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Wirtschaft: Zu wenige Lehrlinge in Ostdeutschland ab 2007

Manfred Kremer, Chef des Bundesinstituts für Berufsbildung, warnt vor den Folgen des Geburtenrückgangs

Berlin Schon in zwei bis vier Jahren wird es vermutlich in Ostdeutschland einen Lehrlingsmangel geben. Das sagte Manfred Kremer, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), am Dienstag dem Tagesspiegel. „Nach 2007 werden die Unternehmen den Jugendlichen den roten Teppich ausrollen, weil ihnen wegen des Geburtenrückgangs Fachkräfte fehlen.“ Für die in diesem Jahr erwartete Lücke von 30000 fehlenden Ausbildungsplätzen machte Kremer Arbeitgeber und Gewerkschaften mit verantwortlich. Sie sperrten sich gegen neue Lösungen zur kooperativen Ausbildung unversorgter Jugendlicher an Berufsfachschulen mit ausgedehnten Betriebspraktika und Kammerabschlussprüfung. Das wäre eine Alternative zu den meist wirkungslosen Warteschleifen für tausende junge Menschen, sagte Kremer.

Im August war die Lage auf dem Ausbildungsmarkt noch angespannt. 144600 Jugendliche suchten eine Lehrstelle, das waren acht Prozent mehr als 2004. Das Ausbildungsjahr hat offiziell am 1. September begonnen, bis Ende des Jahres werden erfahrungsgemäß aber noch viele neue Verträge geschlossen.

Dem BIBB-Präsidenten zufolge wird die Zahl der Lehrstellen-Bewerber in den neuen Ländern nach 2007 rapide sinken und sich 2011 gegenüber 2003 halbiert haben. Vor allem in den großen Städten gebe es immer weniger Jugendliche im Ausbildungsalter. „Dann wird es auch eine Wanderung von West nach Ost geben, die wir unterstützen müssen.“ Die Zahl der Bewerber werde im Jahr 2007 um fast 20000 und 2009 voraussichtlich um über 40000 niedriger liegen als 2004. Im Westen dagegen werde es bis 2010 noch eine ständig ansteigende Zahl von Schulabgängern geben. „Dort brauchen wir noch einige Jahre lang zusätzliche Ausbildungsstellen.“

Zu der Zahl der fehlenden Lehrstellen in diesem Jahr sagte der BIBB-Präsident, sie werde genau genommen höher liegen als 30000. „Wenn man diejenigen hinzurechnet, die mangels Alternative weiter zur Schule gehen oder studieren, kommt man etwa auf 80000 junge Leute, die keine Lehrstelle gefunden haben.“ Kern des Problems sei die schlechte Wirtschaftslage vieler Betriebe. „Die oft beklagte mangelnde Qualifikation der Bewerber ist eher zweitrangig. Liefe die Konjunktur besser und wäre der Personalbedarf der Unternehmen höher, hätten auch weniger gut Qualifizierte eine Chance auf dem Ausbildungsmarkt.“

Eine Senkung der Lehrlingsgehälter oder eine Verkürzung der Ausbildungszeiten auf zwei Jahre, wie von der Wirtschaft wiederholt gefordert, löse BIBB-Erkenntnissen zufolge das Problem nicht. Nur wenn die Konjunktur im kommenden Jahr anziehe, werde es wieder mehr Ausbildungsplätze geben. Kremer: „Beschäftigung und Ausbildung steigen meist parallel, manchmal zieht die Ausbildungsbereitschaft der Firmen sogar schon vor einem Aufschwung an.“

Kremer zufolge hat der Ausbildungspakt zwischen Wirtschaft und Bundesregierung den Markt in Bewegung gebracht. Allerdings werde es 2005 weniger zusätzliche betriebliche Lehrverträge geben als im Vorjahr, die Zahl werde voraussichtlich unter 10000 liegen.

„Arbeitgeber und Politik haben ihre Zusagen eingehalten, doch das löst das Problem nicht.“ Deshalb müsse es auf regionaler Ebene neue Formen der Verbundausbildung geben. Hier gebe es noch eine Menge Spielraum und ungenutzte Instrumente. „Schulen könnten in Zusammenarbeit mit Praktikumsbetrieben eine Ausbildung anbieten. Das wäre zwar nur die zweitbeste Lösung – aber wenn man nicht Auto fahren kann, muss man eben zu Fuß gehen“, nannte Kremer als Beispiel. Arbeitgeber und Gewerkschaften lehnten solche Alternativen aber ab. „Stattdessen zigtausende Jugendliche in wirkungslose Warteschleifen zu stecken, halte ich für unverantwortlich“, kritisierte Kremer. Die Zahl der Unversorgten wachse dann beständig von Jahr zu Jahr. Jugendliche mit einer Ausbildung an Berufsfachschulen hätten zwar später etwas geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. „Sind sie einmal in Beschäftigung, ist nach wenigen Monaten das Manko an betrieblicher Erfahrung aber behoben, und die Jugendlichen sind eingearbeitet.“

Allerdings dürfe es nicht sein, dass „die Betriebe die Ausbildung auf den Staat abschieben“. Kammern, Arbeitsagenturen, Kommunen sowie Arbeitgeber müssten sich zusammensetzen und mit intensiver Beratung für die Betriebe neue Ausbildungsplätze mobilisieren. Etwa, indem sie Hilfe bei der Ausbildungsbürokratie oder bei der Auswahl der Bewerber anböten, forderte Kremer.

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