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Schwämme wachsen in Korallenriffen, aber auch an Orten wie der Tiefsee, die für weniger Arten interessant sind.

© B. Müller/University of Amsterdam

Niesende Schwämme: Es muss nicht in einer Nase kitzeln

Niesen ist von Säugetieren bekannt, doch auch nasenlose Schwämme reinigen sich auf ähnliche Weise.

Schwämme gehören zu den ältesten vielzelligen Organismen der Erde und spielen im Nahrungskreislauf vieler Ökosysteme der Meere eine wichtige Rolle.

Forschende der Universität Amsterdam haben nun herausgefunden, dass sich der in der Karibik heimische Ofenrohrschwamm Aplysina archery eines weit verbreiteten Mechanismus bedient, um sein inneres Filtersystem sauber zu halten: Er niest und das sehr zum Nutzen anderer Wasserorganismen, die den ausgeniesten Schleim und die darin enthaltenen Abfallpartikel als Nahrung nutzen. Das beschreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Current Biology“.

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Koordinierte Kontraktionen und Entspannungsphasen

Das Ausniesen von Schleim ist wahrscheinlich eine der ältesten Methoden für Organismen, um sich von ungewollten Abfallpartikeln zu befreien. Dennoch blieb dieser Mechanismus bei Schwämmen bisher weitgehend unerforscht. Man nahm an, dass die Tiere Abfallprodukte passiv mit dem Wasserstrom durch die Hauptkörperöffnung, das sogenannte Osculum, ausspülen.

Allerdings wurde in manchen Studien beobachtet, dass Schwämme, die starken Ablagerungen ausgesetzt waren, ihren Körper kontrahieren und Schleim absondern, um die Sedimente aus ihrem Körper zu entfernen und ihr Kanalsystem vor Verstopfung zu schützen. Dabei wurde der Schleim nicht über das Osculum abgesondert, sondern über kleinere Poren in der Deckschicht der Schwämme, die Ostien. Der genaue Mechanismus hinter diesem Phänomen war jedoch bisher unklar.

Deshalb untersuchten der Meeresbiologe Jasper de Goeij und sein Team die wenig erforschten Ostien des Ofenrohrschwamms. Die kleinen Körperöffnungen nehmen Wasser und Nahrungspartikel auf und leiten sie anschließend über das Kanalsystem in den zentralen Hohlraum des Schwammes. Doch genau wie andere Tiere können auch Schwämme nicht mit allem etwas anfangen, das in ihren Körper gelangt: Bakterien, Viren, Plankton oder Sedimente müssen wieder nach außen gelangen. Videoaufnahmen von A. archeri zeigen deutlich, dass die Tierart Abfallprodukte über ihre Ostien in Form von Schleim absondert. Dabei entsteht auf der Oberfläche des Schwammes oft eine netzartige, durchsichtige Schleimschicht, in der körperfremde Partikel eingefangen und abtransportiert wurden.

An den Knotenpunkten dieses Netzes sammelt sich der Schleim und verklumpt. Alle drei bis acht Stunden beobachteten die Forschenden koordinierte Kontraktionen und Entspannungsphasen der Schwammoberfläche, die mit dem Schließen der Ostien und dem Abwurf der Schleimklumpen zusammenfielen. Dieses «Niesen» beobachteten die Forschenden zudem bei Schwämmen der Gattung Chelonaplysilla. Sie gehen davon aus, dass die Mehrheit aller Schwammarten einen derartigen Nies-Mechanismus nutzt.

Schritt in der Evolution von Muskelzellen

Doch wie schaffen es die Schwämme, den Schleim entgegen des einfließenden Wasserstroms zu transportieren? In anderen Tierarten sorgen meist kleine wimpernartige Strukturen, die Zilien, dafür, dass der Schleim in die richtige Richtung fließt. Doch scheinen die Zilien des Ofenrohrschwammes weitgehend unbeweglich zu sein.

Ohne Muskeln und Nervenzellen niest ein Schwamm außerdem sehr viel langsamer als beispielsweise ein Mensch: Im Gegensatz zu uns braucht er etwa eine halbe Stunde für einen Nieser. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Wissenschaftler einen neuartigen Nies-Mechanismus entdeckt haben. Das periodische Zusammenziehen und Entspannen des Schwammes, mit anschließendem Nieser, könnte einen frühen Schritt in der Evolution von Muskelzellen darstellen, vermuten sie.

Das Niesen hilft dem Schwamm nicht nur dabei, sich sauber zu halten. Videoaufnahmen des Forschungsteams zeigen zudem, dass abgesonderte Schleimklumpen samt darin enthaltender Abfallprodukte eine Nahrungsquelle für diverse Meeresbewohner wie Fische oder Würmer darstellen.

Die Ergebnisse des Teams geben demnach nicht nur Aufschluss über den Stoffwechsel einer der ältesten Tierfamilien, sondern lassen darauf schließen, dass Schwämme höchstwahrscheinlich eine noch größere Rolle im Nahrungskreislauf unter Wasser spielen als bisher angenommen.

Luisa Heyer - dpa

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