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Grundlage eines Nobelpreises. An einem solchen Labortisch - hier ein Nachbau im Deutschen Museum in München - gelang am 17. Dezember 1938 der Nachweis der Kernspaltung.

© dpa

75 Jahre Kernspaltung: Das zerplatzte Atom

Die wissenschaftliche Grundlage für Atombomben, aber auch für Strom aus Kernkraftwerken, wurde vor 75 Jahren in Berlin-Dahlem entdeckt. Die Experimente von Otto Hahn und Fritz Straßmann zeigten: Neutronen können zu einer Kernspaltung führen, bei der viel Energie frei wird. Dafür gab es den Nobelpreis - aber nur für einen Forscher.

Unscheinbar, geradezu langweilig erscheint der Labortisch, der heute im Deutschen Museum in München zu sehen ist. Es ist der Nachbau einer Versuchsanordnung, die vor 75 Jahren im Dahlemer Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie aufgebaut war. Die Resultate lösten eine Revolution in der Physik aus und prägen den Lauf der Geschichte bis heute. Am 17. Dezember 1938 gelang damit Otto Hahn und Fritz Straßmann der Nachweis der Kernspaltung – mit maßgeblicher Unterstützung durch Lise Meitner, die zu dieser Zeit bereits emigriert war und die Ergebnisse des Experiments richtig zu interpretieren half.

Es gibt wohl kein zweites Ereignis der modernen Wissenschaftsgeschichte, das so gravierend die Existenz der Menschheit beeinflusst hat. Die Entdeckung der Kernspaltung leitete das „Atomzeitalter“ ein, das den Menschen in Gestalt der spaltbaren Atomkerne eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle an die Hand gab, die zugleich aber auch die Möglichkeit der Selbstausrottung eröffnete.

Die Entdeckung in Dahlem war das Ergebnis eines Wettlaufs, an dem damals die führenden kernphysikalischen Labors der Welt beteiligt waren. Es ging darum, durch die Bestrahlung der bekannten chemischen Elemente mit Neutronen neue radioaktive Strahlen herzustellen und auch neue Elemente zu erzeugen, die schwerer waren als Uran, des damals letzten Elements des Periodensystems.

Die Forscher glaubten sich auf gutem Wege - und irrten

An diesem Wettstreit waren Otto Hahn und Lise Meitner maßgeblich beteiligt. Jahrelang glaubte das Forscherduo vom Dahlemer Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, zu dem später noch Fritz Straßmann hinzustieß, den überschweren „Transuranen“ erfolgreich auf der Spur zu sein. Im Sommer 1938 emigrierte Meitner, um der nationalsozialistischen Rassendiskriminierung zu entgehen und wurde dadurch um die Früchte ihrer Forschungsarbeit gebracht. Hahn und Straßmann erkannten nämlich wenig später, dass die exakte chemische Analyse ihrer Strahlungsprodukte nur einen Schluss zuließ: Durch die Neutronenbestrahlung hatten sie keineswegs Transurane erzeugt, vielmehr war der Atomkern des Urans in zwei etwa gleich große Stücke gespalten worden, Barium und Krypton.

Ungläubig informierte Hahn seine einstige Kollegin und Vertraute im schwedischen Exil über die Versuchsergebnisse, die der gängigen Vorstellung vom unteilbaren Atom völlig zuwiderlief. Noch während der Weihnachtsferien lieferte Lise Meitner zusammen mit ihrem ebenfalls aus Deutschland vertriebenen Neffen Otto Robert Frisch eine erste physikalische Erklärung für das „Zerplatzen“ des Urankerns und wies darauf hin, dass bei diesem Vorgang eine gewaltige Energiemenge frei wird. Am 6. Januar 1939 wurde die Entdeckung veröffentlicht und erregte weltweites Aufsehen. Rasch wurde ihre große wissenschaftliche Bedeutung erkannt, aber auch das gewaltige technische und militärische Potenzial.

Ein Berliner Institut wurde nach den Entdeckern benannt

Die Folgen sind bekannt: die todbringenden Bomben von Hiroshima und Nagasaki, jahrzehntelanges Wettrüsten und Abschrecken, aber auch große Mengen Elektroenergie aus Kernkraftwerken und ein bis heute ungelöstes Abfallproblem. Vor allem die militärische Nutzung ihrer Entdeckung machte den Wissenschaftlern zu schaffen. Hahn und Straßmann unterzeichneten 1957 die Göttinger Erklärung gegen strategische Atomwaffen. Auch Meitner wollte mit derartigen Entwicklungen nichts zu tun haben.

Der Nobelpreis, den Hahn 1944 für die Entdeckung der Kernspaltung verliehen bekam, blieb ihr – wie auch Straßmann – verwehrt. Allerdings wurden die führenden Forscher noch zu Lebzeiten im Namen des Berliner „Hahn-Meitner-Instituts für Kernforschung“ geehrt, das 1959 gegründet wurde und 2009 im Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie aufging.

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