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Wachstum kaufen. Bayer will durch „kleinere und mittlere Akquisitionen“ zulegen, sagt Konzernchef Marijn Dekkers.

© dpa

Zukauf und Zahlen: Vitaminspritze für Bayer

Der Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern verstärkt sein Gesundheitsgeschäft mit der Übernahme des US-Nahrungsergänzungsmittelherstellers Schiff Nutrition. Zugleich belastet die Klagewelle wegen Antibabypillen die Sparte und den Quartalsgewinn.

Berlin - Das Schering-Erbe, es ist für Bayer Fluch und Segen. Denn einerseits ist die Berliner Pharmatochter mit vielen neuen Präparaten maßgeblich am Umsatzwachstum des Leverkusener Konzerns beteiligt. Andererseits aber belasten Rückstellungen für Klagen in den USA wegen einst von Schering entwickelter Antibabypillen den Gewinn des Konzerns erheblich, wie Bayer am Dienstag bei der Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal einräumte. Nun stärkt der Konzern, der von Juli bis Ende September einen Ergebniseinbruch verkraften musste, seine Gesundheitssparte mit einem milliardenschweren Zukauf in den USA.

Für die Übernahme des US-Vitaminpräparateherstellers Schiff Nutrition legen die Leverkusener 1,2 Milliarden Dollar auf den Tisch. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Utah beschäftigt rund 400 Mitarbeiter und machte zuletzt einem Umsatz von 200 Millionen Euro. Mit dem Zukauf, der bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll, stärke Bayer seine Position auf dem amerikanischen Mark, erklärte Konzernchef Marijn Dekkers. Die Transaktion stehe für die Strategie, das organische Wachstum durch „gezielte und strategisch sinnvolle kleinere und mittlere Akquisitionen zu unterstützen.“ Bayer hatte erst kürzlich verkündet, das Tiergesundheitsgeschäft des israelischen Generikaherstellers Teva zu übernehmen, auch in der Pflanzenschutzsparte gab es mehrere Akquisitionen. Insgesamt nahm die Zahl der Mitarbeiter im Konzern aber um mehr als 2000 auf 111 000 ab. Auch in Berlin hatte Bayer kürzlich Stellenstreichungen in der Forschung verkündet.

Im dritten Quartal belastete das für Bayer so wichtige Pharmageschäft den Konzerngewinn: Bis Mitte Oktober hatte das Unternehmen mit 3490 US-Klägerinnen Vergleiche geschlossen und dafür 750 Millionen Dollar zahlen müssen. Die Betroffenen machten Gesundheitsschäden geltend wegen der Verhütungsmittel der Produktfamilie Yasmin, deren neuartiger Wirkstoff Drospirenon im Verdacht steht, ein höheres Risiko für Thrombosen zu bergen als andere Antibabypillen. Doch das ist längst nicht das Ende: Insgesamt sind bei den US-Gerichten rund 13 500 Klagen wegen der Verhütungsmittel anhängig.

Um für mögliche weitere Vergleichszahlungen vorzusorgen, brachte Bayer im dritten Quartal Kosten in Höhe von 205 Millionen Euro in der Bilanz unter, hinzu kamen Rückstellungen für die von Dekkers verordnete Restrukturierung. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) schrumpfte daher trotz eines kräftigen Umsatzwachstums im Vergleich zum Vorjahresquartal um fast ein Viertel auf 838 Millionen Euro. Das Konzernergebnis ging um fast 18 Prozent auf nunmehr 528 Millionen Euro zurück.

Trotz der Querelen bleibt die Gesundheitssparte, zu der neben dem Pharmageschäft auch noch Bereiche wie freiverkäufliche Medikamente und Medizintechnik gehören, einer der dynamischsten Bereiche des Konzerns. Der Umsatz der Sparte legte – auch dank Schwellenländern wie China – im dritten Quartal um zwölf Prozent auf gut 4,7 Milliarden Euro zu. Auch mit seinen neuen Medikamenten ist Bayer erfolgreich. Der Gerinnungshemmer Xarelto, dem der Konzern langfristig Jahresumsätze in Höhe von rund zwei Milliarden Euro zutraut, bekam Zulassungen für weitere Anwendungsgebiete. Das Mittel, das aus Berlin vermarktet wird, wird mittlerweile in mehr als 70 Ländern etwa zur Prävention von Schlaganfällen und Lungenembolien verkauft. Zudem erhielten das Augenmedikament Eylea und das Darmkrebsmittel Regorafenib weitere Zulassungen. Die neuen Präparate sind wichtig, weil Generikahersteller Bayer bei vielen älteren Medikamenten, deren Patentschutz abgelaufen ist, Umsätze abjagen. Auch „Gesundheitsreformen in vielen Ländern“ wirkten sich negativ auf das Geschäft aus, klagte Dekkers. Der jüngste Zukauf dürfte hier helfen, denn Vitaminpräparate sind unabhängig von Patenten und staatlichen Gesundheitssystemen. Zugleich wächst der Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln, derzeit wird er auf 90 Milliarden Dollar taxiert. Mit Schiff Nutrition sichern sich die Leverkusener einen Teil des Kuchens.

Unterdessen hat der US-Pharmakonzern Pfizer, dessen Deutschlandzentrale in Berlin sitzt, die für Dienstag geplante Bekanntgabe seiner Zahlen für das dritte Quartal wegen des Hurrikans „Sandy“ auf den 1. November verschoben.

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