zum Hauptinhalt

ZUR PERSON: „Ich sehe keine Gefahr für den Euro“

Nikolaus von Bomhard, Chef der weltgrößten Rückversicherung Munich Re, über Irland, den Klimagipfel und riskante Ölbohrungen

DER MANAGER

Diesem Mann würde man womöglich eine Versicherung abkaufen: Nikolaus von Bomhard (54), promovierter Jurist, ist ein sachlicher, uneitler Typ. Dass er die weltgrößte Rückversicherung leitet, merkt man ihm nicht an. Der Vater von zwei Töchter hat den Klimaschutz, den sein Konzern predigt, geradezu verinnerlicht: Ins Münchener Büro fährt er mit dem Fahrrad.

DER KONZERN

Nur noch zehn Prozent ihres Umsatzes macht die einstige Münchener Rück in Deutschland, deshalb wurde sie in Munich Re umbenannt, weil der englische Name international besser klingt. Zum Konzern gehört auch die Ergo. Die Munich Re beschäftigt rund 47 000 Mitarbeiter.

Herr von Bomhard, was wäre für Sie schlimmer: Wenn der Klimagipfel in Cancun scheitert oder wenn Irland unter den Euro-Rettungsschirm huscht?

Für unser Unternehmen ist alles, was sich um das Klima dreht, am Ende relevanter. Die Finanzkrise und ihre Folgen waren aus unserer Sicht bisher beherrschbar, und wir glauben, dass das auch so bleiben wird. Hier haben wir unser Schicksal weitgehend selbst in der Hand. Und: Die Finanzkrise ist irgendwann beendet. Der Klimawandel jedoch wird Generationen beschäftigen. Wir tun, was wir tun können, aber hier sind wir nur ein kleines Sandkorn.

Wie viel Geld haben Sie in irischen Staatsanleihen investiert?

Wir haben insgesamt 80 Milliarden Euro in Staatsanleihen investiert, um die drei Prozent davon in irische Papiere. Nimmt man alle PIIGS-Staaten, also Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien, sind es 15 Prozent. Wenn man seine Anlagen streut, kann man diesen Turbulenzen nicht völlig aus dem Weg gehen. Wir tun dies aber mit begrenztem Risikoappetit, denn wir wollen vor allem Versicherungsrisiken übernehmen, nicht Marktrisiken. Ein viel größerer Teil unserer Anlagen steckt in deutschen Staatsanleihen. Deren Kurs ist wegen der Turbulenzen in den genannten Ländern deutlich gestiegen. Unterm Strich haben wir durch diesen Wertzuwachs von der Krise bislang sogar profitiert.

Sie können aber Ihre deutschen Anleihen nicht verkaufen, weil sie nicht wissen, wie Sie das Geld sonst anlegen sollten.

Ja, das ist richtig, deshalb verkaufen wir sie grundsätzlich auch nicht. Nur im Kontext unseres aktiven Portfoliomanagements realisieren wir gelegentlich Gewinne. Andernfalls müssten wir das Geld, das frei wird, in der Tat zu grausam tiefen Zinsen anlegen.

Die Bundesregierung will Gläubiger von notleidenden Euro-Anleihen stärker zur Verantwortung ziehen. Würden Sie noch Staatspapiere aus Griechenland kaufen, wenn Sie damit rechnen müssten, 30 oder 40 Prozent abzuschreiben?

Grundsätzlich gilt doch: Bei höheren Risiken erhält man höhere Zinsen. Wenn vorher bekannt ist, dass ein Papier im Feuer stehen kann, ist also der Zins entsprechend höher. Dann muss man sich überlegen, ob man solche Anlagen ins Portefeuille nehmen will. Wir kaufen praktisch keine Hochrisikoanleihen. Wir mischen unsere Anlagen und legen überwiegend konservativ an. Natürlich müssen wir unsere Anlagen streuen, aber wir werden nicht massenhaft Zehnprozenter kaufen. Und ich finde es richtig, Gläubiger in die Pflicht zu nehmen. Denn wer den Zins mitnimmt, muss auch das Risiko mitnehmen. Bisher ist das oft nicht so, weil implizite Staatsgarantien das Risiko abdecken. Dem Kapitalmarkt tut das nicht gut.

Also verhält sich die Bundesregierung richtig?

Sie ist auf dem richtigen Weg. Zunächst geht es vor allem darum, die noch präsente Krise zu bewältigen. Der Rettungsschirm war und ist das richtige Instrument zur Marktberuhigung. Problematisch bleibt die Geschwindigkeit, mit der die Politik ihre Entscheidungen trifft. Wenn beispielsweise 27 EU-Mitglieder eine Entscheidung treffen wollen, während der Kapitalmarkt schon Druck macht, sind die jeweiligen Entscheidungsprozesse hierfür zu langsam. Die Politik wird damit schnell zum Getriebenen des Kapitalmarkts. Gleichwohl sehe ich weiter keine unmittelbare Gefahr für den Euro. Jedenfalls aber muss man vor der nächsten Krise Vorkehrungen in der EU schaffen, die diese Situation gar nicht erst entstehen lassen.

Kommt die Finanzkrise zurück?

Wir sind noch nicht durch, das ist offensichtlich. Es genügen kleine Unsicherheiten, um das Feuer wieder zu entfachen. Die Lage ist weiter labil.

Können die Versicherer angesichts solcher Verhältnisse überhaupt noch 30-jährige Garantien für die Verzinsung einer Lebensversicherung abgeben?

Es ist das Wesensmerkmal der Lebensversicherung, dass sie lang laufende Garantien ausspricht. Die Mischung aus Zinsgarantie und der Abdeckung biometrischer Risiken wie dem Todesfall macht das Alleinstellungsmerkmal der Lebensversicherung aus. Ein attraktives Produkt für die Kunden gerade in dieser Zeit. Aber die Versicherer müssen die Garantien am Markt erwirtschaften. Für lang laufende Garantien braucht man lang laufende Anlagen.

Der amerikanische Milliardär Warren Buffett hat inzwischen zehn Prozent an der Munich Re gekauft, ist das positiv?

Wir freuen uns, wenn ein Investor unsere Aktien kauft, der unser Geschäft in seiner Vielfalt versteht, das zudem in ganz besonderer Weise auf Langfristigkeit angelegt ist, nicht nur bei Lebensversicherungen, sondern auch in der Rückversicherung. All das trifft auf Warren Buffett zu.

Als größter Rückversicherer sind Sie bei Naturkatastrophen immer dabei. Hoffen Sie auf einen Durchbruch in Cancun, damit die Klimaerwärmung gestoppt wird?

Für Cancun kann man realistischerweise keinen Durchbruch erwarten. Wichtig ist, dass man intensiv im Gespräch bleibt. Ob am Ende ein Abkommen von 150 oder 190 Staaten steht, ist fast sekundär. Wichtiger ist, dass in den einzelnen Ländern tatsächlich etwas geschieht.

Der G-20-Gipfel in Seoul hat gezeigt, wie uneins die Staaten sind. Denkt nicht jeder als erstes an seine eigene Wirtschaft?

Umgekehrt gefragt: Hilft es denn, wenn alle Länder unterschreiben und dann nichts tun? Das Dilemma „Klima hier, Wirtschaftsentwicklung dort“ ist ja nicht neu. Wenn man den großen Konsens sucht, kommt man vermutlich mit dem absoluten Minimum aus den Verhandlungen heraus. Deshalb sollte man nicht allein auf die Unterschriften unter den Verträgen schauen, sondern die Länder an ihren Taten messen. China, zum Beispiel, will ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll bislang nicht unterschreiben, ist aber beim Klimaschutz inzwischen außerordentlich aktiv. Das Land investiert eine Menge Geld in Umwelttechnologie, die als strategisch relevant begriffen wird.

Stößt Ihr Geschäft an seine Grenzen, wenn das Klima aus den Fugen gerät?

Nein. Es ist zwar anspruchsvoll, die Risiken zu bewerten, da wir von einem Änderungsrisiko, einem Trendrisiko sprechen. Wir glauben aber, mit unserem Wissen gut gerüstet zu sein und einen adäquaten Preis für die Versicherung bestimmen zu können. Auch in der Zukunft. Aber es könnte in einzelnen Märkten schon dazu kommen, dass die exponierten Werte und damit auch die Schäden so groß werden, dass auf dem Versicherungsmarkt nicht genug Kapazitäten vorhanden sind, um sie abzudecken.

Die Munich Re gehört zu den Unternehmen, die die gesunkene Ölplattform „Deepwater Horizon“ versichert haben. Was wird Sie der Schaden kosten?

Wir rechnen mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag in Euro. Das bezieht sich auf die gesunkene Plattform, aber auch die Unterbrechung der Ölförderung und Haftpflichtschäden. Der allergrößte Teil, die Schäden für die Umwelt und die Bevölkerung, sind kaum versichert. Diese Schäden sind ein Vielfaches höher als die versicherten Schäden. BP hat für die Vermögensschäden der Bevölkerung einen gewaltigen Fonds aufgelegt. Aber was ist, wenn ein solcher Unfall eine kleinere Ölfirma trifft, die über diese Mittel nicht verfügt? Wir brauchen daher ein neues Konzept für solche Risiken.

Wie soll das aussehen?

Wir haben eine Ereignisdeckung vorgeschlagen, eine Haftpflichtversicherung pro Bohrung, für das einzelne Bohrloch. Wenn es dann bei einer Bohrung zu einem Unfall kommt, legt die Versicherung nicht mehr eine Milliarde aus, sondern etwa zehn Milliarden. Das geht nur in einer gemeinsamen Aktion der Versicherungsindustrie, deshalb sind wir mit führenden Maklern im Gespräch zum Aufbau eines entsprechenden Konsortiums.

Was kostet eine solche Versicherung?

Das hängt davon ab, wie komplex die Bohrungen sind. Am Ende müssen wir abwarten, ob die Ölfirmen, also das bohrende Konsortium, eine solche Police kaufen.

Sollte eine Bohrlizenz an den Abschluss einer Versicherung geknüpft werden?

Das müssen die jeweiligen Staaten entscheiden, in deren Gewässern gebohrt wird. Denn solche Deckungen können nur gewährt werden, wenn eine Vielzahl von Bohrungen versichert wird. Das lässt sich theoretisch erreichen über Regulierung. Besser ist es, wenn Sinn und Attraktivität des Produkts für die Ölgesellschaften offensichtlich sind.

Die „Deepwater Horizon“ hat in 1500 Metern Tiefe gebohrt, in Brasilien sind Ölbohrungen in 5000 bis 7000 Metern Tiefe geplant. Würden Sie so etwas versichern?

Das müssen sich unsere Ingenieure ansehen. Generell ist die Technik weit entwickelt. Es gibt Tausende von Bohrlöchern, bislang gab es nur sehr wenige extrem schwere Unfälle. Aber der oben erwähnte Vorschlag einer Bohrdeckung bezieht sich bisher nur auf die USA.

Ob Sie das Risiko übernehmen, ist also nur eine Frage des Geldes?

Na ja, es ist das berühmte Preisschild, das wir an das Risiko hängen. Damit können wir Betreibern und Regierungen signalisieren, wie gefährlich ein Projekt ist. Auch verlangen wir Mindeststandards bei solchen Bohrungen. Generell können wir aber niemandem vorschreiben, ob und wie er sich versichert. Sagen können wir ihm, was es kosten würde und wie sinnvoll Präventionsmaßnahmen sind. Es ist doch besser, dafür zu sorgen, dass nichts passiert als hinterher für einen Schaden zu zahlen, der eingetreten ist.

Das Gespräch führte Heike Jahberg.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false