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Vor 15 Jahren wurde die Bologna-Erklärung unterschrieben. Die Studienstruktur im Bachelor stand immer wieder in der Krititk.

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Gastbeitrag: Bologna kann’s noch besser

Ob Mobilität erhöhen oder Bafög an die Lebens- und Studienwirklichkeit anpassen: 15 Jahre nach der Bologna-Erklärung ist die Studienreform noch lange nicht abgeschlossen, sagen Kai Gehring (Grüne) und Ernst Dieter Rossmann (SPD) in einem Gastbeitrag.

Damit ist Bologna – Heimat der ältesten Universität Europas von 1199 – noch einmal zu besonderen Ehren gekommen. Vor 15 Jahren besiegelten dort am 19. Juni die Wissenschaftsminister aus 29 europäischen Staaten, darunter auch Deutschland, die Einführung eines europäischen Hochschulraums. Inzwischen gibt es beachtliche 47 Teilnahmestaaten an diesem Projekt, dessen Ziel gleichermaßen konkret wie visionär ist. Der Bologna-Prozess sollte die tiefgreifendste internationale Hochschulreform seit hundert Jahren werden, als die Universitäten staatsnah wurden. Höhere Mobilität und Studienerfolge, mehr Praxisnähe und Berufsorientierung sind die Leitziele dieser Hochschulreform des 21. Jahrhunderts.

Die erste Dekade war gekennzeichnet durch Umstellungsprobleme

Die erste Dekade der Bologna-Reform war hierzulande allerdings gekennzeichnet durch große Umstellungsprobleme: von überstrukturierten Studiengängen über zu hohe Arbeitsbelastung der Studierenden bis zur mangelhaften Anerkennungsquote. Der Unmut über die Unterfinanzierung der Hochschulen im Allgemeinen und die Studienreform im Speziellen kulminierten 2008/2009 in einer großen Protestwelle der Studierenden. Die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bezeichnete die Proteste anfangs als „gestrig“.

Nach und nach setzte sich dann bei allen Verantwortlichen in Bund, Ländern und in den Hochschulen die Erkenntnis durch, dass die Umsetzung von Bologna in Deutschland ernst zu nehmende Mängel aufwies, die es zu beseitigen galt und gilt. So kam die Reform zunehmend in den Hochschulen an. Und doch gibt es bis in die Gegenwart dabei Frontstellungen, die mit Emphase zugespitzt werden, wie zuletzt noch durch Dieter Lenzen in seiner Streitschrift „Bildung statt Bologna“. Diese Alternative ist aber weder zeitgemäß noch sachgerecht.

Der Prüfungsdruck ist gemindert

Die Änderungen der Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz haben die Regelstudienzeiten flexibilisiert, den Prüfungsdruck gemindert und die Hochschulen im Rahmen von Re-Akkreditierungen die Studiengänge entschlackt. Die Auslandsförderung beim Bafög ist erweitert und die Altersgrenze für die Förderung eines Masterstudiums angehoben worden. Dennoch ist die Reformkorrektur noch nicht abgeschlossen.

Beim Auslandsstudium wird eine Anerkennungsgarantie gebraucht

Konkret: Die stagnierende Auslandsmobilität in den Bachelorstudiengängen an den Universitäten ist ein Indiz für den Nachholbedarf, Bachelorstudiengänge zu flexibilisieren und Zeitfenster für Mobilität einzuziehen. 2013 wurde noch immer ein Drittel der im Ausland erbrachten Studienleistungen nicht anerkannt. Das ist mobilitätsfeindlich und demotiviert Studierende. Statt einer bürokratischen und überpeniblen Anerkennungspraxis der Universitäten und Fakultäten brauchen Studierende eine grundsätzliche Anerkennungsgarantie.

Eine große Bologna-Baustelle hierzulande bleibt die soziale Öffnung der Hochschulen. Kinder aus Nichtakademikerhaushalten sind an Hochschulen weiter unterrepräsentiert. Damit es nicht bei ersten Lockerungen dieser Sozialschranke bleibt, brauchen wir deutlich mehr Studienplätze im Bachelor wie im Master, flächendeckend bessere Studienbedingungen und -beratung und ein Bafög, das zum Leben reicht und zur Bologna-Studienrealität passt. Was wir nicht brauchen, sind Debatten um eine vermeintliche „Akademikerschwemme“, denn ihre Konsequenzen sind neue Hürden und soziale Exklusion beim Hochschulzugang.

Der Bachelor muss Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt finden

Entwicklungsbedarf gibt es auch bei der Umstellung auf die zweistufige Studienstruktur. Der Bachelor ist als erster vollwertiger Abschluss konzipiert. Dementsprechende Akzeptanz muss er auf dem Arbeitsmarkt finden. Bachelorabsolventen sind keine Akademiker zweiter Klasse, sondern brauchen attraktive Einstiegsbedingungen in die Berufswelt. Das gestufte System ist eine große Chance, die Kultur des lebenslangen Lernens hierzulande voranzubringen. Ein Bachelor oder ein Master bedeutet nicht das Ende der Bildung – in späteren Lebensabschnitten muss Weiterqualifizierung möglich sein.

Aus der bloßen Studienstrukturreform muss eine echte Qualitätsreform werden, die dann auch ein modernes Bildungsverständnis der Integration von Theorie und Praxis, von methodischer Kompetenz und exemplarischer Vertiefung umsetzt. Dafür müssen sowohl Bund und Länder als auch die Hochschulen weiter an einem Strang ziehen. Bologna muss dann kein Gegensatz zu Bildung sein, sondern kann ein wichtiger Beitrag werden, unser Land zu einer innovativen, international vernetzten und lebenslangen Wissensgesellschaft zu entwickeln.

- Ernst Dieter Rossmann ist bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Kai Gehring ist Sprecher für Hochschul- und Forschungspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion.

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