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Wirtschaft: Zukunft des Spielzeugs: Inlineskates für ältere Damen

Nein, der Spuk ist noch lange nicht vorbei. Harry Potter, der im vergangenen Jahr die Kinder scharenweise in die Buchläden trieb, soll nun die Spielwarenbranche verzaubern.

Nein, der Spuk ist noch lange nicht vorbei. Harry Potter, der im vergangenen Jahr die Kinder scharenweise in die Buchläden trieb, soll nun die Spielwarenbranche verzaubern. In den nächsten Monaten werden die Kaufhäuser mit Utensilien vom kleinen Zauberlehrling überschwemmt werden. Es wird Brettspiele geben, Baukästen, Puzzle, Puppen, Schoko-Frösche - einfach alles. Schon in wenigen Wochen geht es mit Faschings-Artikeln los: Harry-Potter-Kostüme, Zauberbesen, Brillen. Und wenn im November der Film in die Kinos kommt, dürfte es für Eltern richtig teuer werden.

"Ohne Lizenzprodukte geht gar nichts mehr", sagt Werner Lenzner vom Marktforschungsinstitut Intelect Eurotoys. Mehr als 600 Lizenzen für Figuren aus Film, Fernsehen und Büchern sind zurzeit in Deutschland vergeben, von der Maus bis zu den Teletubbies. Zehn Prozent ihres Umsatzes hat die Spielwarenbranche im Jahr 2000 mit Lizenzprodukten gemacht. Für die Industrie, die sich ab Donnerstag auf der 52. Spielwarenmesse in Nürnberg präsentiert, wird der Handel mit eingeführten Figuren immer wichtiger. Der Vorteil liegt auf der Hand: Kinder kennen die Charaktere bereits aus der Glotze und können sich damit zu Hause neue Geschichten ausdenken. Wenn dann noch die Sammelleidenschaft der Kleinen angefacht wird, klingeln bei der Industrie die Kassen. Bestes Beispiel waren im vergangenen Jahr die Pokémons. Die Kollektion von 151 Monstern, adaptiert vom Videospiel "Gameboy", war erst als Sammelkarte und dann als Plüschpuppe ein Renner.

Trotz des Pokémon-Booms, der erst Ende des Jahres in Deutschland abebbte, blieb das Weihnachtsgeschäft hinter den Erwartungen zurück. "Zum Jahreswechsel fehlte ein wirkliches Trendthema", stellt Magnus Danneck vom Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) fest. So blieb der Branche nach den viel versprechenden ersten drei Quartalen unter dem Strich nur ein leichtes Umsatzplus und ein Gesamtergebnis von gut sechs Milliarden Mark. 1999 hatte die Branche 5,98 Milliarden Mark erwirtschaftet. Kein Wunder, dass der BVS optimistisch, aber keineswegs euphorisch ins neue Jahr geht. Denn die Spielwarenhändler hatten eine Menge Probleme zu bewältigen.

Kleiner Markt, kleine Kunden

Das größte Handicap ist die Geburtenentwicklung. Im Jahre 2040 werden nur noch 16 Prozent der Deutschen jünger als 20 Jahre sein. Hinzu kommt, dass Kinder immer früher erwachsen werden. "Die Zehnjährigen interessieren sich eher für Handys und Markenartikel als für traditionelles Spielzeug", sagt Marktforscher Lenzner. Weniger Kinder bedeuten einen schrumpfenden Markt. Für die Industrie bleibt da nur ein Ausweg. "Es müssen neue Kernzielgruppen gefunden werden", heißt es in der Spielstudie 2000. Die Großen müssen mehr spielen. Und die ganz Kleinen auch.

Die Hersteller verwenden viel Energie auf das Baby- und Kleinkind-Segment, das derzeit neun Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht. Bislang konnten sich die Dreijährigen - neben traditionellen Puppenstuben und Tieren vom Bauernhof - lediglich für "Teletubbies" begeistern. Nun sollen elektronische Lernspiele mehr Eltern zum Kauf bewegen. Ravensburger will mit bunter Technik Kleinkindern das Zählen beibringen und Lieder vorspielen. Und wie sind die Kleinen sonst zu gewinnen? "Da rätselt die ganze Branche drüber", antwortet Lenzner.

Auf sechs Rädern durch die Stadt

Neben den Kleinkindern rücken verspielte Erwachsene ins Blickfeld. Nicht nur dynamische Manager können auf Kickboard-Rollern durch Fußgängerzonen rollen - auch ältere Damen sollen auf Skateschuhe umsteigen. Bei den neuen "Extender Inline Skates" mit jeweils drei Rädern ist Hinfallen nahezu ausgeschlossen. Neben Sport- und Freizeitartikeln sollen Gesellschaftsspiele das Geschäft beleben. "Wir müssen den Menschen erklären, welchen emotionalen Wert das Spielen mit Freunden hat", sagt René Wörns vom Hersteller Hasbro, der gemeinsam mit Lego und Matell den Markt dominiert.

Mit neuen Varianten von Traditionsspielen will der Hasbro-Konzern, der im Jahr 2000 etwa 310 Millionen Mark erwirtschaftete, neue Käuferschichten erschließen. So soll es ein "Trivial Pursuit" mit Schwerpunkt auf die achtziger Jahre geben. Zielgruppe ist die "Generation Golf". An junge Unternehmer richtet sich das "Börsen-Monopoly", bei dem mit Firmen statt mit Immobilien gehandelt wird. Die Kampagnen für immer neue Zielgruppen erhöhen die Anforderungen an den Einzelhandel. "Die Geschäfte müssen besser gegliedert werden", fordert Wörns, "sonst können wir all die Themen nicht platzieren."

Der Einzelhandel bekommt ein Platzproblem. Zwar vertreiben Fachgeschäfte mit 40 Prozent die meisten Spielwaren. Doch Warenhäuser (20 Prozent), Verbrauchermärkte (15 Prozent) und Versandhandel (sechs Prozent) konnten sich große Stücke vom Kuchen sichern. Spielwaren-Ketten wie Vedes reagieren darauf mit Investitionen im Freizeitbereich. Mit eigenen Marken für Tauchartikel und Aluroller konnte sich Vedes sanieren und 1999 mit 3,5 Millionen Mark erstmals wieder Gewinn machen.

Auch Internet-Anbieter sehen sich nach neuen Geschäftsfeldern um. "Die Gewinnmargen bei Schulartikeln und Büchern sind höher", sagt Annette Leisten, Mitbegründerin von "mytoys.de". Inzwischen führt der Berliner Anbieter 42 000 Artikel und versteht sich als "Problemlöser für Familien". Trotz eines Umsatzzuwachses auf 17 Millionen Mark im letzten Jahr wird E-Commerce weiterhin ein Nischendasein fristen. Gerade Harry Potter dürfte einen Run auf die guten, alten Spielzeugläden auslösen. Schon beim Bücherkauf pilgerten verkleidete Kids in Geschäfte und feierten dort Zauber-Partys.

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