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Verbotene Liebe. In der Oper sind es meist gesellschaftliche Tabus, heute eher Gendefekte. Im Bild Finnur Bjarnason als Tristan und Sinead Mulhern als Isolde.

© picture-alliance/ dpa

Starkes Gefühl: Die Liebesakademie

Mehr als Arterhaltung: Im Salon Sophie Charlotte am Gendarmenmarkt schickten Wissenschaftler vieler Disziplinen das Publikum auf eine vergnügliche Suche.

Zeit zum Chillen in der Liebes-Lounge blieb an diesem Samstagabend nicht. Der diesjährige Salon Sophie Charlotte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften war zwar der Liebe gewidmet, doch das Programm und das von Bühnenbildstudierenden der TU festlich in Szene gesetzte Haus am Gendarmenmarkt waren übervoll. Paare, Singles, Gruppen von Freunden, alte und junge Akademiemitglieder aller Disziplinen hatten sich zu diesem Fest vor allem mit Wissensdurst eingefunden, ging es doch um „Die Wissenschaft und die Liebe“.

Gottfried Wilhelm Leibniz, Philosoph und Briefpartner der preußischen Königin Sophie Charlotte hat einst geschrieben: „Lieben heißt, unser Glück in das Glück eines anderen zu legen.“ Das klingt so schön, dass man es den Kinderreportern, die im Treppenhaus nach einer Definition der Liebe fragten, gleich in den Block diktieren wollte. Heutige Wissenschaftler sind mit derart allgemeinen Äußerungen vorsichtiger geworden, selbst wenn sie nur die erotisch-sexuell-romantische Liebe unter die Lupe nehmen.

„Liebe ist ein pluralistisches Phänomen, aus ethnologischer Perspektive kann man nicht davon ausgehen, dass es eine universale und kulturfreie Liebe gibt“, warnte die Ethnologin Birgitt Röttger-Rössler von der FU. „Wen wir lieben, wie oft wir lieben, ob wir heiraten, ob wir uns trennen, all das ist nicht nur individuell, sondern stark von der Gesellschaft geprägt“, gab auch die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim zu bedenken, Autorin des Longsellers „Das ganz normale Chaos der Liebe“. Zum Beispiel wären William und Kate vor hundert Jahren wegen des Standesunterschieds wohl kein Paar geworden.

Doch warum rühren uns die tragischen Geschichten von Tristan und Isolde oder Pelléas und Mélisande mit ihrem Schmelz noch heute zu Tränen? Der Münchner Germanist und Theaterwissenschaftler Jens Malte Fischer brachte die „schönsten Liebestode der Opernliteratur“ zu Gehör und zeigte, wie die gesellschaftlich verbotene Vereinigung sich hier im Unisono der Stimmen buchstäblich im letzten Augenblick doch noch vollzieht.

Als „verboten“ könnte eine Liebe heute, im „Zeitalter genetischer Transparenz“, aus ganz anderen Gründen gelten: Stefan Beck vom Institut für Europäische Ethnologie der HU berichtete über die 30-jährige Zypriotin Anthoulla. Sie fiel bei einer Routinetestung als Trägerin der Erbanlagen für zwei Krankheiten auf, die in ihrer unmittelbaren Heimat häufig sind, Thalassämie und Cystische Fibrose. Mit einem Partner, in dessen Genen eine der Anlagen ebenfalls schlummert, würde sie mit 25-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein krankes Kind zeugen. „Wen soll ich jetzt noch heiraten?“, habe sie sich gefragt.

Dass Liebe heute keineswegs mehr automatisch zum Kinderwunsch und dieser nicht regelmäßig zum Kinderkriegen führt, lehren die Videointerviews zum interdisziplinären Akademien-Projekt „Zukunft mit Kindern“, die in der Rotunde der Akademie vorgeführt wurden.

Aus evolutionsbiologischer Sicht läuft aber alles auf die Erhaltung der Art hinaus. Den Biopsychologen haben es die Hormone angetan, die sich dabei nützlich machen. Etwa das belohnende Dopamin und das „Kuschel“-Hormon Oxytocin, das nicht allein bei der Geburt und beim Stillen, sondern auch bei der Bindung liebender Partner eine zentrale Rolle spielt. Beate Ditzen von der Uni Zürich hat in ihren Hirnscanner-Studien festgestellt: Wenn Menschen Fotos des geliebten Menschen sehen, wird ihr Belohnungssystem aktiviert. Werden sie mit einer kniffligen Aufgabe konfrontiert, reagieren sie weniger gestresst, sofern der vertraute Partner ihnen die Hand hält. Im Verlauf der Jahre nehme diese beruhigende Funktion der Liebe wohl zu. „Vielleicht ist sie dafür aber nicht mehr ganz so belohnend.“

Der Sozialpsychologe Manfred Hassebrauck von der Uni Wuppertal kann diesem Verlauf Gutes abgewinnen: „In der Phase des Verliebtseins sind wir schließlich für viele Aufgaben, die das Alltagsleben stellt, alles andere als gerüstet.“ Ideal sei es, wenn alle drei Dimensionen der Liebe, Intimität, Leidenschaft und Bindung, auf Dauer stark ausgeprägt blieben.

Kann die Wissenschaft dabei helfen? „Liebe als Lebensteilzeitprojekt kann man experimentell im Labor nicht sinnvoll erforschen“, gab der FU-Psychologe und Hirnforscher Arthur Jacobs zu bedenken. Aus Befragungen weiß man allerdings, dass es eine Beziehung dauerhaft lebendig hält, wenn man gemeinsam nicht nur viel Angenehmes, sondern immer wieder auch etwas Aufregendes erlebt. Buchautor und Tagesspiegel-Mitarbeiter Bas Kast versicherte seinen Zuhörern: „Wenn Sie heute Abend mit Ihrem Partner zusammen hier im Salon sind, tun Sie das gerade!“

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