der Kabeljau „kommerziell ausgerottet“, seitdem fahren auf allen großen Schiffen Kontrolleure mit.

Reformbedarf sieht die Kommission auch bei der Verteilung der EU-Fischerei-Subventionen: Bisher wurde häufig erst Geld in Neubau und Modernisierung der Schiffe gesteckt. Das führte zu Überfischung, die Einkommensgrundlage der Fischer brach zusammen. Die Folge: Die EU musste dann auch noch Auffanghilfen für die arbeitslosen Fischer zahlen.

Umweltverbände fordern seit längerem, das Geld direkt in den Abbau der Flotte zu stecken: „Das Geld wird für eine nachhaltige Fischerei gebraucht: Für das Abwracken eines Schiffes muss es Prämien geben, Fischer sollten Geld für Umschulungsmaßnahmen erhalten“, sagt Karl Wagner, internationaler Kampagnendirektor des WWF (World Wide Fund for Nature). Er begrüßt die Vorschläge der EU-Kommission. Neben einer neuen Subventionspolitik schlägt die Kommission mehrjährige Bewirtschaftungspläne für Fischbestände vor, die die Praxis der jährlich vergebenen Fangquoten ersetzen sollen.

Widerstand gegen die Vorschläge der Kommission droht von Nutznießerländern der Fischerei-Subventionen: Spanien, Italien oder Frankreich wollen ihre Fischereiflotten weiter ausbauen und ihre Fangquoten verteidigen. Mit einer Sperminorität könnten sie die Fischerei-Reform beim Ministerrat blockieren. Deutschland will die Vorschläge der EU-Kommission unterstützen. Um die Parteien zu versöhnen, hat die dänische EU-Präsidentschaft einen Kompromiss vorgelegt.

Nicole Heißmann

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