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© - Foto: ddp

Bildung: Studieren vor dem Bachelor

Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg denkt über Propädeutika nach. Das Studium könnte dann bis zu sechs Jahren dauern.

Ein Bachelorstudium dauert drei Jahre, ein Masterstudium zwei Jahre. Das ist die Regel an deutschen Universitäten. Die Kultusministerkonferenz hatte eine Obergrenze von fünf Jahren für beide Studiengänge zusammen gezogen. Aber den Hochschulen stand es frei, ob sie in diesem Rahmen einen sechs-, sieben- oder achtsemestrigen Bachelor organisieren. Was haben die Unis daraus gemacht? Sie kaprizierten sich bei der Umstellung auf Bachelor und Master darauf, alle Reputation und Niveau in das Masterstudium zu investieren. Die Folge: Von 5230 Bachelorstudiengängen dauern 3886 sechs Semester; und von 4004 Masterstudiengängen schöpfen 3018 die zulässige Höchstdauer von vier Semestern aus.

Jetzt sind die Studentenproteste vom vergangenen Sommer zu verdauen. In der Kultusministerkonferenz hat ein neues Nachdenken über Obergrenzen sowie über eine flexiblere Länge des Master- und Bachelorstudiums jenseits des Schemas sechs plus vier begonnen. Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) sieht jetzt sogar Chancen für die Einführung eines Propädeutikums, einer intensiven Vorbereitungsveranstaltung.

Hinter dem Gedanken des Propädeutikums verbirgt sich ein uraltes Problem bei der Gestaltung des Übergangs von der Oberschule auf die Hochschulen. Für immer mehr Studiengänge werden fundierte Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften verlangt. Das gilt nicht nur für die Medizin und die Ingenieurwissenschaften, sondern auch für Psychologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften. Wer in den ersten Klausuren an der Universität nicht durchfallen wollte, musste Brückenkurse in den Semesterferien besuchen.

Außerdem gibt es Sprachen, die an fast keiner Schule gelehrt werden, aber im Studium von großer Bedeutung sind: In der globalisierten Welt muss nicht nur ein Ostasienwissenschaftler Chinesisch oder Japanisch verstehen, sondern auch ein ehrgeiziger Wirtschaftswissenschaftler oder Politologe. Selbst der Historiker, der nicht den Mittelpunkt seines Geschichtsverständnisses in der griechischen und römischen Antike sieht, kann den Zugang zu afrikanischen, arabischen oder asiatischen Gesellschaften nur über die Landessprachen finden.

An der alten Universität vor der Bolognareform hatte man sieben Jahre Zeit für ein Studium. Da war ein aufwendiger Spracherwerb kein Problem. Aber in dem streng gegliederten Bachelor- und Masterstudium, in dem das Semesterprogramm in Module und Leistungspunkte (ECTS) gegliedert ist, kann man schwierige Sprachen nicht nebenher lernen.

Hier setzt Frankenberg an. In bestimmten Fremdsprachen oder in Mathematik und Naturwissenschaften soll es an den Hochschulen künftig Propädeutika vor dem Studium geben, die durchaus mehr Zeit als die bekannten, nur wenige Wochen dauernden Brückenkurse in Anspruch nehmen könnten: ein oder gar zwei Semester – wie lang genau, will Frankenberg den Studierenden überlassen. „Wer sich nach einem Semester Einführung fit fühlt, anschließend ins Studium zu gehen, soll das tun, wer zwei Semester braucht, dem sollte man diese Zeit gewähren“, erklärt der Minister dem Tagesspiegel. Damit stiegen die Chancen, etwa bei den Ingenieurstudenten eine Erfolgsquote von 70 Prozent zu erreichen.

Ein weiterer Grund für die Einführung eines Propädeutikums liegt in der Unsicherheit der Studierenden, welches Fach ihren Neigungen und Fähigkeiten am ehesten entspricht. Die allgemeine Orientierung auf Geistes- und Sozialwissenschaften oder Naturwissenschaften ist nicht das Problem – welches Fach sie in diesen Bereichen wirklich begeistert, erkennen Studienanfänger oft erst nach den ersten Kursen.

Würde ein Propädeutikum wie das Studium in Baden-Württemberg gebührenpflichtig sein? Peter Frankenberg macht einen Unterschied: Ein reines Propädeutikum, das noch nicht als Semester zählen kann, müsse „nicht unbedingt“ gebührenpflichtig sein. Ein Propädeutikum, das als breites Einführungsstudium für ganze Bereiche wie Geisteswissenschaften oder Naturwissenschaften angelegt ist und später mit Modulen angerechnet werden kann, sieht Frankenberg aber als „durchaus relevant“ für Studiengebühren an.

In einzelnen Fächern wartet man schon seit 2006 auf die Rahmenbedingungen der Regierung, bevor Entwürfe für ein Propädeutikum in die Gremien eingebracht werden. Denn sobald ein Propädeutikum zum Bestandteil des Studiums wird, stellt sich sofort die Frage nach der zeitlichen Obergrenze für Bachelor und Master sowie nach den Bafög-Regeln. Peter Frankenberg will dafür werben, dass das Bafög zusätzlich zum Bachelor- und Masterstudium für ein Jahr Propädeutikum gezahlt wird.

Zunächst will er die Diskussion über eine flexible Handhabung der Obergrenze von zehn Semestern in die Kultusministerkonferenz (KMK) tragen. Dort sieht er gute Chancen. Die „sehr strikten Vorgaben der KMK“ seien auch „international nicht unbedingt kompatibel“: „Wenn die Hochschulen wie zum Beispiel in Großbritannien flexiblere Bachelormodelle anbieten, dann müssen wir auch an eine gewisse Flexibilität bei der Obergrenze denken“, sagt Frankenberg. Sollte er in der KMK keine Unterstützung finden, würde ihn auch „ein Alleingang von Baden-Württemberg wenig stören“.

Sorge bereitet Frankenberg das verbreitete Jobben der Studenten, das sich nur schwer mit dem zeitlichen Druck eines Bachelorstudiums in Einklang bringen lässt. Die jüngste Bafög-Erhöhung und Hochbegabtenstipendien haben das Jobben nicht reduziert. Frankenberg will nun den Studenten mehr Luft verschaffen, indem Baden-Württemberg endlich mit dem Teilzeitstudium Ernst macht. Das baden-württembergische Hochschulgesetz hat schon lange die Ermächtigung dafür erteilt, aber die meisten Hochschulen wollen sich mit einem Teilzeitstudium nicht profilieren.

Diesen Widerstand möchte der Minister jetzt überwinden: „Gerade das in Module eingeteilte Studium bietet für ein Teilzeitstudium bessere Chancen als die frühere Studienorganisation.“ Schließlich würden durch die Module Teile des Studiums klar abgeschlossen und seien damit als Bestandteile eines später fortzusetzenden Studiums anrechenbar. Außerdem müssten die Hochschulen nach den Jahren 2013/14 um Studierende werben, vor allem um Studierende aus dem Ausland. Dann würden sie in eigenem Interesse Teilzeitstudiengänge anbieten müssen. „Dabei werde ich sie unterstützen“, sagt Frankenberg.

Bei seinen Vorstößen gehe es ihm nicht um eine Revision der Studienreform, betont Frankenberg: „Es ist unbestreitbar ein Erfolg, dass wir in Deutschland endlich ein gestuftes Studium haben.“

Uwe Schlicht

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