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Böses Blut. Eine von 4 Millionen Bluttransfusionen führt zu einer HIV-Infektion.

© ddp

Blut und Knochenmark: Schwule Spenden

Schwule dürfen nach den Regeln der Bundesärztekammer weder Blut noch Knochenmark spenden. Doch immer lauter werden die Stimmen derer, die dies diskriminierend finden.

Vor sechs Jahren erhielt Lars Martens die Nachricht, dass sein Knochenmark das Leben eines Mannes retten könnte. Eigentlich eine klare Sache, schließlich hatte der Journalist sich Jahre vorher genau deswegen für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) gemeldet. Aber Lars Martens ist schwul – und darf deswegen nach den Regeln der Bundesärztekammer weder Blut noch Knochenmark spenden.

Der Grund: Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), haben ein höheres Risiko, sich mit dem Aidsvirus HIV zu infizieren. Darum schließen Ärzte sie pauschal von der Blutspende aus, genau wie andere Risikogruppen: Drogenabhängige, Häftlinge und Prostituierte.

Weil Martens sich für die DKMS gemeldet hatte, bevor ihm klar war, dass er schwul ist, stand er plötzlich vor einer schweren Entscheidung: „Sollte ich lügen, um möglicherweise ein Leben zu retten?“ Martens entschied sich dafür. Er spendete einem 42-jährigen Familienvater in Amerika Knochenmarkszellen – und neun Monate Lebenszeit. Seither setzt sich Martens mit dem Verein „Schwules Blut“ dafür ein, Schwule zu Blut- und Knochenmarkspenden zuzulassen. Und damit steht er nicht allein.

Immer lauter werden die Stimmen derer, die den Ausschluss von der Blutspende diskriminierend finden. Bei der EU wird über die Regelung genauso diskutiert wie bei der Weltgesundheitsorganisation. Und vor wenigen Tagen forderten einige HIV-Forscher im Fachblatt der kanadischen Ärzteschaft „CMAJ“, den Ausschluss Schwuler von der Blutspende zurückzunehmen. Nicht nur, weil Schwule mit Häftlingen und Drogenabhängigen auf eine Stufe gestellt werden. „Der Status quo lässt sich angesichts der verbesserten Tests einfach nicht mehr rechtfertigen“, sagt Norbert Gilmore, einer der Autoren.

Auch der deutsche Aids-Forscher Jürgen Rockstroh von der Universität Bonn sieht Diskussionsbedarf: „Da werden viele Menschen ausgeschlossen, von denen gar kein Risiko ausgeht.“ Entscheidend für das Risiko sei schließlich nicht die sexuelle Orientierung, sondern das individuelle Risikoverhalten. „Ein Schwuler, der seit Jahren in einer festen Beziehung ist, hat ein niedrigeres Risiko als ein Heterosexueller, der jede Nacht mit einer anderen schläft und kein Kondom verwendet“, sagt Martens. Die Forderung: Schwule nur dann auszuschließen, wenn sie im Fragebogen angeben, sich sexuell riskant zu verhalten.

Die meisten Ärzte halten das aber nicht für praktikabel. Zu viele Menschen wüssten eben nicht, was genau riskantes Verhalten sei. „Dann müssten wir mit jedem Spender ein langes erklärendes Gespräch führen. Das können wir nicht leisten“, sagt Friedrich-Ernst Düppe, Pressesprecher der Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes. Außerdem könnten so Spender vergrault werden. „Die Leute kommen zur Spende, wir wollen da nicht ihr Privatleben ausbreiten“, sagt Ruth Offergeld, Transfusionsmedizinerin am Robert-Koch-Institut.

Und sich allein auf die Tests verlassen, das will auch niemand. Denn es kommt bei jedem Test auch zu Fehlern. Vor allem aber lässt sich eine HIV-Infektion in den ersten zehn bis 14 Tagen immer noch nicht nachweisen. „Sie werden keinen Test finden, der eine ganz frische Infektion ausschließt“, sagt Susanne Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut. „Deswegen müssen homo- und bisexuelle Männer ausgeschlossen bleiben, solange die Zahlen belegen, dass sie besonders hohe Infektionsraten haben.“ Und das belegen diese sehr eindrücklich: Das Risiko eines schwulen Mannes in Deutschland, sich mit dem Aidsvirus zu infizieren, ist hundertmal höher als das eines heterosexuellen Mannes.

Tatsächlich sind Blutspenden in Deutschland sehr sicher. Laut einer aktuellen Studie infiziert sich in Deutschland nur bei einer von 4,3 Millionen Bluttransfusionen ein Mensch mit dem Aidsvirus. Zwischen 2000 und 2008 gab es insgesamt fünf solche Fälle. „Wir werden nie hundert Prozent Sicherheit erreichen, aber wir wollen möglichst nah herankommen“, sagt Susanne Stöcker.

Dass schwule oder bisexuelle Männer bald in Deutschland Blut spenden dürfen, ist also unwahrscheinlich. Zumindest die Sprache des Fragebogens dürfte sich aber ändern. So sollen künftig Häftlinge und Drogenabhängige nicht mehr an derselben Stelle genannt werden wie MSM. Und auch auf heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten soll nun hingewiesen werden. „Das wäre schon ein großer Schritt vorwärts“, sagt Martens.

Außerdem spricht vieles dafür, dass Schwule bald zumindest in die DKMS aufgenommen werden dürfen. Das berichten Personen, die mit den Beratungen vertraut sind. Schließlich sei der Kontakt zum Spender in diesen Fällen sehr viel enger. Außerdem gebe es häufig nur wenige Spender, die infrage kämen. Im Klartext heißt es dann manchmal: Entweder ein schwuler Spender oder gar keiner. Kai Kupferschmidt

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