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Exzellenz-Wettbewerb: „Hallo, ihr Elitestudenten“

Wie Hochschullehrer und Studierende an der Humboldt-Uni und der Freien Universität auf die Entscheidung reagieren.

„An unserer exzellenten Uni“ begrüßt Jutta Müller-Tamm ihre Studierenden am Montagmorgen in der Literaturvorlesung. Danach geht es direkt weiter im Stoff. Die Freie Universität findet am ersten Vorlesungstag als Eliteuni schnell zum Alltag zurück. Vor der Mensa in der Silberlaube sprechen Studierende über das Essen („Schon wieder Fischroulade“) und das vergangene Wochenende. Nur der Elitetitel, den die FU am Freitag errungen hat, schien kein Thema zu sein.

Einige wenige begrüßen sich mit „Hallo, ihr Elitestudenten“. „Man hört Späße, doch ernsthaft wird darüber kaum geredet“, sagt Sarah Babiec, die Islamwissenschaft im ersten Semester studiert. Sie sitzt mit ihren Kommilitonen Martin Müller und Tanja Auer auf den Holzbänken vor dem Mensaeingang. Tanja glaubt, dass der Elitetitel denen Vorteile bringen wird, „die nach dem ersten Abschluss an der Uni bleiben. Otto Normalstudent wird nichts davon sehen.“ Ähnlich sieht es Martin: „Nun fließen zwar 100 Millionen, aber ich werde weiterhin um einen Sitzplatz in vielen Seminaren kämpfen müssen“. Dennoch hoffen die drei, nun leichter an Praktika oder ausländische Unis zu kommen. „Der Elitestatus kann da vielleicht Türen öffnen“, sagt Sarah.

50 Meter entfernt in der Asta-Villa befürchtet man eher, dass sich Türen schließen werden. „Als so genannte Eliteuni wird die FU immer mehr Studienbewerber ablehnen“, sagt Björn Kietzmann, Asta-Referent für Öffentlichkeitsarbeit. Er befürchtet, dass „sich die FU abschottet“ und weitere Hürden wie Auswahlgespräche für den Unizugang aufstellen werde. „Das Label Elite täuscht über die realen Probleme hinweg“, sagt er. „Wir brauchen keine Förderung für einige ausgewählte Projekte, sondern gute Bildung insgesamt.“ Konkrete Aktionen zum Elitetitel plant man beim Asta aber nicht.

Andere setzen darauf, dass der Elitestatus den Lebenslauf aufwertet. Svenja Schindelwig, 21, die ihren Bachelor in Frankreichstudien macht, hofft, dass Arbeitgeber zu ihrer Bewerbung sagen werden: „Oh, die war auf einer Eliteuni.“ Bislang habe ja nur die Humboldt-Uni mit ihrem Namen auftrumpfen können.

An der HU sah der Politikprofessor Gert-Joachim Glaeßner gestern mit „einem lachenden und einem weinenden Auge“ auf die Entscheidungen im Elitewettbewerb. Die „Graduate School of Social Sciences“, dessen Sprecher er ist, gehört zwar seit Freitag zu den exzellenten Forschungsstandorten und erhält eine Förderung in Millionenhöhe. Die HU selbst aber, die mit ihrem Zukunftskonzept scheiterte, sei seit diesem Tag in „einer sehr traurigen Situation“, sagte Glaeßner. Zwei neue Professorinnen werde das Promotionsprogramm, das seit 2002 besteht, dank des zusätzlichen Geldes einstellen. Glaeßner und seine Mitarbeiter am Sozialwissenschaftlichen Institut feierten gestern, auch wenn dies angesichts der „gedrückten Stimmung“ an der Uni „nicht ganz einfach“ sei. Der Politikprofessor ist außerdem sicher, dass die HU trotz der Niederlage „international einen hervorragenden Ruf“ hat. Das werde „auch ohne den Elite-Stempel“ so bleiben.

Für etliche Lehrende sei das Scheitern „ein Schock“, sagte Florian Jeßberger, HU-Professor für Internationales Strafrecht. Die Anträge hätten schließlich „viele Energien gebunden“. Nun habe sich die Außenwahrnehmung der Universität verschlechtert – auch weil neben der HU nur die Uni Bochum mit ihrem Konzept durchgefallen sei. An der HU befürchteten nun viele, „künftig bei der Mittelverteilung in Berlin“ Einschnitte hinnehmen zu müssen.

Auch die HU-Studenten empfinden den verpassten Elitetitel als Dämpfer. Einige sehen darin aber auch eine Chance. Die HU solle „aus der Kritik lernen und ihre Strategie verbessern“, fordert Sarah Knaute, Rehabilitationspädagogik-Studentin. Allerdings müsse „auch die Lehre miteinbezogen“ werden, sagte die 20-Jährige. Die Studierendenvertretung sprach sich dafür aus, „das Zukunftskonzept erneut zu überprüfen“. HU-Präsident Christoph Markschies habe auf die Niederlage bislang „befremdlich reagiert“. Schon in den nächsten Tagen wolle man über die Pläne des Präsidenten „in den Gremien und ohne jede Geheimhaltung diskutieren“. 

Fabian Reinbold, Tina Rohowski

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