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Angst statt Vernunft. In den USA wird immer öfter gefordert, Flüge nach Westafrika zu stoppen - dabei gibt es gar keine direkten Verbindungen.

© AFP

Angst vor Ebola: Fieberkontrollen am Flughafen schaffen trügerische Sicherheit

Die Erfahrung zeigt: Ebola kann man nicht einfach an den Grenzen stoppen - weder durch Reiseverbote noch durch Quarantänezonen oder ungenaues Fiebermessen an den Flughäfen. Ein Kommentar.

Es klingt so einfach. Wer keine Ebola-Kranken im Land haben will, darf sie eben nicht einreisen lassen. Jeder kennt die Bilder vergangener Jahre, als zum Beispiel die Lungenkrankheit Sars durch Fieberkontrollen am Flughafen aufgehalten werden sollte. Man könnte die Flüge aus Westafrika streichen. Oder die betroffenen Gebiete notfalls mit Gewalt abriegeln. Ganz klar, zumindest für den Stammtisch. Doch nichts davon hält Ebola auf. Die Gründe:

1. Fieberkontrolle am Flughafen: Die Methode ist notorisch fehleranfällig. Um dabei keine Infektionen zu übertragen, werden entweder Wärmescanner oder Infrarotthermometer benutzt. Beide messen die Temperatur der Haut und sind entsprechend ungenau. Jeder fünfte Reisende kann trotz Fiebers unbemerkt durch die Kontrolle schlüpfen. Dafür wird jedem vierten Reisenden ein Fieber bescheinigt, das gar nicht existiert. Ein weiteres Problem: Fiebersenker schlagen den Geräten ein Schnippchen.

Davon abgesehen beträgt die Inkubationszeit bis zu drei Wochen. Der später an Ebola erkrankte Thomas Eric Duncan reiste in dieser Zeit in die USA ein. Fieber bekam er erst, als er längst in Dallas war. Auf einem Formular kreuzte Duncan an, er habe keinen Kontakt zu Ebola-Patienten gehabt. Vermutlich nahm er an, dass seine Nachbarin in Monrovia wegen Schwangerschaftskomplikationen verstarb, sagt seine Familie.

6,5 Millionen Passagiere gescreent, kein Kranker gefunden

Die Erfahrung bei anderen Epidemien zeigt ohnehin, dass der Nutzen der Fieberkontrollen am Flughafen begrenzt ist. In Kanada zum Beispiel wurde während der Sars-Krise im Jahr 2003 bei 6,5 Millionen Passagieren Fieber gemessen, 9100 wurden genauer untersucht. Es war kein einziger Sars-Infizierter dabei. Die Regierung hatte Millionen Dollar ausgegeben, das Virus schaffte es trotzdem ins Land. Bei der Grippepandemie war die Bilanz nicht besser.

Nun werden im Schnitt drei Ebola-Kranke pro Monat versuchen, ein Flugzeug zu besteigen, schreibt ein Forscherteam um Kamran Khan von der Universität Toronto im Fachblatt „Lancet“. An den großen Flughäfen der Welt wären sie eine Nadel im Heuhaufen. Selbst in normalen Jahren kommen nur 0,01 bis 0,03 Prozent aller Passagiere aus Guinea, Sierra Leone und Liberia, im Moment sind es halb so viele. 64 Prozent von ihnen fliegen in ein Land der Dritten Welt. Die Chance, Infizierte zu entdecken, ist deshalb an den Flughäfen in Conakry, Freetown und Monrovia am größten. Dort wurden bisher mehr als 36 000 Passagiere überprüft, 77 durften nicht abreisen. Tests zeigten, dass sie kein Ebola hatten.

2. Keine Flüge aus Westafrika: Für viele Staaten ist diese Forderung Makulatur, weil es gar keine Direktflüge dorthin gibt. Dazu gehören Deutschland und die USA. Brüssel ist eines der letzten Drehkreuze für Anschlussflüge in die Industrienationen. Experten warnen davor, diesen Weg komplett zu versperren. Zum einen behindert das Hilfsorganisationen, die das Virus vor Ort bekämpfen. Zum anderen finden diejenigen, die unbedingt ausreisen wollen, Verbindungen mit noch mehr Zwischenstopps. Ist ein Kranker dabei, wird die Suche nach Kontaktpersonen ungleich schwieriger.

Die Zwangsquarantäne verstärkte das Misstrauen

3. Quarantänezonen vor Ort: Als 1995 in Kikwit im Kongo ein Ebola-Ausbruch mit über 300 Erkrankten wütete, rief die Regierung das Militär zu Hilfe. Um das Gebiet vom Rest des Landes zu isolieren, errichteten die Soldaten Straßensperren. Die Menschen wichen daraufhin auf Waldpfade aus, die sie zum Fluss Kwilu führten. Von dort aus ging es mit dem Kanu weiter, berichtet David Heymann, einer der Ebola-Entdecker. Fast 20 Jahre später versuchte die Regierung Liberias, den Slum West Point abzuriegeln – und versagte. Die Bewohner bestachen die Soldaten an den Checkpoints, um ihren Lebensunterhalt in anderen Teilen Monrovias zu verdienen. Es kam zu gewaltsamen Aufständen, das Militär schoss auf Demonstranten. Hinter dem Wort „Ebola“ vermuteten die Menschen eine Ausrede, um den Slum zu räumen. Ihr Misstrauen wurde noch größer. Die Aktion war nicht nur sinnlos, sie brachte die Liberianer gegen die Seuchenbekämpfer auf. Ohne die Mitarbeit der Bevölkerung geht aber nichts voran.

Aktionismus und Symbolpolitik schafft nur neue Probleme, das Feuer muss vor Ort gelöscht werden. Und zwischenzeitlich sollten auch deutsche Haus- und Notärzte darauf vorbereitet sein, dass ein Ebola-Kranker bei ihnen Hilfe suchen könnte.

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