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Mit elegantem Schwung. Das flach zusammengelegte Wurfzelt entfaltet sich zu einer soliden Unterkunft.

© cut - Fotolia

Angewandte Mathematik: Eine Formel für Wurfzelte

Rasch aus der Hülle gezogen und schon entfaltet sich das Zelt von selbst. Dank eines flexiblen Kunststoffgestänges ist der Schlafplatz schnell aufgebaut. Belgische Forscher lüfteten nun das mathematische Geheimnis hinter diesen elegant und klein verpackbaren Strukturen.

Sie entdeckten, dass ein einziger Parameter ausreicht, um alle Formen ineinander verdrehter Ringe von der komprimierten Anordnung bis zur vollen Ausdehnung zu beschreiben. Diese „Überkrümmung“ könnte nicht nur für Zelte, sondern auch für Molekülstrukturen oder flexible, elektronische Schaltkreise genutzt werden, schreiben sie in „Nature Communications“.

„Trotz ihrer Popularität und ihrer technischen Bedeutung beruht das Design solcher Ringstrukturen überraschenderweise bisher rein auf Erfahrungswerten“, sagt Alain Jonas von der Katholischen Universität Leuven. So fällt es heute fast jedem leicht, einen großen, flexiblen Ring durch ein geschicktes Verdrehen mehrfach ineinander auf ein Drittel oder Viertel der ursprünglichen Maße zu falten. Den geschwungenen Strukturen, die das Material während dieses Faltens einnimmt, wurde bisher wenig Beachtung geschenkt, und sie konnten mathematisch auch nicht beschrieben werden.

Diese Lücke füllten Jonas und Kollegen mit ihrem einfachen mathematischen Modell. Sie definierten den neuen Parameter „Überkrümmung“ (mit dem Kürzel „O“ für engl. overcurvature), der zusätzlich zur konstanten Kreiszahl „n“ durch den Gesamtumfang des ausgefalteten Rings und dessen Krümmungsradius bestimmt wird. Für O=1 liegt der Ring in seiner maximalen Größe flach ausgebreitet vor. Nimmt der Parameter Werte größer als 1 an, ergeben sich aus einer Formel die dreidimensionalen Strukturen beim Übergang zum zusammengefalteten Zustand. Wird etwa der Wert 3 erreicht, liegt die Struktur flach in drei aufeinanderliegenden, kleineren Ringen vor. Wird das mathematische Modell mit noch höheren Werten für die Überkrümmung gefüttert, lassen sich immer kompliziertere, verdrehte Strukturen simulieren. Nur bei ganzzahligen Werten werden jeweils flache Anordnungen mit der jeweiligen Ringanzahl erreicht.

Mit diesem eleganten mathematischen Modell lassen sich nun nicht nur die Formen von flexiblen Zeltstangen und zu „Achten“ verbogenen Fahrradfelgen eindeutig beschreiben. Nach Meinung der Forscher wird es auch für die Erklärung von komplexen Molekülstrukturen und flexiblen, elektronischen Schaltkreisen genutzt werden können. Zudem könnten Künstler und Designer das Prinzip der „Überkrümmung“ für neue, überraschende Skulpturen und Produkte verwenden.

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