zum Hauptinhalt
In Berlin würde er weiter Immobilien kaufen, sagt Marcus Nagel. Sonst sieht er eher Gefahren.

© Doris Spiekermann-Klaas

Zurich-Vorstand: „Der Immobilienmarkt wird nie ganz tot sein“

Der Lebensversicherungschef der Zurich Deutschland, Marcus Nagel, spricht im Tagesspiegel-Interview über lukrative Anlagen und gestresste Finanzmanager.

Die Politik hat die Lebensversicherungen umgekrempelt. Kunden, deren Vertrag ausläuft, bekommen jetzt möglicherweise weniger. Wie haben Ihre Versicherten reagiert, gab es massenhaft Kündigungen?

Nein, es gab Anfragen, aber kaum Kündigungen. Die meisten Kunden wollen bleiben. Der Vorsorgebedarf ist weiterhin vorhanden, so dass die Kunden auch künftig für ihre Altersvorsorge sparen. Sie wissen, dass es besser ist, eine Versicherung bis zum Ende durchzuhalten als vorzeitig zu kündigen.

Obwohl sie vielleicht Geld verlieren?
Das Thema ist emotional aufgeladen. Es geht bei der Reform um die Frage, ob ein kleiner Anteil der Versicherten Auszahlungen bekommt auf Kosten derjenigen, deren Verträge weiterlaufen. Fünf Prozent der Versicherungsnehmer scheiden jedes Jahr aus, sie bekamen nach der alten Regelung Geld aus den Bewertungsreserven. Dieses Geld fehlte aber dem Versicherungskollektiv. Es kann doch nicht sein, dass wir hoch verzinste Wertpapiere verkaufen müssen, um die ausscheidenden Kunden auszuzahlen, und mit dem Geld, das dann noch übrig ist, schlechter verzinste Papiere kaufen. Wenn die Zinsen wieder steigen, ist der Vorteil sowieso dahin. Die Korrektur, die jetzt vorgenommen worden ist, ist richtig und nötig.

Wenn die Zinsen steigen, werden aus den stillen Reserven stille Lasten. Müssen die Kunden dann mit Kürzungen rechnen?
Nein, wir halten unsere Zinspapiere bis zum Ablauf, dann haben sie auch keine stillen Lasten mehr.

Wie viel Zinsen verdienen Sie mit Ihren Anlagen?
Die laufende Durchschnittsverzinsung betrug im Jahr 2013 vier Prozent. Wenn wir die außerordentlichen Erträge berücksichtigen, also die Nettoverzinsung betrachten, liegt diese im Jahr 2013 bei 4,8 Prozent.

Und was müssen Sie an Garantien zahlen?
Im Schnitt sind es 3,25 Prozent. Um die hohen Garantien aus Altverträgen erfüllen zu können, bilden wir derzeit wie die anderen Versicherer auch eine Zinszusatzreserve. Wir werden alle Hürden schaffen, die das neue Aufsichtsrecht Solvency II mit sich bringt.

Gibt es in der Branche Versicherer, die bereits mit dem Rücken zur Wand stehen?
Es wird Versicherer geben, die ihre Überschussbeteiligung zurückfahren müssen. Wir werden auch sehen, dass einige Unternehmen das Neugeschäft einstellen. Ich glaube aber nicht, dass tatsächlich Versicherer in Schieflage geraten. Die Bafin hat ein waches Auge darauf. Es gibt viele Mechanismen, die verhindern, dass Versicherer in ernste Schwierigkeiten kommen.

"Die Verbriefung von Schulden ist etwas Positives"

In Berlin würde er weiter Immobilien kaufen, sagt Marcus Nagel. Sonst sieht er eher Gefahren.
In Berlin würde er weiter Immobilien kaufen, sagt Marcus Nagel. Sonst sieht er eher Gefahren.

© Doris Spiekermann-Klaas

Sichere festverzinsliche Wertpapiere werfen derzeit wenig ab. Sehen Sie sich nach anderen Anlagezielen um?
Ja, natürlich. Eine Alternative sind etwa Infrastrukturprojekte, aber auch diese muss man sich besonders genau anschauen. Nehmen Sie die Solaranlagen in Spanien. Die galten lange als gute Anlage, aber dann hat der Staat plötzlich die Förderung zurückgefahren, und die Renditen sind in den Keller gesunken.

Die Europäische Zentralbank wirbt derzeit mächtig für Verbriefungen, bei denen Kreditforderungen zu Wertpapieren geschnürt werden. In der Finanzkrise haben diese Papiere viel Unheil angerichtet. Warum soll das Teufelszeug jetzt wieder zurückkommen?
Die Verbriefung von Schulden ist etwas Positives, weil man Risiken besser verteilen kann. Verbriefungen können für Großanleger interessant sein. Außerdem haben aus der Krise alle gelernt. Auch die Ratingagenturen prüfen jetzt genauer.

In den alten Verbriefungen steckten jede Menge faule Immobilienkredite. Steuern wir jetzt wieder auf eine Immobilienblase zu?
In Deutschland waren die Renditen auf dem Immobilienmarkt lange negativ, das hat sich erst vor fünf Jahren geändert. Inzwischen gibt es einen kreditfinanzierten Immobilienboom, und es gibt auch Gefahren. Weil die Sparzinsen niedrig sind, drohen Blasen an den Aktien- und den Immobilienmärkten. Wer als Privatmann eine Immobilie kaufen will, muss auf die Lage achten, und er muss ein Sicherheitspolster haben, um gewappnet zu sein, wenn die Zinsen wieder steigen. Es kann sein, dass wir in zehn Jahren eine ganz andere Zinslandschaft haben. Wer dann refinanzieren muss und knapp kalkuliert hat, bekommt Probleme.

Würden Sie noch in Berlin kaufen?
Ja. Ich würde sowieso eher in den Ballungsräumen investieren. Die Menschen wollen in Regionen mit guter Infrastruktur leben und ziehen dorthin. Das heißt, es gibt dort immer eine Nachfrage und immer einen Käufer. Natürlich können die Preise zwischendurch mal sinken, aber der Markt wird nie ganz tot sein.

Ihr Konzern hat eine traurige Berühmtheit erfahren. Ihr Finanzchef Pierre Wauthier hat sich umgebracht und dafür dem damaligen Präsidenten, Ex-Deutschbanker Josef Ackermann, die Schuld gegeben. Seither sind viele Führungskräfte gegangen. Wie riskant ist es, bei der Zurich eine Führungsposition zu bekleiden?
Aus meiner Warte kann ich sagen, dass ich sehr gute Erfahrungen gemacht habe als Führungskraft bei Zurich. Der Konzern verfügt über ein starkes und angesehenes Management-Team mit herausragenden Persönlichkeiten. Das bedeutet aber auch, dass manchen dann andere Karrierechancen angeboten werden, oder dass sie diese für sich selbst in Erwägung ziehen. Mario Greco, der frühere Sachversicherungschef, ist beispielsweise Chef der Generali geworden. Für uns ist wichtig, dass der Unternehmenskultur und dem respektvollen Miteinander auf allen Ebenen höchste Aufmerksamkeit geschenkt wird. So bin ich überzeugt: Zurich ist eine gute Adresse – auch fürs Topmanagement.

Ist der Arbeits- und Leistungsdruck bei Ihnen besonders hoch?
Ich finde das nicht. Es mag sein, dass die Anforderungen an das Management besonders in der Finanzbranche schneller gestiegen sind als in anderen Branchen. Erst kam die Finanzkrise, jetzt haben wir die Niedrigzinsphase. Die letzten Jahre waren insofern kein Zuckerschlecken. Außerdem stehen wir Manager heute viel mehr unter Beobachtung. Jeder muss aber letztlich seinen Weg finden, damit umzugehen.

DER MANAGER
Marcus Nagel (48) ist seit November 2011 Vorstand für das Ressort Lebensversicherung der Zurich Versicherung. Nagel ist Diplom-Kaufmann und hat zusätzlich einen MBA im Bereich internationales Marketing und Finanzwesen sowie Entrepreneurship.

DIE VERSICHERUNG
Die Zurich ist eine der größten Versicherungen der Schweiz. In Deutschland hat die Lebensversicherungssparte zwei Millionen Kunden und ist auf dem Markt die Nummer fünf. Die Schweizer Mutter hatte 2013 Schlagzeilen gemacht, als sich Finanzchef Pierre Wauthier umgebracht hatte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false