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Von oben. Bei Pumpspeichern wie dem Koepchenwerk in Herdecke wird mit ungenutztem Strom Wasser in die Höhe gepumpt und bei Bedarf wieder abgelassen.

© imago/Hans Blossey

Energiewende: Stromspeicher in alten Bergwerken

Die Energiewende braucht Speicher. Dafür könnten alte Stollen im Ruhrgebiet und im Harz genutzt werden.

Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wächst der Bedarf an Speichern, die das wetterbedingte Angebot mit der Nachfrage in Privathaushalten, Industrie und öffentlichen Einrichtungen in Einklang bringen. Eine Technik, die dabei helfen kann, sind Pumpspeicherkraftwerke. Je nachdem, ob sie Energie speichern oder erzeugen sollen, pumpen sie Wasser in einen höher gelegenen Stausee oder lassen es nach unten fließen, wobei es große Turbinen antreibt. Doch es gibt zwei große Nachteile. In den Bergen wehren sich Anwohner und Naturschützer oft gegen neue Speicherseen, wie derzeit in Atdorf im Schwarzwald zu erleben ist.

Unterirdische Speicher schonen die Landschaft an der Oberfläche

Und außerhalb der Gebirge fehlen schlicht die Höhenlagen für den oberen Speichersee. Womöglich gibt es einen Ausweg: Der untere Speichersee verschwindet aus der Landschaft und wird in ein Tiefgeschoss in die Erde verlegt. Ein solches Untertage-Pumpspeicherwerk funktioniert nicht nur im Flachland, sondern auch in den Bergen. Dort braucht man dann statt zwei nur noch einen Speichersee an der Oberfläche und halbiert so den Landschaftsverbrauch. Diese Möglichkeit wird zurzeit für alte Bergwerksstollen im Harz erforscht.

So funktioniert ein Pumpspeicherkraftwerk im Berg
So funktioniert ein Pumpspeicherkraftwerk im Berg

© Universität Duisburg-Essen/TSP

Und es gibt einen weiteren Kandidaten: Ausgerechnet der hoch subventionierte Steinkohlebergbau könnte, wenn er 2018 eingestellt wird, die Voraussetzung für Untertagespeicher bieten. Um an die zum Teil weit mehr als 1000 Meter unter der Oberfläche liegenden Flöze heranzukommen, haben die Bergleute im Ruhrgebiet und im Saarland Schächte bis in diese Tiefen getrieben. Ähnliche Schächte benötigt man zum Bau und Betrieb eines Pumpspeicherwerks unter Tage. „Sie sind auch eine besonders teure Komponente – und wären bereits vorhanden“, sagt der Geotechnikingenieur Eugen Perau von der Universität Duisburg-Essen (UDE), wo eine mögliche Nutzung der alten Reviere für Pumpspeicher erforscht wird. An dem Vorhaben sind noch zehn weitere Partner beteiligt vom Bergbaudienstleister DMT über die Ruhr-Universität Bochum bis zum Bergbaubetreiber RAG. Der könnte viel Geld sparen, denn nach Betriebsschluss muss er die Schächte eigentlich aufwendig verfüllen. Übergibt er sie den Wasserbauingenieuren, entfällt diese Aufgabe.

Kathedrale im Berg

Das Herz einer solchen Pumpspeicheranlage ist das Maschinenhaus am unteren Speicher. Dafür müsste nach Ansicht der Ingenieure eine Kaverne geschaffen werden, die bis zu 100 Meter lang, etwa 30 Meter breit und bis zu 50 Meter hoch ist. „Einen so großen Hohlraum kann man nicht auf einen Schlag herstellen“, sagt Perau. Der Druck des darüberliegenden Gebirges würde ihn wieder zusammendrücken, bevor man ihn mit einer bis zu zwei Meter dicken Betonschale an den Wänden stabilisieren könnte. Daher planen Ingenieure in solchen Fällen zunächst kleinere Hohlräume, die dem Gebirgsdruck standhalten. Diese kleiden die Arbeiter mit Beton aus, stützen sie ab und beginnen danach an ihrem Rand einen weiteren Teil des Gebirges auszuhöhlen. Dieser wird ähnlich ausgebaut, nicht mehr benötigte Stützen aus der ersten Bauphase können entfernt und eventuell sogar für eine spätere Phase wiederverwendet werden. Auf diese Weise wächst der zunächst kleine Hohlraum Stück für Stück weiter, bis am Ende die riesige Kaverne mit ihrer zwei Meter dicken Betonschale fertig ist.

Die Kohleflöze selbst sind ungeeignet

Als Nächstes braucht man ein unteres Speicherbecken. Ausgebeutete Kohleflöze kommen dafür jedoch nicht infrage. „Dort ist das Gestein zu unruhig, mit der Zeit fallen die leeren Flöze in sich zusammen“, sagt UDE-Forscher André Niemann. Von den Kohleschichten führen jedoch viel besser ausgebaute und damit stabile Transportstrecken zu den senkrechten Schächten, die die Verbindung zur Oberfläche herstellen. „Sie eignen sich schon eher als Wasserspeicher“, sagt der Ingenieur. Allerdings müssten sie mit Beton weiter stabilisiert und abgedichtet werden.

Neben diesen Strecken prüfen die Forscher auch neu gebaute Speicher im Berg – und die dürften ziemlich groß werden. Zwar lässt sich wegen des großen Höhenunterschiedes viel Energie in relativ kleinen Wassermengen speichern. Damit es sich lohnt, müssten am Ende trotzdem Speicher mit einem Volumen von einer Million Kubikmeter geschaffen werden. Das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von je 100 Metern. In der Praxis ist so ein großer, kathedralenartiger Hohlraum nur schwer herzustellen.

Lange Tunnel statt eines großen Gewölbes

Daher überlegt Perau, das Wasser in einem langen Tunnel zu speichern, der sich unter mehreren Städten des Ruhrgebietes entlangziehen könnte. Ein solcher überdimensionaler Schlauch lässt sich unter Tage viel besser stabilisieren als gigantische Höhlen. Den Beweis liefern die Transportstrecken der Kohlezechen im Ruhrgebiet. Allein im Bergwerk Prosper-Haniel ist dieses Streckennetz mehr als 120 Kilometer lang. Obendrein ist der Tunnelbau gut erprobt. Nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch für den Bau von Eisenbahn- und Straßentunneln kommen seit Jahren Maschinen zum Einsatz, die Röhren mit einem Durchmesser von bis zu 15 Metern bohren. Auch die Verlängerung der Berliner U-Bahnlinie 5 wird mit so einer Maschine geschaffen.

Bis zum Jahresende wollen die Forscher Antworten finden

Bis die riesigen Bohrer loslegen, muss noch einiges geklärt werden. Wo liegt zum Beispiel der feste Sandstein, in den die Ingenieure die Kavernen für die Maschinenhalle und den Wassertunnel bauen können? In welcher Tiefe sollen die Speicheranlagen entstehen? Welche der vorhandenen Bergwerksschächte sollten am besten für solche Pumpspeicherwerke genutzt werden? Bis zum Ende des Jahres wollen die Forscher solche Fragen grundsätzlich klären. Schließlich läuft der Steinkohlebergbau 2018 aus, danach werden die letzten Schächte verfüllt. Spätestens dann sollte man wissen, welche von ihnen für die Speichertechnologie gebraucht werden.

Das Wasser soll aus Schifffahrtskanälen kommen

Eine Frage ist zumindest grundsätzlich geklärt: Welches Wasser wird den Pumpspeicher füllen? Aus den Gesteinsklüften in der Tiefe sickert schließlich ständig Wasser, das mit großem Aufwand abgepumpt werden muss. Theoretisch könnte man es für einen Pumpspeicher verwenden, in der Praxis funktioniert diese Idee allerdings nicht. „Dieses Wasser enthält Gesteinsstaub, der die Maschinen abschleift“, sagt Perau. Salze aus dem Gestein würden obendrein die Turbine korrodieren, Ausfälle wären programmiert. Um das zu verhindern, soll ein geschlossenes System entstehen, das durch massiven Beton vom eindringenden Wasser getrennt wird.

In diesen Speicher wollen die Ingenieure sauberes Wasser aus den Schifffahrtskanälen an der Oberfläche leiten. Auch da kann man die vorhandene Brauchwasserversorgung der Bergwerke nutzen. Nach der ersten Füllung muss nur noch das Wasser ersetzt werden, das aus dem wenigen Hektar großen Speichersee an der Oberfläche verdunstet oder durch Lecks abhanden kommt.

Das Gestein im Harz ist stabiler

Für unterirdische Pumpspeicherwerke kommen nicht nur die Steinkohlereviere infrage. Mitarbeiter des Energie-Forschungszentrums Niedersachsen in Goslar haben zum Beispiel den Erzbergbau im Harz untersucht und für Pumpspeicher-tauglich befunden. Diese Anlagen haben im Vergleich zu den Zechen im Ruhrgebiet einen großen Vorteil: „Das Gestein dieser Lagerstätten ist viel fester als die Sedimente um die Kohleflöze“, sagt Friederike Kaiser.

Während im Ruhrgebiet die Flöze und die Transportstrecken ohne zusätzliche Stützen über kurz oder lang in sich zusammenbrechen, bleiben die Anlagen im Harz über Jahrhunderte erhalten. Sie könnten weniger aufwendig und damit billiger ausgebaut werden. Obendrein ist es wohl keine schlechte Idee, solche unterirdischen Speicherwerke nicht nur am Rhein, sondern auch in anderen Teilen der Republik anzulegen. Gebraucht werden sie ohnehin, wenn Fotovoltaik und Windkraft weiter ausgebaut werden. Vor allem aber könnte ein Teil der einst für viel Geld gebauten Bergwerke so weiter genutzt werden.

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