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Caribic

© promo

''Caribic'': Forschung im Vorbeiflug

Ein Labor an Bord eines Verkehrsflugzeugs misst Veränderungen in der Atmosphäre.

Von außen unterscheidet sich die „Leverkusen“ kaum von den übrigen Lufthansa-Maschinen. Nur drei kleine Metallröhren ragen unten aus dem Rumpf heraus; an einer Stelle, die die Passagiere beim Einsteigen gar nicht zu sehen bekommen. Im Inneren jedoch ist einiges anders. Dort gibt es für die Koffer, Taschen und Lieferkisten weniger Platz als gewohnt, denn im Frachtraum steht bereits ein großer Blechcontainer – vollgestopft mit Messtechnik. Damit wird automatisch die Zusammensetzung der Luft in zehn Kilometern Höhe analysiert, die durch die drei Metallröhren ins Innere des Hightech-Kastens strömt.

Der Name des Forschungsprojekts, „Caribic“ (Civil Aircraft for the Regular Investigation of the Atmosphere Based on an Instrument Container), bedeutet so viel wie „Regelmäßige Erforschung der Atmosphäre mithilfe eines Messcontainers in einem Passagierflugzeug“. Aber wohl nicht ganz zufällig suggeriert die Bezeichnung auch, dass die Leverkusen nicht nur Daten über Deutschland sammelt. Nach Brasilien und Chile, auf die Philippinen und nach China wurde der Airbus seit dem Programmstart im Jahr 2004 bereits geschickt. Weil der Messcontainer auf mehreren Linienflügen an Bord genommen wird, können die Klimaforscher die Veränderungen der Atmosphäre in bestimmten Regionen über längere Zeit beobachten – wie etwa die Auswirkungen des gegenwärtigen Monsuns über Indien.

Vor kurzem ging die aktuelle Messkampagne zu Ende. Die Auswertung der Daten wird zwar noch einige Wochen dauern, doch erste Ergebnisse stehen schon fest. „Der Methangehalt über dem Subkontinent ist gegenwärtig um gut fünf Prozent höher als im Durchschnitt“, berichtet Tanja Schuck, die als Physikerin am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz (MPI) forscht.

Der Anteil der organischen Moleküle in der Luft beträgt jetzt rund 1900 parts per billion, also Milliardstel. Das hört sich undramatisch an, ist es aber keineswegs. Methan ist ein Treibhausgas und wirkt etwa 21-mal stärker auf das Klima wie die gleiche Menge Kohlendioxid. Bislang wissen die Atmosphärenforscher nur sehr wenig darüber, woher welche Mengen an Methan kommen. Doch dieses Wissen sei nötig, um vernünftige Klimamodelle zu machen, sagt Schuck.

Die Physikerin hatte Glück: Von Mai bis August flog der Caribic-Container zweimal im Monat an Bord der Leverkusen von Frankfurt am Main an die indische Ostküste nach Madras, das heute Chennai heißt. Neun Stunden hin, zehn Stunden zurück. Genügend Zeit für Klimaforschung. Die Hightech-Box trägt Instrumente, mit denen sich direkt über den Wolken der Gehalt verschiedener Gase messen lässt. Je nachdem, wie aufwendig die Prozedur ist, geben die Geräte unterschiedlich häufig die neuesten Daten an den mitfliegenden Computer weiter: Während Kohlenmonoxid im Sekundentakt gemessen wird, dauert es bei Quecksilbergas schon zwei Minuten. Rund 50 Gase und Schwebeteilchen – von den Wissenschaftlern als Aerosole bezeichnet – kann Caribic erfassen. Bei einigen lässt sich die Konzentration nur schwer messen, so dass es einfacher ist, in regelmäßigen Abständen Luftproben zu nehmen und diese später im Labor zu untersuchen. Dafür stecken 28 Glasbehälter in dem Container; beim Flug nach Madras und zurück wurde alle Dreiviertelstunde einer befüllt.

Als Physikerin Schuck die Proben in ihrem Mainzer Labor analysierte, wurde ihr Verdacht bestätigt: Während der Monsunzeit nimmt der Methangehalt über dem indischen Subkontinent spürbar zu. „In diesem Jahr hat die Monsunsaison ungewöhnlich zeitig begonnen“, berichtet die Forscherin. Schon im Mai hätten kräftige Niederschläge eingesetzt. Grund dafür ist die geneigte Erdachse: Dadurch heizt sich das Hochland von Tibet im Sommerhalbjahr stark auf, die warme Luft steigt nach oben und in die entstehende Lücke über dem Erdboden strömt feuchte Luft vom Indischen Ozean. Auf dem Weg nach Tibet verliert sie allerdings einen guten Teil des Wassers – es regnet.

Mit den Niederschlägen kommt auch das Methan. „Das Gas entsteht, wenn organisches Material, zum Beispiel Pflanzen, ohne Sauerstoff verrottet“, sagt Schuck. Genau das passiert, wenn der Monsun weite Teile des Landes unter Wasser setzt. Aber auch Rinder und Schafe erzeugen enorme Mengen Methan.

Noch können die Forscher nicht genau sagen, welche Mengen des Gases aus den einzelnen Regionen – landwirtschaftliche Flächen oder Megacities – kommen. Denn sie messen nur die Konzentration in der Luft, und die ergibt sich aus dem Wechselspiel zwischen neuen Emissionen und dem chemischen Abbau von Methan zu Kohlendioxid. „Ich schätze aber, dass der Methanausstoß Indiens im Sommer um ein Vielfaches höher ist als im Winter“, sagt die MPI-Forscherin. Weiteren Aufschluss sollen die noch folgenden Messungen bringen. Voraussichtlich bis Jahresende wird das Caribic-Labor auf der Route Frankfurt-Madras fliegen, bevor sich die Forscher einem neuen Himmelsabschnitt widmen.

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