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Forschung

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Bildung: Zöllner erzwingt die Superstiftung

Die Berliner Spitzen-Organisation steht vor dem Start – Wissenschaftssenator Zöllner setzt sich über den Widerstand der Unis hinweg.

Berlins Wissenschaftssenator wird die von ihm geplante „Superstiftung“ jetzt offenbar ohne die Zustimmung der Berliner Universitäten gründen – und zwar sehr bald. Nach Tagesspiegel-Informationen will Jürgen Zöllner (SPD) in wenigen Tagen den Senat mit der Stiftung befassen. Über die Einrichtung (Arbeitstitel: „Berlin International Forum for Excellence“, kurz „Bife") sollen 100 Wissenschaftler universitärer und außeruniversitärer Institute sowie 500 Master- und Promotionsstudierende gefördert werden.

Wie aus dem Umfeld des Berliner Senats zu hören ist, soll die Stiftung für die Berliner Spitzenforschung einen Vorstand bekommen, dem Jürgen Zöllner und Finanzsenator Thilo Sarrazin angehören sollen. Erwartet wird auch, dass weitere Plätze im Vorstand für private Sponsoren, auf deren Unterstützung Zöllner hofft, vorgehalten werden.

Der Vorstand werde im Vorfeld einer Entscheidung festsetzen, welche Gebiete überhaupt förderungswürdig sind. Welches Projekt aus einem solchen Schwerpunkt im Einzelnen Geld bekommt, berät dann eine wissenschaftliche Kommission, die ihre Empfehlung an ein Entscheidungsgremium leitet.

Sollte Zöllner tatsächlich so verfahren wollen wie jetzt zu hören ist, hätte die Forschungsförderung durch die Superstiftung einen entscheidenden Unterschied zu dem der DFG: Dort urteilen die peers über die Anträge ihrer Kollegen, ohne dabei politische Vorgaben berücksichtigen zu müssen. Vorhaben bei der Superstiftung müssten aber zunächst das grundsätzliche Gefallen der Politiker finden. Es darf angenommen werden, dass dabei dem Vorstandsmitglied Sarrazin die Materialwissenschaften förderungswürdiger erscheinen als die Germanistik. Zöllner – ein Medizinprofessor – wird sich sicherlich für die Lebenswissenschaften engagieren. Als mögliche Bereiche für die Superstiftung gelten auch Projekte aus den transregionalen Studien sowie das Matheon. Der Wissenschaftssenator will mit der Superstiftung auch die Chancen für Berlin in der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs verbessern.

Schon seit vielen Monaten für eine Leitungsaufgabe an der Superuni im Gespräch ist Günter Stock, der Vorsitzende des Kuratoriums der Humboldt-Universität (HU) und Präsident der Berlin Brandenburgischen Akademie. Allerdings ist kaum denkbar, dass Zöllner die HU mit dieser Personalie in der Stiftung bevorzugen würde – zumal Stock in der scientific community umstritten ist und Zöllner um Akzeptanz für das seit langem umstrittene Institut werben muss.

Die lange Hängepartie der Superuni geht mit Zöllners Vorstoß offenbar zu Ende. Der Streit jedoch nicht. Um seinen Plan zu verwirklichen, setzt Zöllner sich über Widerstände und Bedenken vieler Wissenschaftler hinweg. Dem Junktim, das FU und TU ausgesprochen haben, begegnet der Senator, indem er Fakten schafft. Die Präsidenten von FU und TU sowie die Akademischen Senate der Hochschulen wollten ihre Zustimmung zur Superstiftung nur geben, wenn der Senat verspricht, ihnen nach 2010 eine erheblich höhere Grundausstattung zu gewähren. Denn angesichts der Preis- und voraussichtlichen Tarifsteigerungen sowie der drückenden Pensionslasten könne der Betrieb sonst nicht mehr aufrechterhalten werden. Die vier Berliner Universitäten fordern im Jahr gemeinsam 157 Millionen Euro mehr. In die Superstiftung sollen in den kommenden vier Jahren zunächst 35 Millionen, dann 40 Millionen fließen.

Eine andere Position vertrat hingegen HU-Präsident Christoph Markschies. Er hatte ein Junktim abgelehnt und einen entsprechenden Beschluss des Akademischen Senats der HU für nichtig erklärt. Auf Widerstand war er dabei nicht gestoßen. Die Hoffnung besteht, dass die HU, die mit ihrem Zukunftskonzept im Exzellenzwettbewerb durchfiel, nun aus der Stiftung einen finanziellen Schub erhalten könnte, etwa für das geplante integrative Institut für Lebenswissenschaften. Die Skepsis gegenüber der Superstiftung dürfte sich aber auch an der HU erst legen, wenn die massiven Bedürfnisse der Uni für die Grundfinanzierung befriedigt werden können. Sollten die Wissenschaftler hingegen bald über die Kürzung weiterer 80 Professuren beraten müssen, dürfte Zöllners Superstiftung auch an der HU nur noch bei jenen wenigen Forschern Akzeptanz finden, die von ihr gefördert werden.

Die seit langem umstrittene Stiftung wird für Zöllner wohl nur dann noch ein großer politischer Erfolg werden können, sollte das Parlament tatsächlich den Bedarf der Universitäten bei seiner nächsten Haushaltsplanung berücksichtigen. Bliebe es weit dahinter zurück, könnten sich alle bestätigt fühlen, die bislang der Auffassung waren, angesichts der Probleme an der Basis könne sich Berlin eine neue Luxus-Organisation nicht leisten.

Auch abgesehen von den großen Finanzsorgen der Berliner Universitäten, gab es in den vergangenen Monaten Vorbehalte gegen die Superuni. Wissenschaftler befürchteten, die höhere Tochter könnte den Muttereinrichtungen ihre Spitzen wegnehmen. In einem „Memorandum of Understanding“ war Zöllner im Juni auf die Unipräsidenten zugegangen. Er erklärte, durch die Superstiftung geförderte Abschlüsse und Promotionen blieben Angelegenheiten der Mutteruniversitäten. Auch sollte die Einrichtung nicht mehr die gesamte „strategische Forschungsplanung für Berlin“ übernehmen, sondern nur noch „Empfehlungen“ aussprechen, um die Autonomie der Universitäten nicht zu beschneiden.

Die Unipräsidenten waren mit dem Konzept vom Sommer einverstanden, weil die Superstiftung stärker als Geldverteilungsmaschine denn als neues Institut gestaltet werden sollte. Allerdings verursachte Zöllner wenig später neue Irritationen, als er sagte, die Superstiftung solle „eine völlig neue Form von Hochschule“ darstellen.

Zu dem aktuellen Vorgehen Zöllners war von den Uni-Leitungen am Donnerstag keine Stellungnahme zu erhalten.

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