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Biologie: Fliegergewicht: Der typische Spinnentrick

Manchmal führt das genaue Gegenteil der puren Kraftmeierei besser zum Ziel: Spinnenmännchen sind kleiner als ihre Partner, weil sie Brücken bauen müssen.

Seit Charles Darwin seine Evolutionstheorie vorgestellt hat, plagen Biologen sich mit den Spinnen herum: Bei manchen Arten sind die Männchen ähnlich groß wie die Weibchen, bei anderen ist das angeblich starke Geschlecht dramatisch kleiner und damit auch schwächer. Weshalb die Natur manche Männchen so klein hält, dafür hatten Evolutionsforscher bisher keine Erklärung. Die aber liefern jetzt Guadelupe Corcobado und ihre Kollegen vom Institut für funktionelle und evolutionäre Ökologie im spanischen Almería im Fachblatt BMC Evolutionary Biology: Die kleinen Männchen kommen beim anderen Geschlecht öfter zum Zug, weil sie mit einem typischen Spinnentrick beweglicher sind als größere Rivalen.

„Geschlechtsdimorphismus“ nennen Biologen die oft deutlichen Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern. Einen triftigen Grund für solche Unterschiede zeigt genaue Beobachtung oft rasch. So wählen die Weibchen mancher Arten sehr sorgfältig, welcher Partner die besten Eigenschaften für den eigenen Nachwuchs mitbringt. Körperliche Stärke gehört zum Beispiel bei See-Elefanten unbedingt dazu und so kämpfen die Bullen heftig um das bei diesen Tieren wirklich schwache Geschlecht. Der Gewinner bekommt gleich einen ganzen Harem, den er aber immer wieder gegen Nebenbuhler verteidigen muss. Ein erfolgreicher Bulle sollte also möglichst kräftig sein. Im Laufe der Generationen hatten daher immer die größten Männchen die Nase vorn, heute sind sie rund viermal größer als die Weibchen, von denen eines immer noch 900 Kilogramm auf die Waage bringen kann.

Manchmal stellen Männchen auch unnötigen Luxus zur Schau. Damit zeigen sie potentiellen Partnerinnen, wie viel Energie sie übrig haben. Ein Hirsch zeigt diesen Luxus als großes Geweih, ein Pfau als buntes und großes Rad und viele Vögel als farbenprächtiges Federkleid oder aufwendigen Gesang.

Ganz anders sieht es bei Watvögeln, vielen Insekten und Spinnen aus: Da sind oft die Weibchen größer. Auch dafür gibt es eine gute Erklärung. Stärkere Weibchen können mehr Energie in ihre Nachkommen stecken und zum Beispiel mehr Eier legen oder mehr Nachwuchs groß- ziehen. Damit erklären Evolutionsbiologen zwar hervorragend die Größe der Weibchen. Weshalb Männchen klein bleiben, bleibt damit aber ein Rätsel.

Um diese Frage zu klären, haben Guadelupe Corcobado und ihre Kollegen das Verhalten von 204 Weibchen und Männchen von 13 verschiedenen Spinnenarten in einem Windkanal untersucht. Den Forschern war aufgefallen, dass viele Arten mit sehr kleinen Männchen in der Vegetation leben und sich dort teilweise mit Hilfe von selbst gebauten Brücken fortbewegen. Das demonstrierten die Spinnen dann auch im Windkanal: Sie lassen einen Spinnenfaden so gezielt vom Wind tragen, dass er zum Beispiel an einem Grashalm hängenbleibt, den sie ohne diese Kletterhilfe nur viel umständlicher erreichen könnten. Kopfüber hängen sie sich dann an diese einfache Hängebrücke und hangeln sich zu ihrem Ziel.

Die Windkanal-Experimente zeigen ganz deutlich, dass vor allem kleinere, leichtere Tiere solche Drahtseilkunststücke zur Fortbewegung nutzen. Ganz ähnlich verhält es sich bei Hochseilartisten im Zirkus, die auch eher zierlich als übergewichtig durch die Kuppel balancieren. Sind bei einer Spinnenart die Männchen erheblich kleiner als ihre Partnerinnen, hangeln sie sich in den Windkanalversuchen auch häufiger durch die Vegetation. Damit sind sie aber auch viel beweglicher – und kommen besser und schneller zu einer Partnerin als schwergewichtige Männchen. Die guten Akrobaten können also mehr Weibchen besuchen und haben mehr Nachwuchs. Manchmal führt also das genaue Gegenteil der puren Kraftmeierei nach See-Elefanten-Vorbild besser zum Ziel – auch wenn beide Typen natürlich auf ihre jeweils eigene Weise „Machos“ sind.

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