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Schon Napoleon konnte die Köstlichkeiten Korsikas genießen.

© Jean-Daniel Sudres/hemis.fr/laif

Korsika: Die Macchia auf dem Teller

Korsika hat viele kulinarische Köstlichkeiten zu bieten. Das Fremdenverkehrsamt hat zehn "Straßen der authentischen Sinne" kreiert, um Touristen zu den Spezialitäten der Insel zu führen.

Monsieur Marcaggi steht hinter seinem Tresen und säbelt ein paar Scheiben von der luftgetrockneten Salami herunter. Zum Probieren. Unterdessen sagt er: „Napoleon hätte Korsika nie verlassen, wenn es zu seiner Zeit schon die ‚Routes des Sens Authentiques‘ gegeben hätte.“ Die Idee ist amüsant: Europas Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen, wäre der berühmte Korse geblieben, um die Genüsse der Insel zu erkunden.

Die vom korsischen Fremdenverkehrsamt kreierten „Straßen der authentischen Sinne“ führen auf zehn Routen vor allem durchs gebirgige Hinterland, um Touristen weg von den Küsten zu Abstechern ins Inselinnere zu locken. Reisende, die lieber in Strandnähe bleiben möchten, finden aber auch entlang der tausend Kilometer langen Meereslinie schöne Stationen. Um es vorweg zu schicken: Wer Strandleben sucht, ist an der Ostküste der Insel besser aufgehoben. Die Westküste zeigt sich viel schroffer, weist nur wenige sandige Strandabschnitte auf.

Wurst und Fleisch von freilaufenden Hausschweinen

Der kulinarische Streifzug beginnt in Ajaccio, Korsikas Verwaltungssitz im Westen. Eine Straßenecke von Napoleons Geburtshaus entfernt interessieren sich Kunden in Paul Marcaggis Spezialitätenladen „U Stazzu“ allerdings wenig für Betrachtungen über historische Politik. Die „Schäferhütte“ gilt als erste Adresse für korsische Produkte wie Würste, Schinken, Käse, Wein, Likör, Konfitüre, Honig, Oliven- und Haselnussöl, Essig oder Gebäck. Mehrmals wurde Marcaggi als bester Feinkost-Metzger Korsikas ausgezeichnet. Von der Decke des Ladens baumeln Schinken und Würste aus dem aromatischen Fleisch halbwilder, freilaufender Hausschweine, die sich in den Wäldern von Kastanien und Eicheln ernähren. Figatellu heißt eine geräucherte grobe Wurst aus Leber, Speck und Innereien. Lonzu wird das mild geräucherte, gepfefferte Filet genannt, Coppa der in Salz und Wein eingelegte Rollschinken aus Schweinenacken oder Prisuttu, der Schinken, den man im Sommer mit frischen Feigen genießt. „Am besten, Sie halten sich immer an dieses Schweinefleisch“, rät Monsieur Marcaggi. „Lamm oder Kalb verkaufen wir nur an Franzosen – und andere Touristen.“

Allerlei Delikatessen gibt es auch auf dem schönsten Wochenmarkt Korsikas auf dem Square César Campinchi. Etwa verschiedene Käsesorten von Schäfern aus dem Restonica-Tal im Herzen der Insel. Brocciu ist ein Frischkäse aus Ziegen- oder Schafsmolke. Er wird mit Salz haltbar gemacht und als Füllung in Omelettes und Teigtaschen verwendet oder als Grundlage für Süßspeisen.

Nichts für schwache Nerven ist Casjiu Merzzu, der „verdorbene Käse“. Käsereste werden mitsamt der Rinde in Tontöpfen vermischt. Nach einer Weile siedeln sich Maden an. Für Kenner ein Zeichen der zweiten Reife. Mit Trester übergossen gilt der scharfe Casjiu Merzzu mit den noch springenden Larven als besondere Spezialität.

Angenehmer duften die Produkte der Gebrüder Caux im Dorf Ocana bei Ajaccio. Die beiden betreiben eine Aromaöl-Destillerie. In Wäldern und auf Wildwiesen ernten sie Kräuter, Blätter und Früchte, um daraus Duftstoffe zu gewinnen. Gäste sind willkommen, um diesen Prozess zu beobachten und im Laden „La Maison des Senteurs“ einzukaufen.

„Eine Tonne Kräuter ergibt höchstens drei bis vier Liter destilliertes Aromaöl“, verrät Paul Caux bei der Führung. Täglich wird eine bestimmte Sorte gefiltert. Wer besonderes Interesse an Rosmarin, Lavendel, Eukalyptus, Myrthe, Wacholder oder anderen Aromen hat, informiert sich vorher telefonisch.

Die Produkte der korsischen Pflanzenwelt werden variantenreich verarbeitet

Weitere inseltypische Erzeugnisse findet, wer auf Schilder mit der Aufschrift „produits corses“ oder „produits artesanales“ am Straßenrand achtet, die zu Höfen und Läden weisen. Grundstoffe sind Honig, Zitrusfrüchte, Oliven, Beeren von Myrthe und Erdbeerbaum, Nüsse oder Feigen, die variantenreich verarbeitet werden. Die Kastanie ist die vielseitigste Zutat: Aus ihr wird das süßliche Bier „Pietra“ gebraut, es gibt Kuchen, Likör, Honig, Nougat, Polenta, glasierte und natürlich auch geröstete Maronen, Kastanien als Gemüsebeilage und Brotaufstrich.

Eine gute Adresse ist der Hof „Casa Accinta“ von Raphaelle Peignier-Astima in Ghisonaccia an der Ostküste. Die Halbkorsin spricht Deutsch, ihr Vater stammt aus Essen. Sie baut Oliven, Feigen, Haselnüsse, Clementinen sowie Pampelmusen an und produziert Honig. Geschätzt sind ihre Kuchen aus Nussmehl, mit denen sie Bauernmärkte beliefert. „Ich experimentiere gern“ verrät Raphaelle, „zurzeit entwickele ich Weine aus Myrthe und Zitrusfrüchten.“

Probierfreudig ist auch Marcel Santini, Chef der „Confiserie Saint Sylvestre“ im Bergdorf Soveria nahe der Festungsstadt Corte. Seine Spezialität ist Süßes auf der Basis von Früchten und Honig. Von seinem Bestseller, weißem Nougat, fertigt er wöchentlich 800 Kilogramm an. Santini produziert auch kandierte Früchte, Geleewürfel, Karamell, gefüllte Schokolade, und Fruchtpasteten. Sein Favorit ist grünes Zitronat in schwarzem Tee: „Das gibt eine wunderbares Aroma und ist obendrein kalorienarm."

"Auf Korsika ist alles besser, selbst der Duft" - sagte Napoleon

Figurfreundlich sind auch Streifzüge im Hinterland von Porto Vecchio an der Südostküste: Wer dort mit Stéphane Rogliano unterwegs ist, wandert der Nase nach. Der Duftpflanzenzüchter führt durch die Macchia. Das immergrüne Dickicht aus Myrthe, Rosmarin, Mastixstrauch, Baumheide, Zistrose, Ginster, Thymian, Lorbeer, Salbei, Lavendel und Wacholder verströmt bei Sonnenschein einen typischen aromatischen Geruch. Um sich vor Austrocknung zu schützen, sondern die Hartlaubgewächse ätherische Öle ab. „Nirgendwo am Mittelmeer ist die Flora so vielfältig wie hier“ erzählt Stéphane. „Botaniker haben 2000 unterschiedliche Pflanzenarten gefunden.“

Immer wieder bleibt er stehen, zupft Blätter, zerreibt sie und lässt uns schnuppern. „Wer sich mit Wildpflanzen auskennt, braucht keine Apotheke“, bemerkt Stéphane vor einem Kraut mit gelben Blütendolden. „Auszüge aus dieser Immortelle wirken hervorragend bei Hautverletzungen.“ Der herbe Geruch der Blütenköpfe lässt keinen Zweifel: eindeutig Medizin.

Wir erfahren, dass aus den Wurzeln der Baumheide wertvolle Pfeifen geschnitzt wurden und wie sich Korkeichen bei Feuer schützen: Mit ihrer Rinde schließen sie das Innere des Stammes luftdicht ein. Nach dem Ausflug versteht man, warum Napoleon als Gefangener auf St. Helena notierte: „Alles ist auf Korsika besser, selbst der Duft. An ihm hätte ich die Insel mit geschlossenen Augen erkannt, und nirgendwo fand ich ihn wieder.“

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ANREISE

Ab Berlin-Tegel fliegt Air Berlin immer sonnabends nach Calvi im Norden der Insel. Für Ende August fanden wir einen Preis von 108,95 Euro.

REISEZEIT
Die schönsten Monate auf Korsika sind Juni, September und Oktober. Im Frühsommer steht die Macchia in Blüte, der Herbst hat noch sehr angenehme Wassertemperaturen um 22 Grad.

Die genannten Monate sind auch gut geeignet für Wanderungen, die Tagestemperaturen liegen in dieser Zeit etwa zwischen 20 und 25 Grad.

SPEZIALITÄTEN
Die im Text erwähnten Spezialitätenläden findet man unter folgenden Adressen:

U Stazzu, 1, Rue Bonaparte, Ajaccio;

Aromaöl-Distillerie Corsica Pam, Paul Caux, Orcana; Telefon: 4 95 23 81 88;

Hof Casa Accinta, Ghisonaccia; Telefon: 495 56 09 11 (Raphaelle beschreibt den Weg);

Confiserie Saint Sylvestre, Soveria; Internet: www.confiserie- saintsylvestre.fr

Stéphane Rogliano, Porto Vecchio; Telefon: 495 70 34 64, im Internet unter:

www.plante-aromatique.com

VERANSTALTER
Schon viele Jahre bietet ein Veranstalter aus Dornbirn in Österreich Reisen nach Korsika an. Für Ende August etwa hat er ein einwöchiges Paket für 984 Euro pro Person im Programm: Flug ab Tegel, Mietwagen ab/bis Flughafen Calvi , ein Studio-Appartement in einer kleinen Ferienanlage, Verpflegung und Nebenkosten exklusive. Auskunft: Rhomberg, Telefonnummer: 00 43 / 55 72 / 22 42 00, Internet: www.rhomberg-reisen.com

Natürlich wird Korsika auch von vielen anderen Veranstaltern im Programm geführt. Hier lohnt sich ein Gang ins Reisebüro. Wer kein Französisch spricht, ist unter Umständen besser dran, wenn er sich einem Veranstalter anvertraut.

LITERATUR

Korsika. Baedeker Verlag, im Februar 2010 in der 9. Auflage erschienen; 264 Seiten, 17,95 Euro. Optisch sehr ansprechend gestaltet, praktische Tipps, ausführliche Exkurse über Kulinarisches, Routenvorschläge und Inselkarte.

AUSKUNFT

Atout France, die Französische Zentrale für Tourismus, hat ein Büro in Frankfurt am Main. Dort kann man Informationsmaterial anfordern (Postfach 100128, 60001 Frankfurt am Main) oder fernmündlich um Rat fragen. Der allerdings mit einem Anruf unter der Nummer 09 00 / 157 00 25 recht teuer ausfällt (49 Cent pro Minute). Günstiger ist es im Internet: www.franceguide.com

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