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Antidepressiva: Wie Antidepressiva chemische Botenstoffe im Gehirn blockieren

Antidepressiva wirken als Blockaden für chemische Botenstoffe des Gehirns.

Zwei Forschungsteams haben unabhängig voneinander aufgedeckt, wie Antidepressiva auf Zellen des Gehirns wirken.

Antidepressiva wirken, indem sie Neurone des Gehirns daran hindern, bestimmte chemische Stoffe wie zum Beispiel Dopamin und Serotonin aufzunehmen, die als Botenstoffe Informationen von Zelle zu Zelle weitergeben. Diese chemischen Stoffe werden über Transportproteine in der äußeren Membran der Zellen aufgenommen, und eben dort entfalten Antidepressiva ihre Wirkung. Aber wie genau dieser Prozess abläuft ist ein Geheimnis geblieben, seit die ersten Antidepressiva vor 45 Jahren entwickelt wurden, sagt Les Iversen, Pharmakologe an der Universität von Oxford.

Um dieses Rätsel zu lösen, versuchten beide Teams - eins unter der Leitung von Eric Gouaux an der Oregon Health and Science University in Portland und das zweite an der New York University, geleitet von Da-Neng Wang - zu verstehen, was auf der untersten Ebene abläuft, wenn Antidepressiva an Transportproteine andocken. Dazu machten sie mittels Röntgenkristallographie die molekularen Strukturen der Transportproteine sichtbar.

Die Wissenschaftler konnten keine menschlichen Proteine verwenden, da sie schwer zu isolieren sind und schnell zerfallen. Stattdessen benutzten sie das Äquivalent, das in Bakterien mit der Bezeichnung LeuT gefunden wurde. Sie entschieden sich für Medikamente aus der Klasse der trizyklischen Antidepressiva und brachten Transportmoleküle und Antidepressiva zusammen. Gouaux Team verwendete das Medikament Clomipramin, Wangs Gruppe entschied sich für ein sehr ähnliches mit der Bezeichnung Desipramin. Ihre Ergebnisse erlauben erste Einblicke in die Mechanismen, nach denen Antidepressiva Transportproteine blockieren. Beide Teams sind sich einig: Das Medikament bindet an die Transportproteine und verändert ihre Struktur. Dadurch wird der Botenstoff im Membrandurchgang festgesetzt wie ein Korken in einem Flaschenhals, so dass er nicht ins Innere des Neurons vordringen kann. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die beiden Teams nahezu zeitgleich in Nature(1) und Science(2).

In der Falle

"Wir sind dem Problem näher gekommen", erklärt Gouaux, dessen Team sich auf die Frage konzentriert hat, wie genau die Droge den Botenstoff in dem aus Proteinen bestehenden Durchgang festsetzt. "Da wir jetzt die Grundlagen verstanden haben", fügt er hinzu, "können wir wirksamere Inhibitoren entwickeln."

Wang und sein Team konzentrieren sich auf die Frage, wie gut die Ergebnisse, die mit Bakterien gewonnen wurden, auf den Menschen übertragbar sind. "Um wirksamere Medikamente gegen Depression zu entwickeln", so Wang, "werden wir letztlich mit menschlichen Membranproteinen arbeiten müssen." Seine Gruppe kreierte daher genveränderte Varianten des menschlichen Proteins und beobachtete, was bei Zugabe von Desipramin geschah.

Aus ihren Studien mit LeuT wissen Wang und seine Kollegen, an welchen Teil des Proteins das Medikament bindet. Wenn sie diesen Teil in der menschlichen Variante des Proteins veränderten, konnten sie beobachten, dass das Medikament die Aufnahme von Dopamin oder Serotonin in die Zelle nicht blockieren konnte, was nahe legt, dass die Moleküle, dessen Bindungsstellen verändert wurden, nicht so effektiv blockiert werden konnten wie unveränderte. "Wir haben vor allem gezeigt, dass bei Menschen derselben Bindungs- inhibitorischen Mechanismus vorhanden sind", sagt Wang.

Aber obwohl Iversen die Studie als "elegante Wissenschaft" bezeichnet, ist er skeptisch, ob sie für die Entwicklung neuer Medikamente gegen Depression von Nutzen sein wird. Das Wissen über die detaillierten Abläufe hat bislang keine Früchte getragen und Medikamente wurden auch ohne dieses Wissen entwickelt. "Ich denke nicht, dass wir dies wirklich wissen mussten", sagt er. "Leute, die Medikamente entwickelt haben, haben besagte Bindungsmechanismen studiert, ohne zu wissen, dass es sie gibt."

(1) Singh, S. et al. Nature doi: 10.1038/nature06038 (2007). (2) Zhou, Z. et al. Science doi: 10.1126/science.1147614 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 9.8.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news070806-11. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Kerri Smith

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