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Annette Schavan musste im Februar als Bildungsministerin zurücktreten, nachdem ihr der Doktortitel aberkannt wurde.

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Exklusiv

Affäre Schavan: Neuer Plagiatsvorwurf gegen Schavan

Das Internetforum „schavanplag“ wirft Annette Schavan ein weiteres Plagiat vor. Sie habe in einem Aufsatz von 2008 aus einem Text des Freiburger Theologieprofessors Peter Walter abgeschrieben. Das könnte auch die FU Berlin interessieren, wo Schavan noch Honorarprofessorin ist.

Die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat nicht nur bei ihrer Dissertation abgeschrieben. Der Gründer des Internetforums „schavanplag“ wirft ihr vor, auch in einem 2008 erschienenen Aufsatz zur Universitätsgeschichte plagiiert zu haben. Schavan habe Darstellungen aus einem Text des Freiburger Theologieprofessors Peter Walter von 2007 übernommen, behauptet der anonyme Plagiatsjäger, der sich „Robert Schmidt“ nennt. Seine zuerst im Mai 2012 veröffentlichte Plagiats-Dokumentation zu Schavans Doktorarbeit von 1980 hatte dazu geführt, dass die Uni Düsseldorf die Arbeit überprüfte. Nachdem die Philologische Fakultät zu dem Schluss gekommen war, Schavan habe in beträchtlichem Umfang plagiiert, wurde ihr im Februar der Doktortitel entzogen. Schavan, die daraufhin als Ministerin zurücktreten musste, klagt gegen diese Entscheidung.

Jetzt hat sich der Plagiatsjäger Schavans zehnseitigen Aufsatz „Die Frage nach Gott und dem Menschen. Theologie in der Universität“ vorgenommen, der 2008 im Herder-Verlag in einer Festschrift für Kardinal Walter Kasper zum 75. Geburtstag erschienen ist. Aus Peter Walters Aufsatz „Universität und Theologie im Mittelalter“, 2007 publiziert im Herder-Sammelband „Universität ohne Gott? Theologie im Haus der Wissenschaft“ habe Schavan im Umfang von etwa einer Textseite Passagen einer Darstellung zur Geschichte der europäischen Universität abgeschrieben, ohne diese Stellen als Zitate zu kennzeichnen.

„Robert Schmidt“ stellt seinen neuen Fund in einen Zusammenhang mit Schavans Honorarprofessur an der Freien Universität Berlin. In der Begründung für den 2008 verliehenen Professorentitel in der katholischen Theologie hatte die FU den Aufsatz als Nachweis für die theologischen und bildungstheoretischen Arbeiten Schavans genannt. Die FU könnte mit dem neuerlichen Plagiatsfund Schavans Bestellung zur Honorarprofessorin zurücknehmen, „auch ohne den Ausgang ihres Rechtsstreits mit Düsseldorf abzuwarten“, heißt es in einer Mail von „Robert Schmidt“ an den Tagesspiegel. Denn die nach dem Berliner Hochschulgesetz erforderlichen „besonderen wissenschaftlichen Leistungen in einer mehrjährigen beruflichen Praxis“ seien nun erst recht „fraglich“. Die FU wollte am Montag keine Stellungnahme abgeben.

Der Plagiatsexperte hält seinen Vorwurf für durchaus gravierend. Schavan habe Walters Darstellung neu strukturiert und teilweise etwas umgeschrieben, erklärt „Robert Schmidt“. Walter werde in dem Aufsatz aber an keiner Stelle erwähnt. „Robert Schmidt“ unterlegt seinen Vorwurf mit einer Dokumentation, die er am Montag auf schavanplag.wordpress.com veröffentlichte.

So schreibt Schavan: „Wenn auch die Theologie im Haus der Universität einen festen und womöglich unangefochteneren Platz einnahm als heute, so war es ihr eigenes Ringen um den Status einer Wissenschaft, das zu einer gewissen inneren Fragilität beitrug.“ Peter Walter schreibt an der entsprechenden Stelle: Der Blick ins Mittelalter zeige zum einen, „dass die Universität in den ersten Jahrhunderten ihrer Existenz ebenso ein in ständigem Umbau befindliches Haus war wie heute, und zum andern, dass die Theologie darin vielleicht einen unangefochteneren Platz hatte als gegenwärtig, dass sie aber selber um ihren Status als Wissenschaft ringen musste und rang“. Darüberhinaus übernahm Schavan der Dokumentation zufolge unter anderem Aussagen Walters zum „studium generale“ an den ersten, im 12. Jahrhundert entstandenen Universitäten sowie zu den unterschiedlichen Profilen der damaligen Universitäten.

Handelt es sich dabei womöglich um Handbuchwissen zur Universitätsgeschichte? Die Aussagen finden sich ähnlich etwa in der „Geschichte der Universität in Europa“ von Walter Rüegg, dem einschlägigen mehrbändigen Handbuch zu dem Thema, oder auch auf Wikipedia. Schavan hätte also denken können, sie müsse keine Quelle angeben. „Robert Schmidt“ hält dieses Argument nicht für stichhaltig. Dass die Universitäten im 12. Jahrhundert entstanden sind, könne man zwar als Handbuchwissen bezeichnen. Für die von Peter Walter dargelegten Details zur Unigeschichte aber hätte Schavan ihn als Quelle angeben müssen. So „erweckt sie den Eindruck, die Darstellung hätte sie sich selbst erarbeitet – das gleiche Schema wie an vielen Stellen ihrer Dissertation“. Walter selber nennt als Quelle seiner Darstellung unter anderem das Werk von Rüegg.

Auffällig ist auch, dass Schavan andere Texte aus dem Sammelband „Universität ohne Gott?“, in dem sich der Walter-Text findet, durchaus korrekt zitiert. So führt sie an sechs Stellen Zitate aus dort erschienenen Beiträgen von Wolfgang Frühwald, Karl Kardinal Lehmann und Helmut Hoping an.

Für „Robert Schmidt“ ist der neue Fund „sehr gut geeignet, um die Argumentation der Schavan-Verteidiger zu entkräften, sie sei ja nur ein unschuldiges Opfer einer jakobinisch urteilenden Düsseldorfer Universität“, wie er in einer Mail schreibt. „Sie hat nicht nur 1980 abgeschrieben, sondern auch noch 2008.“ Der Plagiatsexperte und Jurist an der Humboldt-Universität Gerhard Dannemann nennt Schavans Vorgehen auf Anfrage einen „Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis“. Die Übernahmen seien aber nicht so gravierend wie die in Schavans Dissertation. Schavan war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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