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Chemie und Politik: Bundeskanzlerin Merkel ehrt ihren akademischen Lehrer Rudolf Zahradník

Bundeskanzlerin Angela Merkel steckt in diesen Tagen in intensiven Verhandlungen über die zukünftige große Koalition. So musste es schon einen besonderen Grund geben, dass sie am vergangenen Donnerstag ein akademisches Geburtstags-Symposium besuchte.

Und den gab es. Geehrt wurde an diesem Nachmittag in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt mit dem tschechischen Chemiker Rudolf Zahradník, 85, ein Forscher, den die promovierte Physikerin Merkel als ihren wissenschaftlichen Lehrer bezeichnet und mit dem sie offenkundig eine Freundschaft verbindet – wie auch mit dem zweiten „Geburtstagskind“, dem Berliner Chemiker Helmut Schwarz, 70. Zahradník war als Quantenchemiker an der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften in Prag schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs international anerkannt, zugleich ließ er sich jedoch nicht vom System vereinnahmen. Wenn man unter sich war, nahm man kein Blatt vor den Mund, erinnerte sich der Chemiker Joachim Sauer von der Humboldt-Universität in seiner Laudatio. Zahradník habe viele ermutigt, in der Diktatur unabhängig zu bleiben. „Wir waren uns einig, dass dieses System untergehen muss“, sagte Sauer. „Es war nur auf die Mauer und sowjetische Panzer gestützt.“

Wie Angela Merkel, die er 1998 heiratete, hatte Sauer über viele Jahre enge wissenschaftliche Kontakte zu Zahradník. Der Chemiker habe den Enthusiasmus für die Wissenschaft in ihm geweckt. Auch deshalb sei die Ehrung „ein sehr bewegender Moment für mich“, sagte Sauer, der das Symposium als gemeinsame Veranstaltung der Berliner und der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik organisiert hatte.

Eng verbunden ist Sauer ebenfalls seinem Kollegen Helmut Schwarz von der Technischen Universität. Und das nicht nur fachlich. Sauer und Merkel eint mit Schwarz die Leidenschaft für klassische Musik. Ein privilegierter Zugang zu Tickets für die Berliner Philharmoniker sei denn auch der wahre Grund, warum Schwarz die Stadt nicht verlassen habe, obwohl er als international renommierter Wissenschaftler viele Angebote bekommen habe, scherzte Sauer.

Er sei stolz, in Berlin geblieben zu sein, erwiderte Schwarz, seit 1978 TU-Professor, in seiner Schlussbemerkung. Und erinnerte an seine erste Begegnung mit den Kollegen aus dem Osten: 1988 sei er in einer amerikanischen Fachzeitschrift auf eine Studie gestoßen, die mustergültig in ihrer Klarheit und Tiefe des Denkens gewesen sei. Zu den Autoren zählten Angela Merkel und Rudolf Zahradník. Damals hätten Charlottenburg, Standort der TU, und Adlershof, Standort der DDR-Akademie, an der Merkel forschte, Welten getrennt.

Quanten- und Katalysatorchemie, wie sie Zahradník, Sauer und Schwarz betreiben, sind anspruchsvoll und stecken voller Mathematik und Physik. Was bewegt Wissenschaftler, sich in so schwieriges Terrain zu begeben? Gerhard Ertl vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft treibt die Frage um, wie aus dem scheinbaren Chaos atomarer Prozesse Ordnung entsteht – und aus Ordnung Chaos. Ertl zeigte das in seinem Vortrag auf dem Symposium am Beispiel von chemischen Prozessen an Oberflächen.

Ändert man Bedingungen wie die Temperatur, dann beginnen sich umherirrende Sauerstoffatome regelmäßig zu sortieren, in einer anderen Reaktion entstehen wie aus dem Nichts Spiralmuster. Aber es gibt auch zerstörerische Prozesse aus dem turbulenten Chaos, etwa Tsunami-Wellen. „Selbst die Ökonomie kann chaotisch werden“, sagte Ertl. Und endete mit einem Zitat aus Goethes Faust: „Wer sie nicht kennte, die Elemente, ihre Kraft und Eigenschaft, wäre kein Meister über die Geister.“ Hartmut Wewetzer

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