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Energieforschung: Der Stoff, aus dem Träume sind

Wasserstoffautos sind in Mode, ihre Energiebilanz ist aber noch ziemlich miserabel, zeigen neue Studien.

Für norddeutsche Verhältnisse ist der Hamburger „Elbberg“ ziemlich steil. Also drückt der Fahrer des Omnibusses kräftig aufs Gaspedal. Das rund 15 Tonnen schwere Fahrzeug schiebt sich nach vorn und hinterlässt eine dicke Wolke. „Only steam, nur Wasserdampf“ steht neben dem silberglänzenden Auspuffrohr am Fahrzeugheck. Auch drinnen ist ein neues Zeitalter angebrochen, zumindest akustisch. Kein brummender, nagelnder Diesel im Rücken. Stattdessen ist ein helles Surren zu hören, das mit steigender Drehzahl an eine Flugzeugturbine beim Start erinnert. Nur dass im Vergleich zum brüllenden Flieger der Bus geradezu säuselt.

Das Fahrzeugkonzept ist bestechend. Mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird Wasser chemisch aufgespalten. Der gewonnene Wasserstoff treibt eine Brennstoffzelle (fuel cell, FC) an, die Strom für Elektromotoren in den Radnaben erzeugt und so eine „emissionsfreie Mobilität“ ermöglicht, wie Christian Mohrdieck von Daimler bei der Präsentation des neuen FC-Busses in der vergangenen Woche erklärte. Mohrdieck leitet bei dem Autohersteller die „Brennstoffzellen- und Batterie-Antriebsentwicklung“ und hatte neben dem Bus gleich noch eine Mercedes B-Klasse mit Brennstoffzellenantrieb mitgebracht. Auch andere Autofirmen haben Wasserstofffahrzeuge in verschiedensten Testprojekten laufen. Doch so rein wie ihr Abgas ist die Technik bei näherer Betrachtung dann doch nicht, zumindest bisher.

Die Kosten sind, wie auch bei reinen Elektroautos, noch immer exorbitant. Zahlen wollte man bei Daimler nicht nennen und präsentierte lediglich ein Säulendiagramm, demzufolge ein FC-Bus etwa doppelt so teuer ist wie ein herkömmliches Dieselmodell. Mindestens sechs Jahre werde es dauern, bis die Technik zu „moderaten Mehrkosten“ im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen zu haben sei. Die Energiebilanz des Wasserstoffantriebs aber wird auch dann kaum besser als heute sein: ziemlich miserabel.

Denn auf dem Weg vom Windrad zum Elektromotor muss die Energie mehrere Male umsteigen, was Verluste zur Folge hat. Zunächst wird der Strom bei der Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Um möglichst viel Energie auf kleinem Raum zu speichern, wird der Wasserstoff entweder auf 700 bar Druck verdichtet oder auf minus 253 Grad Celsius gekühlt, damit er in den platzsparenden flüssigen Aggregatzustand übergeht. Anschließend folgt das Füllen der Fahrzeugtanks und in der Brennstoffzelle die Rückverwandlung in elektrischen Strom, der in einer Bordbatterie gesammelt wird. Von hier an sind die Wege im reinen Elektroauto und im FC-Mobil gleich: Der Strom aus der Batterie treibt einen oder mehrere Elektromotoren an.

„Um die gleiche Leistung an die Achse zu bringen, muss ich bei der Wasserstofftechnik zwei bis dreimal so viel Energie aufwenden wie beim batteriebetriebenen Auto“, fasst Ulrich Höpfner das Ergebnis einer Studie zusammen, die er und sein Kollege Martin Pehnt am Heidelberger Institut für Energie und Umweltforschung (Ifeu) erstellt haben. Sofern beide Fahrzeuge nicht ausschließlich klimafreundlich erzeugten Strom nutzen, schlägt sich der erhöhte Energiebedarf ebenfalls in einem erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen nieder, heißt es in der Studie weiter.

Überhaupt steht und fällt die Ökobilanz der Zukunftsfahrzeuge mit der Art der Stromgewinnung. Im vergangenen Jahr kamen 56 Prozent des hierzulande erzeugten Stroms aus Kohle- und Erdgaskraftwerken. Legt man diesen Schlüssel zugrunde, seien ein modernes Elektroauto und ein modernes Fahrzeug mit Verbrennungsmotor in ihrer Kohlendioxid (CO2)-Bilanz etwa gleich, sagt Höpfner. „Selbst wenn wie geplant bis 2020 eine Million Elektro-Autos in Deutschland fahren, wird deren CO2-Spareffekt sehr gering sein.“

Auch Wasserstoff ist nur dann eine grüne Alternative, wenn er tatsächlich per Elektrolyse mit Ökostrom gewonnen wird. Derzeit wird das Gas aber zum überwiegenden Teil per „Dampfreformierung“ mit chemischen Verfahren aus Kohle, Erdöl oder Erdgas hergestellt.

Dass die Wasserstofftechnik trotz ihrer mangelhaften Energiebilanz weiterentwickelt wurde, liegt nach Ansicht Höpfners am schlechten Start der Batterie. „In den neunziger Jahren waren die verfügbaren Akkus für Elektroautos einfach Schrott“, sagt er. Einige seien sogar explodiert, weshalb die Automobilindustrie das Konzept beiseitelegte und die Option Wasserstoff und Brennstoffzelle weiterverfolgte – trotz der Energieverluste.

Es gibt allerdings auch Vorteile gegenüber dem batteriebetriebenen Auto. Wasserstoff hat eine sehr hohe Energiedichte. Ein Kilogramm Wasserstoff enthält fast dreimal so viel Energie wie ein Kilo Diesel. Reichweiten von 500 oder gar 1000 Kilometern sind bei Personenwagen kein Problem. Ganz anders bei Elektroautos, die pro Kilo Batterie nur einen Bruchteil der Energie speichern können und selbst für kleinere Aktionsradien relativ große Akkus mit sich herumschleppen müssen.

Gerade schwere Fahrzeuge wie Busse würden allein mit Batterien ihre Tour nicht schaffen. Auch gewichtige Oberklassewagen aus Süddeutschland würden die Akkus schneller leeren als ein Kleinwagen. Vielleicht ist das ein Grund, warum sich diese Autokonzerne so auf die Wasserstofftechnik konzentrieren.

Normale Elektrofahrzeuge kommen heute rund 150 Kilometer weit, berichtet Höpfner. Für die meisten Nutzer reiche das und die Technik selbst werde ja auch weiterentwickelt. In einigen Fällen sei dennoch ein „Reichweitenverlängerer“ nötig. Dafür kämen verschiedene Techniken infrage: vom kleinen benzingetriebenen Verbrennungsmotor über Brennstoffzellensysteme bis hin zu Batteriewechselstationen, die übers Land verteilt sind. „Was sich durchsetzen wird, kann heute keiner sagen“, meint Höpfner. „Das hängt nicht zuletzt von den künftigen Preisen für Erdöl und CO2-Zertifikaten ab.“ Er schätzt, dass jede dieser Techniken ihre Nische finden wird.

Dafür fehlt in den meisten Fällen bislang aber die Infrastruktur. Sieben öffentliche Wasserstofftankstellen sind einfach zu wenig. Schätzungen zufolge würde es rund zwei Milliarden Euro kosten, ein landesweites Netz aufzubauen. Vorteil des Gases: Das Betanken dauert mit rund drei Minuten ähnlich kurz wie gewohnt. E-Autos hingegen müssen mehrere Stunden an die Steckdose, solange es keine echte Schnellladefunktion gibt. Wer seinen Wagen in der Garage parkt, hat damit kein Problem. Die vielen „Laternenparker“ in den Städten hingegen schon.

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