zum Hauptinhalt
Gesund? Erbgutanalysen von Embryos – hier ein drei Zentimeter großer Fötus in der zwölften Schwangerschaftswoche – könnten künftig anhand des Blutes der Mutter erfolgen.

© SPL

Erbgutanalyse bei Embryos: Brisanter Bluttest

Eine neue Methode soll Gendefekte bei ungeborenen Kindern schneller nachweisen. Dafür ist keine riskante Untersuchung des Fruchtwassers nötig, es genügen einige Tropfen Blut der Mutter. Doch es gibt Kritik.

Viele werdende Eltern fragen sich: Ist unser Kind gesund? Was, wenn es eine Chromosomenstörung wie die Trisomie 21 (Down-Syndrom) hat? Wird es überleben? Werden wir das schaffen? Eine klare Aussage, ob das Kind tatsächlich eine Trisomie 21 hat, kann bislang nur die Fruchtwasseruntersuchung bringen. Jedes Jahr werden in Deutschland rund 31 000 dieser Eingriffe vorgenommen. Der Stich durch die Bauchdecke der Mutter, der nötig ist, um eine kleine Menge Fruchtwasser zu gewinnen, ist allerdings nicht ungefährlich. In einem halben bis einem Prozent der Fälle führt er zu einer Fehlgeburt. Die werdenden Mütter stehen vor einem schweren inneren Konflikt, wenn sie sich für oder gegen die klärende Untersuchung entscheiden sollen.

Noch in diesem Winter, spätestens im Frühjahr 2012 könnte ein Verfahren auf den Markt kommen, das diese Gefahr nicht birgt. Die Konstanzer Firma Life Codexx, eine Tochter des Sequenzier-Unternehmens GATC Biotech, hat einen Test entwickelt, für den der werdenden Mutter lediglich etwas Blut abgenommen wird. Sequenziermaschinen spüren darin Fragmente von kindlichen Erbmolekülen auf, vervielfältigen und analysieren sie.

Bereits Mitte der 90er Jahre hatten Forscher in Hongkong herausgefunden, dass solche Schnipsel von Erbmaterial des Ungeborenen im mütterlichen Blut schwimmen. Nur fehlten lange Zeit die technischen Möglichkeiten, sie zu gewinnen und genau zu untersuchen. Denis Lo, der die Genschnipsel zuerst entdeckte, hat im Januar im „British Medical Journal“ eine Studie veröffentlicht, die in der Botschaft gipfelt: 98 Prozent der invasiven Pränataluntersuchungen – wie die erwähnte Fruchtwasseranalyse – ließen sich vermeiden, wenn die treffsichere neue Methode zum Einsatz käme.

In Deutschland enden heute mehr als 90 Prozent der Schwangerschaften, in denen im Rahmen der Pränataldiagnostik bei dem Kind eine Trisomie 21 diagnostiziert wurde, mit einem Schwangerschaftsabbruch. Die Kinder, die mit der Chromosomenveränderung geboren werden, haben in den meisten Fällen Mütter, die weder eine Feindiagnostik per Ultraschall noch eine Fruchtwasseruntersuchung hatten. Nicht ohne Grund entzünden sich an den vorgeburtlichen Untersuchungen immer wieder heftige ethische Debatten. Besonders wenn es um die Fahndung nach einer Trisomie 21 geht, denn gerade Menschen mit dem Down-Syndrom sind lebensfroh und sozial zugewandt. Zu jeder humangenetischen Untersuchung, die zu einem auffälligen Befund führt, gehört heute verpflichtend das Gespräch mit den werdenden Eltern, das auch Lebensperspektiven mit einem behinderten Kind beinhaltet. Es soll ausdrücklich ergebnisoffen geführt werden.

Wenn die Resultate des Feindiagnostik-Ultraschalls und der Fruchtwasseruntersuchung vorliegen, ist die Frist für einen straffreien „normalen“ Schwangerschaftsabbruch schon verstrichen. Als Grund für eine Spätabtreibung gelten dann nur zu erwartende gesundheitliche Probleme der Mutter. Der Bluttest, mit dem Bruchstücke embryonaler DNS gewonnen werden, kann dagegen bereits in der zehnten Woche gemacht werden. Kritiker fürchten, dass er zu deutlich mehr Schwangerschaftsabbrüchen führt.

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) ist deshalb in die Kritik geraten, weil es eine Studie mit 500 Schwangeren mit besonderem Risiko an mehreren deutschen Perinatalzentren mit 230 000 Euro gefördert hat. Die Unterstützung für das Projekt „Entwicklung und Evaluation eines neuen nicht-invasiven Verfahrens zur pränatalen Diagnostik genetischer Erkrankungen“ ist jedoch planmäßig Ende 2010 ausgelaufen. Vor dem Beginn der Studie lag zudem ordnungsgemäß ein positives Votum der Ethikkommission der Landesärztekammer Berlin vor.

Die Kritik des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung Hubert Hüppe (CDU) und von Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) an der Förderung weist man im BMBF zurück. Die Kritiker nähmen „eine größere Gefährdung von Mutter und Kind beim derzeitigen Diagnoseverfahren in Kauf“, argumentiert der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rahel. Es sei „ethisch unvertretbar, die Weiterentwicklung einer in Deutschland angewandten Untersuchungsmethode nicht fördern zu wollen, die das ungeborene Leben und die werdende Mutter besser schützen könnte“.

Zur Weiterentwicklung der Methode dürfte auch gehören, dass die Blutproben nach und nach genutzt werden, um weitere chromosomale Auffälligkeiten und erbliche Erkrankungen aufzuspüren. „Das ist ein heißes Thema, das uns in den nächsten Jahren weiter beschäftigen wird“, sagt Klaus Vetter, Leiter der Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum in Berlin-Neukölln.

Das BMBF fördert eigenen Angaben zufolge derzeit einen weiteren Test auf Trisomie 21, das Projekt „Invasionsfreie Pränataldiagnostik auf Einzelzellbasis“. Daran sind die Beckman Coulter Biomedical GmbH und das Universitätsklinikum Jena beteiligt. Das Problem: Solche frühen, nicht-invasiven Tests seien im Gendiagnostikgesetz noch nicht berücksichtigt, sagt Vetter. „Eine klare Regelung für diese Fälle ist unbedingt wünschenswert.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false