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Austauschmanöver. Britische Forscher haben die Zellkerne eines menschlichen Embryos in eine andere Eizelle überführt. Die Mitochondrien des neuen Embryos stammen von der Spendermutter. So könnten Erbkrankheiten der Mitochondrien verhindert werden. Foto: dpa

© dpa

Erbleiden: Drei Eltern, keine Krankheit

Mit einem Trick wollen Forscher Erbleiden verhindern. In Deutschland ist die Methode verboten.

Sie sind eine Art Staat im Staate: Mitochondrien. Die kleinen Kraftwerke, zu Hunderten in jeder menschlichen Zelle vorhanden, versorgen uns mit Energie. Dafür haben sie ihre eigene Zellmembran und sogar ihr eigenes Erbgut. Fehler in der Sequenz dieses Erbguts können furchtbare Krankheiten auslösen. Nun haben Forscher von der Universität Newcastle erstmals eine neue Methode, die die Vererbung dieser Krankheiten verhindern könnte, an menschlichen Embryonen getestet.

Die Wissenschaftler nutzten einen simplen Trick: Indem sie einem Embryo den Zellkern entnehmen und diesen in eine andere Eizelle transplantieren, können sie in einem Rutsch die Mitochondrien austauschen. Der Zellkern kommt dann von den eigentlichen Eltern, die Mitochondrien von der Spenderin der Eizelle. So hat das Kind drei Eltern – und gesunde Mitochondrien. Dass das grundsätzlich geht, wurde an Affen bereits im vergangenen September gezeigt.

Nun haben die Forscher um Douglass Turnbull die Methode erstmals bei menschlichen Embryonen angewendet. Dafür nutzten sie künstlich befruchtete Eizellen, die wegen einer Abnormalität nicht für eine Schwangerschaft infrage kamen. Normalerweise haben Embryonen nach der Befruchtung zwei Zellkerne, einen vom Spermium, einen von der Eizelle. Die verwendeten Embryonen hatten stattdessen drei oder nur einen Zellkern. Die Abnormalität macht die Forschung ethisch weniger bedenklich, spielt für die Studie aber keine Rolle. Mit einer winzigen Pipette entnahmen die Forscher einem Embryo zwei seiner drei Zellkerne und schleusten die beiden in eine andere Eizelle, deren Zellkern vorher entfernt wurde.

Die Forscher beobachteten die weitere Entwicklung der Embryonen für sechs bis acht Tage. Etwa ein Fünftel von ihnen entwickelte sich normal weiter bis zum Acht-Zell-Stadium. Bei Embryonen, die nicht verändert werden, entwickelt sich etwa ein Drittel bis zu diesem Stadium.

Das Ergebnis zeige, dass sich Erkrankungen durch mitochondriale Erbgutfehler beim Menschen so verhindern ließen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“ (online vorab). Mindestens jeder Zehntausendste leidet unter einer solchen Krankheit, schätzen Mediziner. Weil die Mitochondrien für die Energiegewinnung nötig sind, machen sich diese Krankheiten vor allem bei den Geweben bemerkbar, die besonders viel Energie brauchen: Gehirn, Muskeln und Herz. „Viele dieser Kinder lernen nie zu gehen, sind blind oder leiden an schwerer Epilepsie“, sagt Markus Schuelke-Gerstenfeld, der an der Charité mitochondriale Erkrankungen erforscht. Es sei sicher zu früh, die neue Methode zu empfehlen, sagt er. Dennoch: Er habe schon Paare getroffen, die immer wieder versucht hätten, ein gesundes Kind zu bekommen, aber jedes Mal seien die Kinder gestorben. „Dies wäre eine Möglichkeit, diesen Eltern gesunde Kinder zu verschaffen“, sagt er.

Der Münchner Forscher Thomas Klopstock ist skeptischer. In schweren Fällen, könne so zwar eine sichere Erkrankung des Nachwuchses verhindert werden, schwer kranke Mütter würden häufig aber ohnehin auf Nachwuchs verzichten. „Und je milder die Erkrankung beim Nachwuchs voraussichtlich ist, desto weniger wird man gewillt sein, die zweifellos vorhandenen Risiken einzugehen“. So sei noch nicht abzusehen, welche langfristigen Veränderungen im Embryo der Kerntransfer auslösen könnte.

Auch die britischen Wissenschaftler geben zu, dass weitere Forschung nötig sei, um die Sicherheit zu beweisen. „Zur Zeit wäre die Methode auch in Großbritannien verboten“, sagt Alison Murdoch, eine der beteiligten Forscherinnen. Eine entsprechende Regelung schreibe vor, dass zunächst Daten über die Sicherheit vorgelegt werden müssten. „Daran arbeiten wir jetzt. Ich denke aber, dass die Methode in den nächsten Jahren hier in England erlaubt und eingesetzt wird.“

Selbst wenn die Methode sich als sicher erweisen sollte, in Deutschland ist sie durch das Embryonenschutzgesetz gleich mehrfach verboten: Weil dafür eine Eizellspende nötig ist, weil die Veränderung weitervererbt wird und weil es sich bei dem entstehenden Embryo um eine Chimäre handelt.

Schuelke-Gerstenfeld sieht hier Diskussionsbedarf: „Es ist natürlich brisant, dass das jetzt bei menschlichen Embryonen gezeigt wurde. Aber wir sollten neuen Methoden nicht von vornherein einen Riegel vorschieben“, sagt er. Und Peter Propping, viele Jahre Mitglied im Nationalen Ethikrat, hält die neue Methode für ethisch vertretbar. Vorausgesetzt, sie ist sicher. „Die humangenetische Beratung von Menschen mit mitochondrialen Erkrankungen ist ungeheuer schwer“, sagt Propping. Das Problem: Jede Eizelle hat zahlreiche Mitochondrien. Wie viele davon den Fehler tragen, entscheidet darüber, ob die Krankheit ausbricht. „Weil man das aber vorher nicht weiß, können Sie einer Frau im Grunde nur sagen, dass die Wahrscheinlichkeit eines kranken Kindes irgendwo zwischen null und hundert Prozent liegt.“

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