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Natur pur. In der traditionellen chinesischen Medizin werden viele pflanzliche und tierische Produkte eingesetzt. Das heißt aber nicht, dass sie von vornherein harmlos sind. Ein erhebliches Risiko bergen Inhaltsstoffe aus Osterluzei. Foto: picture-alliance/chromorange

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Alternative Medizin: Forscher warnen vor Risiken chinesischer Naturheilmittel

Neue Studien zeigen: Traditionelle chinesische Mittel verursachen häufig Krebs und können illegale oder gefährliche Zutaten enthalten

Wo die westliche Medizin hart und rational ist und den Menschen aus dem Blick verliert, da ist die Medizin des Ostens sanft und weise. So sehen viele Patienten das und nehmen deshalb auch hierzulande entsprechende Präparate, wie zum Beispiel Pflanzenheilmittel der traditionellen chinesischen Medizin. Nach dem Motto: Der Nutzen ist vielleicht fraglich, aber es wird schon nicht schaden. Gleich zwei Studien haben diese vermeintliche Gewissheit diese Woche erschüttert.

Im Fachblatt „Pnas“ berichtet ein internationales Forscherteam um den Pharmakologen Arthur Grollman über neue Untersuchungen zur Aristolochiasäure. Der Stoff aus Osterluzeigewächsen schädigt die Nieren und verursacht Krebs. In den fünfziger Jahren gab es in Deutschland zahlreiche Präparate dieser Pflanzen zu kaufen. Sie sollten den Kreislauf stärken. Die „Heilmittel“ wurden erst 1981 in Deutschland verboten, nachdem die Nebenwirkungen bekannt wurden.

Für traditionelle chinesische Rezepte werden die Pflanzen aber immer noch häufig eingesetzt, etwa in Taiwan. Eine Analyse der Krankenkassendaten von 200 000 Menschen in dem Land ergab, dass zwischen 1997 und 2003 fast jeder Dritte ein Präparat eingenommen hat, das sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit Aristolochiasäure enthielt.

Die Forscher um Arthur Grollman untersuchten deshalb Proben von 151 taiwanesischen Patienten mit Krebserkrankungen der oberen Harnwege (Niere, Harnleiter). Diese Krebsform wird häufig durch Aristolochiasäure verursacht. Einzelne Giftmoleküle heften sich ans Erbgut, was man nachweisen kann. Bei 60 Prozent der Krebspatienten fanden die Forscher Spuren von Aristolochiasäure.

Fast die Hälfte dieser Krebspatienten, die eindeutig Aristolochiasäure zu sich genommen hatten, hatten auch eine charakteristische Mutation, bei der die Base Adenin im Erbgut durch die Base Thymin ausgetauscht wird. Diese Veränderung betraf ein besonders wichtigen Gen: TP53. In seiner normalen Form hilft das Gen dem Körper, Tumorzellen frühzeitig „einzufrieren“. Ist es verändert, kann es diese Aufgabe nicht mehr wahr nehmen, das Risiko einer Krebserkrankung steigt. Aristolochiasäure sei eine wichtige Ursache von Krebserkrankungen der oberen Harnwege in Taiwan, folgern die Wissenschaftler.

„Zusammengenommen liefern die Daten in der Studie einen starken Hinweis, dass ein Großteil der Krebserkrankungen der oberen Harnwege in Taiwan auf Aristolochiasäure-haltige Medikamenten zurückzuführen ist“, bestätigt Heinz Schmeiser vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Da neben Taiwan auch in China und anderen asiatischen Ländern häufig Medikamente mit Aristolochiasäure genommen werden, könnte es sich um ein erhebliches Gesundheitsproblem handeln.

In einer weiteren Studie im Fachblatt „Plos Genetics“ haben australische Forscher die Methoden der modernen Gensequenzierung direkt auf traditionelle chinesische Medikamente angewendet. Die Wissenschaftler untersuchten 15 Medikamente, die Zollbeamte bei der Einreise konfisziert hatten. „Wir haben diese Pillen genommen, sie klein gehackt und dann aus dem Pulver alles Erbgut isoliert“, erklärt Michael Bunce von der Murdoch-Universität in Australien.

Aus dem Wirrwarr an DNS-Fäden fischten die Forscher zwei Gene heraus: trnL, eine Erbanlage, die in den Chloroplasten aller Pflanzen vorkommt, und 16SrRNA, ein Gen, das alle Lebewesen teilen. Da sich die genaue Sequenz dieser Erbgutabschnitte von Art zu Art unterscheidet, konnten die Forscher durch die Bestimmung der genauen Sequenzen und Abgleich mit einer Datenbank feststellen, welche Tiere und Pflanzen für die Medikamente verwendet werden.

So wiesen sie nach, dass vom Aussterben bedrohte Tierarten wie der Kragenbär für die Herstellung einiger Medikamente verwendet wurde. Die Inhaltsangaben der meisten Medikamente waren darüber hinaus nicht vollständig. So war in einem Medikament, das als „hundert Prozent Saiga-Antilope“ beworben wurde, auch DNS von Ziegen und Schafen.

Auch Hinweise auf giftige Bestandteile konnten die Wissenschaftler zu Tage fördern. In vier der Präparate fanden sie DNS der Pflanzenfamilie Asarum. Einige Arten produzieren Aristolochiasäure. Zwar bedeutet der Nachweis von Erbgut noch nicht, dass auch der giftige Stoff in den Medikamenten enthalten ist. „Wir haben aber eine der Proben weiter untersucht und darin den giftigen Stoff auch nachgewiesen“, sagt Bunce.

„Diese Studien zeigen deutlich, wie gefährlich diese Produkte sind“, sagt Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg. Die Inhaltsstoffe seien häufig unklar, viele Präparate verunreinigt. So könne der Internetmarkt zur Gefahrenquelle werden. Tatsächlich warnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bereits 2007 vor chinesischen Naturheilmitteln, die übers Internet gekauft werden und Aristolochiasäure enthalten können. „Vermutlich gibt es eine hohe Dunkelziffer von Patienten, die schwer erkranken oder sterben, weil sie derartige Substanzen nehmen, ohne ihren Arzt zu fragen“, glaubt Sörgel.

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