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Elitewettbewerb: Beethovens Neunte in Dahlem

Sechs weitere Universitäten haben es an die Spitze geschafft. Die Freie Universität jubelt, an der Humboldt-Universität trauert man.

„Schon gehört? Wir sind Elite!“ Am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität rennt am Freitagmittag eine Romanistikprofessorin von Tür zu Tür und ruft ihren Kollegen die frohe Botschaft zu. Im Präsidialamt tönt Beethovens Neunte aus dem Büro von Vizepräsidentin Ursula Lehmkuhl. An der Humboldt-Universität wurde am Nachmittag ein Sarg mit der Aufschrift „Humboldt’sches Bildungsideal“ von einer Gruppe schwarz gekleideter Studenten durch den Innenhof getragen. Politikwissenschaftler Herfried Münkler, Koordinator des nicht bewilligten Exzellenzclusters „Risk and Security“, sprach von einem „sehr bitteren Tag“. Seine Mitarbeiter hätten „anderthalb Jahre vergebens gearbeitet“. Für sie habe die HU trotz der Niederlage „einen großen Namen“, sagte Studentin Maxi Liebermann (20).

Jubel an der FU – Trauer, aber auch Zuversicht an der HU. An den beiden Unis wurden gestern alle „Sprachen der Emotion“ gesprochen – so der Titel eines erfolgreichen Forschungsvorhabens der FU. Der Sieg bestätige die „hohe Qualität großer Teile der Universität“, sagte FU-Präsident Dieter Lenzen. Seine Uni könne jetzt einen großen Schritt nach vorn machen. „Wir sind natürlich traurig“, sagte der Präsident der Humboldt-Uni Christoph Markschies. „Aber wir machen uns nach einer Pause am Wochenende mit aller Energie daran, unser Zukunftskonzept umzusetzen.“ Einen Rücktritt schloss Markschies aus. Er sehe sich durch Signale aus dem Gutachterkreis darin bestätigt, dass die HU mit dem von ihm entworfenen Konzept, nämlich Humboldts Ideen im 21. Jahrhundert neu zu denken, auf dem richtigen Weg sei.

Hochstimmung herrschte an der Technischen Universität. Die TU war im Kampf um den Elitestatus zwar bereits in der Vorrunde gescheitert. Sie konnte jetzt aber eines der großen Forschungscluster durchbringen – in der chemischen Katalyse, dem Bereich, auf dem in der letzten Woche auch der Berliner Gerhard Ertl seinen Nobelpreis gewonnen hatte. „Der Erfolg zeigt, dass auch die Generation nach Ertl mit hoher Qualität forscht“, sagte Präsident Kurt Kutzler.

Welche Folgen hat das Ergebnis für Berlin? Lenzen sagte, er sei auch weiterhin „für Kooperationen auf freundschaftlichem Niveau“ mit der HU offen. Es sei jetzt aber nicht der Augenblick, über „ landespolitische Konsequenzen“ nachzudenken. Welche Folgen das Ergebnis auf den Masterplan von Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) und seine Idee einer „Superuni“ habe, bleibe abzuwarten.

Der Masterplan habe eine Trendwende in der Berliner Wissenschaftspolitik eingeleitet, sagte Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft und früherer HU-Chef. Vorher seien die Berliner Universitäten „gekürzt und runtergespart“ und damit in ihrer Entwicklung oft behindert worden. Die Humboldt-Universität müsse nun allerdings „sorgfältig analysieren, woran ihr Zukunftskonzept gescheitert ist“, sagte Mlynek.

HU-Präsident Markschies setzt jetzt auf Zöllners Masterplan, nach dem bis 2011 rund 300 Millionen Euro zusätzlich in die Berliner Wissenschaft fließen sollen. Er vertraue auf die Zusage des Senators, dass alle guten Wettbewerbsvorhaben aus diesem Topf gefördert würden. Auch deshalb sei nicht zu befürchten, dass die HU nun deklassiert werde. Als Einzige unter den acht Kandidatinnen der Endrunde sei die HU „erst seit 17 Jahren ein Teil des bundesrepublikanischen Wissenschaftssystems“. Sie liegt im Ostteil der Stadt und wurde nach der deutschen Wiedervereinigung von 1990 völlig neu strukturiert. „Seitdem hat sie sich in einer großen Aufholjagd unter die besten deutschen Universitäten vorgearbeitet“, sagte Markschies.

Die Entwicklung der Freien Universität geht dagegen in 20-Jahres-Schritten vor sich: Sie wurde 1948 von Studenten als freiheitlicher Gegenentwurf zur kommunistischen Humboldt-Universität gegründet. 1968 eine Hochburg der Studentenproteste, wurde sie in den 80er Jahren Inbegriff der Massenuniversität; 1988 „streikten“ die Studenten gegen katastrophale Bedingungen. Knapp 20 Jahre später erntet die FU nun die Früchte kontinuierlicher Aufbauarbeit.A. Burchard, F. Reinbold, T. Rohowski, U. Schlicht und T. Warnecke

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