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© Mike Wolff

Bildungsstandards: Anforderungen an schwache Schüler sinken

Die Kultusminister wollen Hauptschulen vorerst von Vergleichsarbeiten ausschließen.

Hauptschüler sollen in den kommenden Jahren offenbar nicht an bundesweit einheitlichen Vergleichsarbeiten (Vera) für die achten Klassen teilnehmen. Die Staatssekretäre der Kultusministerien wollten am Donnerstag in Bonn „die Aussetzung der Testverfahren bis 2012“ beschließen. Gleichzeitig sollen Bildungsstandards für Hauptschüler vereinfacht werden. Hintergrund sind schwache Leistungen in Mathematik, Deutsch, Naturwissenschaften und Englisch. Die Kultusministerkonferenz (KMK) bezeichnete den Teststopp gegenüber dem Tagesspiegel als „normalen und notwendigen Vorgang“.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft der KMK dagegen vor, die „dramatischen Probleme der Hauptschulen“ vertuschen zu wollen. Es gehe nicht an, die Ansprüche herunterzuschrauben, um die Öffentlichkeit zu beruhigen, erklärte Marianne Demmer vom GEW-Vorstand. Priska Hinz, Bildungs expertin der Grünen im Bundestag, forderte eine „ehrliche Bestandsaufnahme“ der Leistungen der Hauptschüler und eine verstärkte individuelle Förderung in Ganztagsangeboten oder Ferienkursen.

Das Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) habe beim ersten Probelauf für Vergleichsarbeiten an Hauptschulen festgestellt, dass die Hälfte der Schüler in Mathematik Mindestanforderungen nicht erfülle, erklärte die GEW. Ein Viertel der Schüler bewege sich auf Grundschulniveau. Bei schrift lichen Englischtests hätten 75 Prozent unterhalb eines von der EU festgesetzten Niveaus abgeschnitten. Für Deutsch und Naturwissenschaften erwartete das IQB ähnliche Probleme. Das an der Humboldt-Uni angesiedelte Institut war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Das IQB entwickelt im Auftrag der KMK die 2004 eingeführten Bildungs standards weiter, auf denen auch die Vergleichsarbeiten basieren. Bildungsstandards beschreiben, welche Kompetenzen Schüler erreicht haben sollen. Diese Standards seien einst von Fachleuten festgelegt worden, hieß es dazu aus der KMK. Wenn sich jetzt in der Schulpraxis herausstelle, dass sie zu hoch angesetzt wurden, müssten sie nachjustiert werden. Tatsächlich hatten die Kultusminister 2004 ausdrücklich „Regelstandards“ eingeführt und damit gebilligt, dass diese auch unterlaufen werden können. Die „notwendigen Mindesstandards“ könnten erst nach Erfahrungen im Umgang mit den Bildungsstandards erarbeitet werden. Künftig sollen Schwierigkeitsgrade von Aufgaben getestet und „Niveaustufen präzisiert“ werden. Die Anforderungen müssten so formuliert werden, dass sie Schüler weder massiv unterfordern „noch größere Teile der Schülerschaft überfordern“. Genau dies geschehe jetzt am IQB, und bis die neuen Bildungsstandards und Testaufgaben entwickelt seien, müsse die Teilnahme der Hauptschüler an den Vergleicharbeiten ausgesetzt werden, ist bei der KMK in Bonn zu hören.

Hermann Josef Abs, Mitarbeiter am Deutschen Institut für Internationale pädagogische Forschung (Dipf) in Frankfurt am Main, plädiert für zusätzliche offene Aufgabenstellungen. Sie sollten schwache Schüler nicht frustrieren, es aber guten Schülern ermöglichen, ihre Stärken zuzeigen. Gleichzeitig sollten neue Tests weiterhin Leistungsvergleiche der Hauptschulen mit anderen Schularten zulassen.Amory Burchard

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