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Kosmischer Crash. 70 Millionen Lichtjahre von uns entfernt stoßen die zwei Galaxien NGC 4038 und 4039 zusammen. Das Bild entstand aus Daten des Radioteleskops „Alma“ in Chile und des Weltraumteleskops „Hubble“.

© eso

Astronomie: Alma, das größte Teleskop der Welt, öffnet die Augen

Das weltgrößte Radioteleskop geht in Betrieb. Es soll ferne Objekte und die Geburt von Sternen erforschen. Vor wenigen Tagen wurden die ersten Aufnahmen veröffentlicht. Sie zeigen die Kollision zweier Galaxien.

Trocken, extrem trocken. Das war eine der wesentlichen Anforderungen an den Standort des „Alma“-Radioteleskops. Es analysiert nicht das sichtbare Licht, das von fernen Sternen und Galaxien zur Erde kommt, sondern elektromagnetische Wellen im Bereich von 0,3 bis 10 Millimeter. „Gerade diese Wellenlängen werden vom Wasserdampf in der Atmosphäre absorbiert“, erläutert Wolfgang Wild, Alma-Projektmanager bei der Europäischen Südsternwarte (Eso), das Problem der Radioastronomen. Die Forscher entschieden sich deshalb für das 5000 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Plateau von Chajnantor in der Atacamawüste, eine der trockensten Regionen der Erde.

Von dort aus soll „Alma“ (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) extrem weit entfernte Regionen des Universums untersuchen sowie die kalten Gas- und Staubwolken, die sich zwischen den Sternen befinden. Zurzeit steht gerade ein Drittel der geplanten 66 schüsselförmigen Radioantennen auf dem Plateau. Doch die arbeiten bereits und liefern den Astronomen wertvolle Daten. Vor wenigen Tagen hat das Alma-Team die erste Aufnahme veröffentlicht.

Sie zeigt die Kollision der beiden Antennen-Galaxien NGC 40438 und 4039 im Sternbild „Rabe“. „Das Objekt wurde deshalb gewählt, weil die Antennen-Galaxien viel gasförmige Materie enthalten, die über ein relativ großes Gebiet verteilt ist. Außerdem zeigen sie eine interessante Struktur, das macht diese Galaxien zum idealen Testobjekt“, sagt Wild.

Der Schein trügt. Der Zusammenstoß geschieht nicht wie bei einem Crash im Straßenverkehr innerhalb weniger Sekunden, sondern zieht sich über Milliarden von Jahren hin. Es ist kein Zusammenprall der in ihnen befindlichen Milliarden Sterne, sondern ein langsames Durchdringen beider Galaxien, was letztlich zu einem Verschmelzen führt. Dabei verdichten sich die in den Galaxien enthaltenen Gas- und Staubwolken – ideale Bedingungen für das Entstehen neuer Sterne.

Wie die Geburt der Sonnen im Einzelnen abläuft, wollen die Astronomen mithilfe von Alma erforschen. Das größte Radioteleskop der Welt ist auf Wellenlängen spezialisiert, die tausendmal größer sind als die des sichtbaren Lichts. Sie entsprechen der Strahlung, die von den interstellaren und nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt kalten Gas- und Staubwolken ausgehen. Indem die Wissenschaftler diese Strahlung analysieren, können sie zum Beispiel die chemische Zusammensetzung der Wolken entschlüsseln.

Doch nicht nur die Strahlung aus kalten Wolken hat große Wellenlängen, ebenso das Licht extrem weit entfernter Objekte. Aufgrund der Expansion des Kosmos wurde dessen Wellenlänge gestreckt und erreicht die Erde in jenem Spektrum, das von Alma genutzt wird. Auf diese Weise hoffen die Wissenschaftler die Frühgeschichte des Universums kurz nach dem Urknall vor rund 13,7 Milliarden Jahren zu ergründen.

Huckepack. Die rund 100 Tonnen schweren Teleskope werden von einem Spezialtransporter auf die Hochebene gebracht.

© dpa

Der Clou des Alma-Antennenwaldes ist: Der Abstand zwischen den einzelnen Radioteleskopschüsseln, der zurzeit 125 Meter beträgt, kann variiert werden. Dazu werden die Antennen von Spezialtransportern, die bereits beim Aufbau der Anlage eingesetzt werden, huckepack genommen und bis zu 16 Kilometer weit auseinandergerückt. „Alma ist in gewisser Weise wie eine Zoomlinse, die es erlaubt, die Auflösung zu variieren“, erläutert Wild. „Indem der Abstand zwischen den Teleskopen erhöht wird, kann man immer feinere Details in den beobachteten Objekten erkennen.“

Die geplante Winkelauflösung beträgt etwa zehn Millibogensekunden. Das heißt ein Zweihunderttausendstel des Winkels, den der Mond mit vollem Durchmesser am Himmel aufspannt oder der Winkel, den ein 1-Cent-Stück in 200 Kilometern Entfernung darstellt. Um diese Präzision zu erreichen, muss die Oberflächenform jeder einzelnen Antenne äußerst genau erhalten bleiben. Die Abweichung über ihren gesamten Durchmesser von zwölf Metern darf nicht größer als 0,025 Millimeter sein, was etwa einem Drittel des Durchmessers eines menschlichen Haares entspricht. Erst die Verbindung von großer Sammelfläche und höchster Oberflächengenauigkeit der Teleskope ermöglicht die hohe Empfindlichkeit für schwache kosmische Signale, denen Alma auf der Spur ist.

Das hat allerdings seinen Preis. Der Aufbau, der von einem internationalen Konsortium finanziert wird, wird schätzungsweise eine Milliarde Euro kosten. Der Anteil Deutschlands wird von der Eso auf unter 75 Millionen Euro beziffert.

Noch steht Alma am Anfang seiner Arbeiten, unter Forschern als „early science“ – also „frühe Wissenschaft“ – bezeichnet. Diese Phase wird neun Monate dauern. Bereits jetzt ist der Andrang enorm. Von rund 900 Beobachtungsanträgen konnten nur 100 berücksichtigt werden. Diese Zahl lässt erahnen, was 2013 passiert, wenn Alma „vollteleskopisch“ seine Arbeit aufnimmt.

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