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Aggressives Verhalten. Primaten neigen zu Gewalt gegen Artgenossen. Der Mensch bildet dabei keine Ausnahme.

© dpa/Roland Weihrauch

Evolution: Gewalt hat tiefe Wurzeln im menschlichen Stammbaum

Gewaltsame Todesfälle gibt es bei etlichen Säugetieren, vor allem bei Primaten. Der Mensch ist keine Ausnahme. Kultur und soziale Entwicklung haben ihn friedlicher werden lassen.

Mord und Totschlag sind zumindest zum Teil ein Erbe unserer evolutionären Vergangenheit. Gewaltsame Todesfälle kamen unter den Menschen etwa so häufig vor, wie man es nach einem Vergleich mit anderen Säugetieren aufgrund unserer Position im Stammbaum erwarten würde, berichten spanische Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“. Kultur und die Organisation menschlicher Gesellschaften beeinflussten allerdings das Gewaltpotenzial und haben uns in der Moderne friedlicher werden lassen.

Tödliche Auseinandersetzungen innerhalb einer Art kommen nicht nur beim Menschen vor, sondern auch bei einigen anderen Säugetieren, schreiben die Forscher um José María Gómez von der Estación Experimental de Zonas Áridas in Almería (Spanien). Unter Primaten etwa seien Aggressionen innerhalb der Gruppe nicht selten, bei einigen Arten komme es zu Kindstötungen. Raubtiere töteten Angehörige fremder Gruppen und selbst bei so harmlos wirkenden Arten wie Hamster oder Pferden würden gelegentlich Artgenossen umgebracht.

Tödliche Revierkämpfe

Die Forscher suchten nun zunächst in der wissenschaftlichen Literatur, wie verbreitet solche tödlichen Auseinandersetzungen bei einzelnen Arten von Säugetieren sind. Sie fanden Informationen zu vier Millionen Todesfällen bei 1024 Arten von Säugern aus 137 Familien, das sind etwa 80 Prozent aller Säugetierfamilien. Zu gewaltsamen Todesfällen zählten sie Kindstötungen, Fälle von Kannibalismus oder Todesfälle nach Revierkämpfen und anderen kämpferischen Auseinandersetzungen. Die Forscher errechneten dann den Anteil solcher Todesfälle an den gesamten Todesfällen.

Erwartungsgemäß erwiesen sich einige Arten als gewalttätig, andere waren völlig friedlich untereinander. Unter Arten, die in Gruppen und in festen Territorien lebten, war Gewalt gegen Artgenossen verbreiteter als bei Arten, deren Angehörige allein umherzogen. Am evolutionären Ursprung der Säuger betrug die Rate der gewaltsamen Todesfälle 0,3 Prozent. Etwa ein Tier von 300 kam durch Gewalt eines Artgenossen zu Tode.

In der Moderne nahm die Gewaltbereitschaft ab

Innerhalb des Stammbaums nahm solche tödliche Gewalt dann zum Ursprung der Primaten hin immer weiter zu. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die Primaten als eigenständige Linie im Stammbaum abzweigten, betrug die Rate etwa zwei Prozent. Das zeige, dass tödliche Gewalt tief in der Linie der Primaten verwurzelt sei, schreiben die Wissenschaftler.

Anschließend ermittelten die Forscher, wie verbreitet innerartliche Gewalt unter Menschen sein sollte, wenn man nur die Stellung im Stammbaum – und somit die Verwandtschaft zu anderen Arten – berücksichtigt. Demnach sollten ebenfalls etwa zwei Prozent aller Todesfälle auf Mord und Totschlag zurückzuführen sein. Ein Wert, der sich mit Angaben zu gewaltsamen Todesfällen in prähistorischen menschlichen Gesellschaften decke, berichten die Forscher. In der Moderne, seit etwa 100 Jahren, nahm die Gewaltbereitschaft stark ab. (dpa)

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