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Aspirin wird nicht nur als Schmerzmittel eingesetzt.

© dpa

Arzneimittel: Aspirin – jetzt auch gegen Krebs?

Das Schmerzmittel Acetylsalicylsäure, besser bekannt als "Aspirin", senkt laut einer Studie das Risiko, an bösartigen Tumoren zu sterben. Das Deutsche Krebsforschungszentrum rät allerdings dringend davon ab, auf eigene Faust einfach zur Tablette zu greifen.

Schon im Altertum wussten die Menschen um die Heilkraft der Weide. Mit den Extrakten aus der Baumrinde bekämpften sie Schmerzen, Entzündungen und Fieber. 1899 bekam die Bayer AG das Patent für eine chemische Variante des Weidenwirkstoffs, die Acetylsalicylsäure (ASS), besser bekannt als „Aspirin“. Heute wird ASS nicht nur als Schmerzmittel eingesetzt, sondern auch zur Vorbeugung von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Und jetzt gibt es sogar deutliche Hinweise darauf, dass niedrig dosiertes ASS das Todesrisiko durch Krebs um ein Fünftel senken kann.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von Peter Rothwell von der Universität Oxford und seinen Mitarbeitern. Die Forscher hatten die Daten von acht Studien mit insgesamt 25 570 Patienten erneut ausgewertet, wie sie im Fachblatt „Lancet“ (online vorab) berichten. In den Untersuchungen bekamen die Patienten niedrig dosiertes ASS ursprünglich, um Gefäßverschlüssen etwa bei Arterienverkalkung vorzubeugen. Rothwell prüfte, ob die Einnahme von Aspirin mit einem geringeren Sterberisiko durch Krebs einherging – und wurde fündig.

Insgesamt registrierten die Forscher während der Studien 674 Todesfälle durch Krebs. Patienten, die Aspirin schluckten, hatten während dieses Zeitraums ein um 21 Prozent geringeres Risiko, an Krebs zu sterben. Es sank von drei auf 2,3 Prozent. Diese Wirkung hielt noch nach 20 Jahren an. Das ergab sich aus Langzeitdaten, die aufgrund der britischen Melderegister bei drei der acht Studien erhoben wurden. Der Schutz vor Krebs steigt nicht mit der Dosis – es bringt nichts, mehr als 75 Milligramm am Tag zu nehmen. Eine übliche Schmerztablette enthält 500 Milligramm.

Allerdings müssen die Patienten niedrig dosiertes Aspirin über mindestens fünf Jahre nehmen, damit sich bei Krebs von Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse, Gehirn und Lunge ein günstiger Effekt zeigt, bei Magen- und Darmtumoren sind es zehn und bei Prostatakrebs sogar 15 Jahre.

Nach 20 Jahren war das Sterberisiko durch Prostatakrebs um zehn Prozent niedriger, das für Lungenkrebs um 30, für Darmkrebs um 40 und für Speiseröhrenkrebs um 60 Prozent verringert. Der Nutzen könnte sich nach Ansicht der Wissenschaftler als noch größer erweisen, da in den Studien ASS nur für vier bis acht Jahre eingenommen wurde. Die Gesamtsterblichkeit sinkt nach ihren Angaben in den ersten fünf bis zehn Jahren der ASS-Einnahme um zehn Prozent. Allerdings war in der Studie nach 20 Jahren kein positiver Einfluss von ASS auf die Gesamtsterblichkeit mehr nachweisbar.

Sprechen die Ergebnisse dafür, ASS künftig pauschal zur Krebsvorbeugung einzusetzen? Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg rät dringend davon ab: „Auf eigene Faust sollte man auf keinen Fall zur Tablette greifen.“

ASS verringert die Neigung der Blutplättchen, zu verklumpen. Ein eigentlich erwünschter Effekt, denn so bleibt das Blut „flüssiger“. Bei verengten und verkalkten Schlagadern sinkt so das Risiko, dass die Gefäße verstopfen.

Auf der anderen Seite erhöht sich die Gefahr von Blutungen, vor allem in Magen und Darm. Sie können Bluttransfusionen erforderlich machen und in seltenen Fällen sogar tödlich sein. Dieses Risiko war ein wesentlicher Grund dafür, bei Gesunden die Einnahme von niedrig dosiertem ASS gegen Herzinfarkt nicht zu empfehlen. Der Nutzen hat das Risiko bislang nicht aufgewogen. Anders sieht es aus, wenn bereits eine Gefäßverkalkung, Arteriosklerose, vorliegt.

„Die Entscheidung, niedrig dosiertes ASS zur Krebsvorbeugung zu nehmen, kann nur im Einzelfall getroffen werden“, sagt Wolf-Dieter Ludwig, Krebsspezialist am Helios-Klinikum Berlin-Buch und Chef der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. „Das kann sinnvoll sein, wenn etwa in der Familie Fälle von Darmkrebs aufgetreten sind.“ Vor allem bei diesen Tumoren zeichnet sich ein Nutzen durch ASS ab. Für Ludwig auch ein Grund, bei der Vorbeugung von Infarkten auf das ebenso bewährte wie billige ASS statt auf die teuren Nachfolgepräparate zu setzen. Denn den möglichen Schutz vor Tumoren gibt’s bei ASS sozusagen dazu.

Allerdings vermisst der Arzneimittelexperte in der Studie von Rothwell Hinweise auf Risiken durch ASS, etwa Blutungen. Zudem werde nicht klar, wie viele Patienten man behandeln müsse, um einen Krebstodesfall zu verhindern.

Außerdem handelt es sich lediglich um eine Zweitauswertung von Untersuchungen, die einem anderen Zweck dienten, gibt der Mediziner zu bedenken. Wünschenswert wäre es daher, eine Studie zu machen, in der ausschließlich eine Senkung des Krebsrisikos durch ASS geprüft würde. „Zumindest in Deutschland existiert jedoch keine Einrichtung, die so etwas finanzieren würde“, sagt Ludwig.

Weitere Untersuchungen sind also erforderlich. Nicht zuletzt, weil zu wenig Frauen teilnahmen und deshalb eine Aussage über den Schutzeffekt bei Brustkrebs noch nicht möglich ist.

„Diese Ergebnisse sollten nicht dazu verleiten, dass alle Erwachsenen nun unverzüglich damit anfangen, Aspirin einzunehmen“, sagt der Studienleiter Rothwell. „Aber sie belegen einen Nutzen, der noch nicht in wissenschaftliche Empfehlungen eingeflossen ist.“ Die bisherigen Richtlinien hätten bei Menschen in mittlerem Lebensalter wegen des Blutungsrisikos zu Recht zur Vorsicht gemahnt, wenn es darum ging, ASS zum Vorbeugen von Herzinfarkten und Schlaganfällen einzunehmen. „Die Verringerung von Krebstodesfällen bei einigen weitverbreiteten Krebsarten wird diese Bewertung bei vielen Menschen ändern.“

ASS hemmt ein Eiweiß namens Cyclooxygenase 2 (Cox-2), das seinerseits die Bildung von hormonähnlichen Substanzen fördert, den Prostaglandinen. Die Prostaglandine regen Krebszellen zum Wachsen an. Cox-2 wird bei 80 bis 85 Prozent aller bösartigen Darmtumoren vermehrt gebildet. Wird es mit ASS blockiert, schwächt das den Krebs.

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