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Unterirdisches Idyll. In Harnekop kann der Führungsbunker des Ministeriums für Nationale Verteidigung besichtigt werden.

© picture-alliance /dpa

DDR-Museen: Willkommen im spießigen Schurkenstaat

Museen und Gedenkstätten zeigen die DDR als kuriose Mangelwirtschaft, militärischen Technikpark oder gigantisches Gefängnis. Doch eine seriöse Aufarbeitung der DDR-Geschichte steht noch aus.

Die DDR ist nicht so unbekannt und vergessen, wie gerne behauptet wird. Aspekte der Geschichte des anderen deutschen Staates sind mit musealen Mitteln thematisiert. Allerdings folgen die meisten, die das Feld der Erinnerung an die DDR bestellen, mit lautstark-fröhlichem Dilettantismus den Gesetzen des Marktes. In den zahlreichen Erinnerungsorten wird auf den Unterhaltungswert der Alltagskultur oder der Schrecken des Gewaltregimes gesetzt, nicht auf Erkenntnis und Einsicht in Staat und Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik.

Die DDR ist im Schaugeschäft als Objekt der Nostalgie und als schaurige Attraktion des Fremdenverkehrs präsent. Zahllose Sammler zeigen ihre Schätze an vielen Orten von Usedom im Norden bis Pforzheim am Rand des Schwarzwalds. Faszinosa sind die Verkehrsmittel, mit denen man sich in der DDR bewegte, oder Gebrauchsgegenstände, die in immer noch anschwellenden Quantitäten dargeboten werden.

Ein Produkt des Sammlerfleißes ist etwa das DDR-Museum in Radebeul, dem Vorort Dresdens, der vor allem als Wohnsitz Karl Mays berühmt wurde. In einem DDR-typischen Verwaltungsgebäude treffen die Relikte des Alltags auf ein dankbares Publikum, das zum einen mit ethnologisch interessiertem westlichen Blick die Exotik des untergegangenen zweiten deutschen Staates zu erfassen hofft. Zum anderen setzt es sich aus ehemaligen DDR-Bürgern zusammen, die an der Warenwelt einer zurückliegenden Lebenszeit Erinnerungen bestätigen wollen.

Auf vier Stockwerken wird nach dem Konzept des alten Heimatmuseums verfahren, in dem unreflektiert Relikte aus vergangenen Zeiten deponiert und zur Schau gestellt sind. Das Unternehmen „Zeitreise DDR-Museum Radebeul“ belegt mit dieser Methode eine beachtliche Zahl von Quadratmetern und lockt mit flotten Sprüchen zum Geschichtserlebnis.

Das Erdgeschoss ist vor allem ein Automobil- und Motorradmuseum, bestückt mit zahlreichen Oldtimern wie IFA F9, Sachsenring, P70, Trabant, Barkas, Wartburg in allen Varianten einschließlich Campinganhänger und Sondernutzungen von Post und Polizei. Das gibt einen schönen Überblick über die Produktionsgeschichte, vor allem aber Stoff zum nostalgischen Fachgespräch zwischen Rentnern, die einen Großteil der Besucher stellen. Wie unter Sammlern üblich, bieten die Erläuterungen technische Details zum Exponat, selten werden politische oder ökonomische Hintergründe erklärt.

In vielen Räumen werden Annäherungen an den Alltag der Werktätigen inszeniert. Maschinen und Werkzeuge sollen die Illusion von Arbeitsstätten erzeugen, inklusive vergilbter Pin-up-Fotos oder einer mit Postkarten aus dem Urlaub drapierten Tür. Ein Sammelsurium einschlägiger Geräte soll den Eindruck eines Frisiersalons beziehungsweise den einer medizinischen Ordination erwecken. Ein Laden ist eingerichtet, weitere Räume dienen der Zurschaustellung von Fahrrädern und Kinderrollern nebst einer Betonmischmaschine. Ein Zimmer ist angefüllt mit Kinderspielzeug, ein Raum bietet Schreib-, Rechen- und Buchungsmaschinen dar. In einem anderen sind eine DDR-Fahne, Uniformen sowie Orden und Ehrenzeichen ausgestellt. Eine stattliche Auswahl von Rasenmähern ziert den Flur, in dem auch Vitrinen mit der Konsumwelt der DDR für Wiedersehensfreude sorgen.

Für „Staat und Institutionen“ stehen ein Postamt, der Abfertigungsbereich einer Bahnstation, Relikte der NVA, der Volksmarine und der DDR-Fischerei. In den historischen Kontext eingeordnet wird dies auf Schildern, die lakonisch Daten und Fakten künden. Zwei Beispiele: „1953, 20. April, Erhöhung der Preise für rationierte Lebensmittel“ und „1953, 17. Juni, Volksaufstand, nach offizieller Lesart ‚Faschistischer Putschversuch’“.

Möglicherweise verlassen einstige DDR-Bürger oder naive Besucher aus dem Westen das Haus mit dem Gefühl, einen tiefen Blick in die Geschichte getan zu haben. Den denunziatorischen Charakter der Darbietung, die das Plüschige in den Vordergrund rückt, den kleinbürgerlichen Mief der Mangelgesellschaft, die Wucht des Wohnzimmers erkennen – im schlimmsten Fall mit Triumphgefühlen – eher die Besucher aus dem Westen. An deren Überlegenheitsgefühl wird appelliert. Sie dürfen ihre Vorurteile und Überzeugungen bestätigt sehen. Sie wissen jetzt, was sie schon immer wussten über die schlechte Produktqualität, über den latenten Mangel, die Schattenwirtschaft, die Beengtheit, das elende Leben unter dem Unrechtsregime.

Wiedersehensfreude. Eine Wohnküche im „Zeitreise DDR-Museum Radebeul“.

© ddp

Auch die beiden ehemaligen Haftanstalten Berlin-Hohenschönhausen (Stasigefängnis) und Bautzen (DDR-Strafvollzug) thematisieren das Spannungsfeld von individueller Erfahrung und kollektiver Erinnerung. Ehemalige Gefangene sind geleitet vom Bedürfnis nach öffentlicher Anprangerung des Systems, das ihre Leiden verursacht hatte. Politiker erstrebten ein Gegengewicht zu den Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus durch Erinnerungszeichen für die Opfer des Kommunismus. Dem nationalsozialistischen Terror, dessen in Buchenwald gedacht wird, sollte ein Pendant zur Erinnerung an den Stalinismus gegenübergestellt werden.

Politischer Streit zwischen den Parteien und Kämpfe zwischen Opferverbänden und Gedenkstättenverantwortlichen waren auch in Bautzen die Folge, insbesondere prallten die Gegensätze aber in Berlin-Hohenschönhausen aufeinander. Dort überlässt der fachlich umstrittene, aber von konservativen Politikern hoch gelobte Direktor in einzigartiger und höchst bedenklicher Weise den Opfern die Deutungshoheit und setzt auf Schockpädagogik gegenüber den Besuchern.

Unter den Erlebnismuseen wiederum scheinen sich militärische Objekte besonderer Beliebtheit zu erfreuen, Bunker, die in der Regel als „Atombunker“ tituliert sind. In Prenden bei Berlin etwa ist der „Honecker-Bunker“ zu besichtigen, bei Biesenthal kann das „Objekt 17/5005 des MfS“ besucht werden. Das war die unterirdische Führungsstelle des Ministeriums für Staatssicherheit, die Erich Mielke und 160 Mitarbeitern auf 2500 Quadratmetern Überleben und Arbeitsmöglichkeit im Kriegsfall bieten sollten.

Nordöstlich von Berlin, bei Strausberg, befand sich beim Dorf Harnekop, im Wald gut getarnt, von Zäunen, einer Hochspannungssicherungsanlage und Wachsoldaten geschützt, der Führungsbunker 01 des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR. Die drei Etagen des Bauwerkes wurden 1971 bis 1976 errichtet, der Zugang erfolgte durch das darüber stehende Stabsgebäude, das offiziell Schulungen diente. Angeblich ahnte im Dorf Harnekop niemand, dass im Kriegsfall hier die Kommandozentrale der NVA, das Relais zum Oberkommando des Warschauer Paktes, sein würde. Eine kleine Mannschaft tat hier Dienst im 24-Stunden-Schichtbetrieb, im Ernstfall wären 450 hochrangige Militärs und der Minister als „Kampfbesatzung“ eingezogen. Sie hätten den ersten Monat eines Atomkriegs in hermetischer Autarkie überstehen können.

Man kann im Bunker übernachten, unter der Erde Hochzeit feiern, nächtliche Bunkerführungen buchen, eine Imbissgastronomie (nach NVA-Rezepten) in Anspruch nehmen, Kremserfahrten unternehmen, ein Museum für DDR-Fahrzeuge oder ein Museum für NVA-Nachrichtentechnik besuchen oder bei einer Paint-Ball-Schießerei fröhlich sein.

Vor allem aber soll man im Bunker Harnekop und in seinem Ambiente die militärtechnischen Leistungen der DDR bewundern. Anlage und Einrichtung wirken überaus authentisch. Den Anspruch, die Geschichte des Kalten Krieges anschaulich zu machen, löst der Förderverein, der die Anlage betreibt, aber nicht ein. Vom politischen Kontext des Bunkerbaus, vom Bedrohungsgefühl der DDR, vom Freund-Feind-Denken der Konfrontation der beiden deutschen Staaten, ist keine Rede. Reflexion darüber liegt den Betreibern des historischen Denkmals fern.

In den meisten musealen Inszenierungen erscheint die DDR, je nach Intention, als Gefängnis, als militärischer Technikpark, als Konsumstrecke armer Leute, als Landschaft seltsamen Verkehrsgeschehens, als untergegangene Lebenswelt, an die nostalgische Annäherung leichtfällt. Reflektierter Umgang mit den Gründungsmythen und Rechtfertigungsstrategien, mit Ideologie und Zielen der Deutschen Demokratischen Republik als Gegenentwurf zur Bundesrepublik Deutschland findet in den musealen Anstrengungen und Einrichtungen nicht statt.

Die Reduktion der DDR zum Schurkenstaat entspricht zwar verbreiteter Überzeugung, blendet aber die Frage nach Alternativen in der Situation der Nachkriegsjahre nach dem Untergang des NS-Staats aus. Wenn die DDR von allem Anfang an illegitim war, erübrigt sich die Frage nach ihrer politischen Existenz. Wenn die Bürger des Staates DDR nur als Opfer einer Diktatur wahrgenommen werden, muss man nicht weiter nach Lebensentwürfen, Hoffnungen, Enttäuschungen in der Gesellschaft fragen. Die politische Geschichte der DDR wie ihre Sozialgeschichte müssen unbefangenen Blickes erst noch geschrieben werden. Das lehrt der Besuch der Museen und Dokumentationsstellen, der Sammlungen von Relikten und der Pflegestätten der Nostalgie. Eine seriöse Aufarbeitung der DDR-Geschichte im Medium Museum hat noch kaum begonnen.

- Der Autor ist Historiker und ehemaliger Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Sein Beitrag basiert auf einem Aufsatz für die Dezemberausgabe der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“.

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