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Kinder

© Kitty Kleist-Heinrich

Bildungspanel: Das Geheimnis der Bildung

Wenn alles gut geht, wird den Schulen und Hochschulen das letzte Geheimnis entrissen. Ein neues Großprojekt untersucht die Lebensläufe zehntausender Menschen.

Wenn alles gut geht, wird den Schulen und Hochschulen das letzte Geheimnis entrissen. 58 000 Mütter, Kinder, Studenten und sonstige Erwachsene bis zum Alter von 64 Jahren werden vom Jahr 2009 an regelmäßig befragt. Es geht darum, den Bildungsverlauf von der Geburt bis ins Rentenalter zu erforschen und damit einen wesentlichen Schritt über die bisherigen empirischen Schulstudien hinaus zu tun. Die internationalen Leistungsstudien wie Timss, Pisa und Iglu sind bisher nur Momentaufnahmen vom Stand des Lesens, Rechnens und der naturwissenschaftlichen Kenntnisse in den fünften und neunten Klassenstufen. Das erste nationale Panel will dagegen den Lebensverlauf wie einen Bildungsfilm aufzeichnen.

Die Forscher und die Politiker wollen wissen, wie sich Kompetenzen im Lebensverlauf entfalten. Auf welcher Grundlage werden Bildungsentscheidungen an den kritischen Übergängen von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen, an der Schwelle zur Berufsausbildung oder zum Besuch der Oberstufe und anschließend der Hochschulen getroffen? In welchem Umfang werden diese Entscheidungen von der Familie, aber auch von den Bildungsinstitutionen geprägt?

Bei der Vorstellung des Bildungspanels erklärte Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU), bisher gebe es nur viele Vermutungen. Jetzt sollten die Forscher faktisch beweisen, was sich im Bildungsverlauf wirklich ereignet. Wenn man wisse, was zum Erfolg oder Misserfolg von Bildungskarrieren führt, könne auch die Politik ihre Maßnahmen auf neue Fakten gründen.

Das Bundeswissenschaftsministerium finanziert das Bildungspanel ab dem Jahr 2009 mit 7,5 Millionen Euro. Die Mittel sollen sich bis zum Jahr 2013 auf 16 Millionen Euro erhöhen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt dieses Großprojekt. Ihr Präsident Matthias Kleiner teilte mit, eine internationale Gutachtergruppe habe das deutsche Bildungspanel überprüft und für hervorragend befunden. Deswegen wird die DFG nach den ersten Erhebungen des Panels ein eigenes Schwerpunktprogramm starten und sechs Jahre lang fördern. Die DFG stellt dafür in den ersten drei Jahren 5,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Das Panel steht unter der Verantwortung von Hans-Peter Blossfeld von der Universität Bamberg. Beteiligt sind auch Berliner Wissenschaftler wie Petra Stanat von der FU, Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung sowie Jutta Allmendinger und Heike Solga vom Wissenschaftszentrum.

Es gibt bereits ein sozioökonomisches Panel (SOEP), das seit 25 Jahren die Entwicklung des Lebensstandards in Deutschland untersucht. Aber die Ergebnisse dieses Panels sind nur Wissenschaftlern zugänglich. Ähnlich wird es wohl mit dem Bildungspanel sein, dessen Ergebnisse auch primär der Wissenschaft zu Verfügung gestellt werden sollen. Inwieweit die Journalisten und die Öffentlichkeit eingeweiht werden, wurde auf der gestrigen Pressekonferenz nicht geklärt. Das ist insofern bedauerlich, als gerade durch die Forschung über mehrere Jahrzehnte hinweg der Erfolg oder Misserfolg von bildungspolitischen Reformen ermittelt werden könnte.

Mit dem Panel unternehmen die deutschen Bildungsforscher einen weiteren großen Schritt, ihren internationalen Rückstand in den empirischen Untersuchungen aufzuholen. Blossfeld sagte, dass auch in Großbritannien ein Panel geplant ist, nachdem man von dem deutschen Vorhaben erfahren habe.

Große Anstöße für die empirische Schulforschung haben die von der OECD initiierten Leistungsstudien Timss, Pisa und Iglu gegeben. Aber diese beschränkten sich auf messbare Leistungen im Schulunterricht. Was sich anschließend in den Familien und in der Freizeit ereignete, war kaum Gegenstand der Untersuchungen. Der Blick verengte sich auf den Vormittag – auf den halben Tag von acht bis 14 Uhr. Was sich danach abspielte, blieb den Jugendforschern überlassen. Das neue nationale Panel bietet die Chance, dieses Manko zu überwinden.

Was sich in den Familien abspielt an Bildungsförderung oder auch an Versäumnissen, wird ein zentrales Thema des Panels. Da die Bildung nicht mit der Schule oder Hochschule endet, weitet das Panel die Perspektive auf das ganze Leben aus. Die berühmte Formel vom lebenslangen Lernen wird mit Daten unterlegt. Die Wissenschaftler des Panels gehen von folgender These aus: „Personen, die in der Schule gute Leistungen zeigen, verlassen das Bildungssystem in der Regel schneller und erwerben wettbewerbsfähigere Zertifikate. Diese Absolventen zählen zu denjenigen Arbeitskräften, die besonders attraktiv für Arbeitgeber sind und die besten Chance für ökonomischen Erfolg haben.“ Damit wird ein zentrales Argument der OECD auch zur Grundlage des Panels: Bildung ist entscheidend geworden für die wirtschaftliche Entwicklung.

Uwe Schlicht

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