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Im Schatten. Der falsche Titel kostete zwischen 3000 und 15 000 Euro.

© picture alliance / dpa

Akademische Titel: Handel mit hunderten falschen Doktortiteln - Verfahren eingestellt

Ein Händler soll zahlreiche falsche Titel verkauft haben, für 3000 bis 15.000 Euro. Nun droht ihm Haft – aber nicht wegen Betrugs.

Es könnte der bislang schwerwiegendste Fall sein, der beim Handel mit Doktortiteln bekannt geworden ist. Nach polizeilichen Ermittlungen und Anklage der Staatsanwaltschaft hat ein Osnabrücker Geschäftsmann im vergangenen Jahrzehnt hunderte, womöglich annähernd tausend falsche Doktortitel verkauft. Es handelte sich um Promotionen von der fiktiven Yorkshire University und gefälschte Urkunden von der real existierenden Technischen Universität Warschau. Dafür soll der Titelhändler von seinen Kunden mehr als fünf Millionen Euro kassiert haben.

Gegen den Händler ist nun Anklage in Osnabrück erhoben worden. In ähnlichen Fällen wurden Titelhändler bereits wegen Betrugs zu Haftstrafen verurteilt, in einem Fall in Norddeutschland zu vier Jahren. Die Richter gingen dabei stets davon aus, dass die Händler ihr Versprechen gegenüber den Käufern gebrochen hatten, ihnen einen legalen Titel zu beschaffen.

Das Betrugsverfahren wurde eingestellt

Auch in Osnabrück droht dem Titelhändler nun Gefängnis. Allerdings nicht wegen Betrugs – sondern weil er auch noch Steuern in der Höhe von rund zwei Millionen hinterzogen haben soll. Das Verfahren wegen Betrugs hingegen wurde bereits eingestellt, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Woran das liegt? Die Osnabrücker Geschichte gibt laut Ermittlungsbehörden gar keine Anhaltspunkte dafür her, dass die Kunden getäuscht worden sind. Bei der Verfahrensweise des Händlers hätte doch jeder selber die Rechtswidrigkeit klar erkennen können, argumentieren die Staatsanwälte. Ohne persönliche Vorsprache bei der Hochschule und ohne jeden akademischen Leistungsnachweis wurde die „Doktorurkunde“ per Post zugestellt, für eine Vermittlungsgebühr zwischen gut 3000 und annähernd 15 000 Euro. Die Käufer konnten da also aus Sicht der Ermittler nicht von „richtigen“ Doktortiteln ausgehen. Weil der Mittelsmann die Titelkäufer also nicht betrogen hat, können sie auch keine Rückzahlung vom Kaufpreis erwarten.

Der Leiter einer NGO wollte mehr Spenden erhalten

Tatsächlich wollten sich in früheren Fällen falsche Doktoren immer wieder damit herausreden, dass sie der Titelhändler getäuscht habe. So fühlte sich eine Logistikmanagerin in die Irre geführt, weil sie doch in der Uni Hamburg vor einem vermeintlichen Professor eine mündliche Prüfung abgelegt habe. Das einzige Exemplar ihrer Dissertation sei verloren gegangen. Der Chef eines Kinderhilfswerks verwies darauf, er sei mit besten Absichten auf die fiktive Yorkshire University hereingefallen: Mit dem Doktor habe er leichter Zugang zu betuchten Spendern finden wollen. Überhaupt nur mit Unschuldsbeteuerungen können Käufer finanzielle Rückforderungen an die Titellieferanten aufrechterhalten und eine persönliche Mitverantwortung herunterspielen.

Im Gegenteil müssen auch falsche Doktoren wegen Titelmissbrauchs mit einer richtigen Geldstrafe rechnen oder einer milderen „Geldauflage“ (das Verfahren wird dabei gegen eine freiwillige Geldzahlung eingestellt, Beschuldigte bleiben unbestraft). Bislang wurden siebzig Osnabrücker Fälle auf diese Weise erledigt. Die Staatsanwaltschaft hatte die Namen der Hochstapler in den Kassenbelegen des Händlers gefunden. Ein Zahnarzt wurde zu 50 000 Euro verurteilt. Ob es dabei bleibt, muss jetzt in dritter Instanz ein Oberlandesgericht entscheiden. Andererseits kam ein Thüringer Lokalpolitiker, der einen Doktortitel aus Polen führte, vor fünf Jahren mit 300 Euro an einen Tierschutzverein davon. Wegen der Affäre hatte er allerdings zuvor eine Bürgermeisterwahl verloren.

Hermann Horstkotte

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