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Abschlussarbeiten sind ein schwieriges Thema. Für Studenten und die Prüfer.

© dpa

Ein Jahr nach Guttenberg: "Die Unis stehen unter Druck, etwas zu ändern"

Vor einem Jahr ist Guttenberg wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit zurückgetreten. Stefan Hornbostel vom Berliner Institut für Qualitätssicherung spricht über den Fortschritt im Kampf gegen Plagiate.

Herr Hornbostel, vor einem Jahr musste Karl-Theodor zu Guttenberg wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit zurücktreten. Was hat sich seitdem bei der Bekämpfung von Betrugsfällen bei Promotionen getan?

Wie viele Betrugsfälle es wirklich gibt, wissen wir natürlich immer noch nicht. Das ist wie bei der Kriminalstatistik, wo es auch immer eine Dunkelziffer gibt. Die Aufmerksamkeit für Plagiate und Mängel in Doktorarbeiten ist bei den universitären Gremien aber deutlich gewachsen. Der Schock, als Universität durch einen einzigen Fall öffentlich in Verruf zu geraten, wie es der Uni Bayreuth durch die Guttenberg-Affäre geschehen ist, sitzt tief. Der Verfolgungsdruck gerade durch die Internetcommunity ist groß.

Setzen inzwischen mehr Hochschulen Plagiatssoftware ein?

Mit der Plagiatssoftware verhält es sich ähnlich wie mit der Rüstungsspirale im Kalten Krieg. Beide Seiten rüsten auf. Im Internet kann man inzwischen Angebote finden, Arbeiten schon vor der Abgabe prüfen zu lassen, ob sie den Test durch eine Plagiatssoftware bestehen. Wenn die Software abgeschriebene Stellen entdeckt, werden sie durch diese Anbieter so umgearbeitet, dass sie nicht mehr als Plagiat erkennbar sind. Wer geschickt ist, wird sich also durch eine Software nicht erwischen lassen. Auch eine eidesstattliche Erklärung der Doktoranden, nicht getäuscht zu haben, behebt das Problem nicht an der Wurzel. Strafrechtler streiten ja darüber, welche Konsequenzen eine solche Erklärung wirklich hat.

Helfen neue Rahmenpromotionsordnungen weiter, die viele Unis – darunter auch die Berliner – erlassen wollen?

Klar ist, dass eine bessere Qualität nur durch eine bessere Betreuung erreicht werden kann. Ein Professor muss über die Fortschritte seiner Doktoranden Bescheid wissen. Im Bereich der Rahmenpromotionsordnungen tut sich hier was. Das ist erfreulich.

Ein großes Problem ist, dass manche Fächer den Doktortitel inflationär vergeben, wobei das Niveau oft niedrig ist. Das gilt vor allem für die Medizin. Gehen die Universitäten das Problem an?

Im politischen Bereich tut sich dahin gehend etwas, dass Doktoranden künftig einheitlich erfasst werden sollen. Im Moment wissen wir nicht einmal richtig, wie viele überhaupt promovieren. Mehr Transparenz scheint sich auch bei der Benotung zu entwickeln. In den Wirtschaftswissenschaften bekommt fast ein Drittel die Höchstnote summa cum laude. Das sind zehn Prozent mehr als noch vor knapp zehn Jahren, wie unser Institut in einer Studie festgestellt hat. Die Noteninflation wird von den jeweiligen Fachgesellschaften jetzt offensiv kritisiert. Universitäten, die besonders viele Bestnoten vergeben, werden oft informell unter Druck gesetzt, etwas zu ändern.

Stefan Hornbostel, Leiter des IFQ Berlin.
Stefan Hornbostel, Leiter des IFQ Berlin.

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Das beantwortet aber noch nicht die Frage, ob die Unis wirklich die inflationäre Vergabe des Doktortitels stoppen wollen – etwa, indem sie die Qualitätsanforderungen so erhöhen, dass „Türschildpromovenden“ abgeschreckt werden.

Das ist ein schwieriges Problem. Wegen der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und historisch gewachsenen Kulturen in den Fächern wird es kaum möglich sein, auf ein einheitliches Niveau für alle Fächer zu kommen. Das Problem ist definitiv in den Bereichen am größten, wo der Titel im Beruf zu einem deutlich höheren Gehalt verhilft, zum Beispiel in den Wirtschafts- und den Rechtswissenschaften. Im Rahmen des Bologna-Prozesses ist dabei durchaus eine Tendenz zu erkennen, den Doktortitel als berufsqualifizierenden Abschluss am Ende des dritten Studienzyklus zu begreifen und nicht als eine besondere wissenschaftliche Auszeichnung. Wenn Sie den Doktortitel aber als Berufsabschluss verstehen, wird dies Türschildpromotionen eher noch befördern.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internetplattformen wie Guttenplag und Vroniplag, die bei der Aufklärung von Plagiatsfällen eine maßgebliche Rolle gespielt haben und teilweise immer noch aktiv sind?

Es ist prinzipiell gut, dass sich eine breite Öffentlichkeit herausgebildet hat, die Vorgänge in der Wissenschaft sachkundig bewertet und kommentiert. Die Diskussion ist allerdings fokussiert durch eine politische Perspektive, da es sich meistens um Personen handelt, die im öffentlichen Interesse stehen. Heikel wird es, wenn Leute zu Unrecht beschuldigt werden. Da werden Schäden verursacht, die nicht zu rechtfertigen sind.

Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

Stefan Hornbostel (Jahrgang 1955) leitet das Berliner Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) und ist Professor für Soziologie an der Humboldt-Universität.

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