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Forschungscampus Buch: Hoffen auf Heilung

Wie sieht die Zukunft für den Forschungscampus Berlin-Buch nach dem Ende des Charité-Helios-Vertrages aus? Vor einer Woche verkündeten die Charité und der private Helios-Klinikkonzern, dort ihren umstrittenen Kooperationsvertrag auflösen zu wollen. Sie reagierten damit auf Vorwürfe, die Charité habe den privaten Klinikkonzern mit 15 Millionen Euro an öffentlichen Forschungsgeldern subventioniert.

Ein Schnitt, der Folgen haben könnte, war die Zusammenarbeit von Charité und Helios bisher doch das Herz der Forschungsaktivitäten in Buch. Ein Erfolgsmodell stehe auf dem Spiel, warnen Kritiker: Auf dem Campus Buch haben Wissenschaftler mehrere wichtige Sonderforschungsbereiche einwerben können. Wirtschaftsforscher bescheinigten dem Standort unlängst, 320 Millionen Euro an wirtschaftlichen Nutzeffekten für die Stadt hervorzubringen.

Künftig wolle man nur noch in Projekten zusammenarbeiten, sagten die Beteiligten, ohne jedoch zu präzisieren, wie intensiv die neue Kooperation sein könnte. Jetzt betonen die Chefs der Charité und des Max-Delbrück-Centrums (MDC) – die dritte große Einrichtung in Buch – die Zusammenarbeit müsse weitergehen und benennen Forschungsvorhaben, die künftig in Buch vorangetrieben werden wollen. Wissenschaftler wie die Neurologin Frauke Zipp befürchten allerdings, dass nun die klinische Forschung in Buch ihr Standbein verlieren könnte (siehe nebenstehendes Interview).

Nach den Vorstellungen von Charité und Max-Delbrück-Centrum soll das größtenteils vom Bund finanzierte MDC nun zum Scharnier der künftigen Beziehungen in Buch werden. So will das MDC künftig direkt mit Helios bei einem Großprojekt zur Erkundung von Volkskrankheiten zusammenarbeiten, sagen Thomas Sommer und Walter Birchmeier, Vorstandsmitglieder des Instituts.

Wie sieht das Projekt aus? Deutschland hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, auf der Grundlage von 200 000 Probanden in den nächsten zehn Jahren die Entstehung von großen Volkskrankheiten zu untersuchen – Herz-Kreislauf, Schlaganfall, Krebs, Hirnschäden und Demenz. 50 000 dieser Probanden sollen vom Max-Delbrück-Centrum betreut werden. Das MDC ist allerdings ein Forschungsinstitut, aber kein Krankenhausbetrieb mit Kliniken und Ärzten. Wenn das MDC Herz-Kreislauf-Erkrankungen an den Probanden verfolgen will, „wäre es für das MDC eine Katastrophe, wenn wir die starken Helios-Forscher und Klinika nicht mehr im Boot hätten“, sagt Birchmeier.

Auf die weitere Kooperation mit dem MDC setzt auch der Vorstandsvorsitzende der Charité, Karl Max Einhäupl, große Hoffnungen. Seit 16 Jahren arbeiten die Klinik und das Institut in der klinischen Forschung zusammen. Für 45 Millionen Euro wird demnächst ein Forschungszentrum (ECRC) in Buch errichtet, an den Plänen wird die Charité festhalten. Das ECRC soll sich folgenden Projekten widmen: dem plötzlichen Herztod bei genetisch bedingter Herzschwäche, der Hirnforschung und dem Schlaganfall, der Entwicklung neuer Wirkstoffe bei Alzheimer und Parkinson, der Entwicklung neuer Diagnosemethoden auf molekularer Basis bei Krebserkrankungen.

Das ECRC wird aufgrund der Spannungen mit den Helios-Kliniken jetzt allerdings räumlich verlagert und auf städtischem Boden, nicht mehr auf Helios-Gelände errichtet. Das wird zu einer zeitlichen Verzögerung führen. Mit der Inbetriebnahme des ECRC wird nicht mehr 2011, sondern 2012 zu rechnen sein. Gleichwohl soll Helios an dem neuen Zentrum beteiligt sein und die Forschung unterstützen.

Teil des ECRC wird das Clinical Research Center (CRC), das von der Charité für 15 Millionen Euro finanziert wird. Einhäupl verfolgt mit dem CRC ehrgeizige Ziele. Alle zwei Jahre sollen neue Gruppen von Nachwuchswissenschaftlern und Ärzten gemeinsam von der Charité und dem MDC in Buch ausgebildet werden. Damit soll für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein neuer Standortvorteil geschaffen werden, hofft Einhäupl: „Warum sollen die Wissenschaftler in die USA gehen, wenn sie künftig genauso gute Forschungsmöglichkeiten auf dem Gelände des MDC in Buch erhalten?“

Ob sich die Partner bei den jetzt identifizierten Vorhaben wirklich auf eine finanzielle Aufteilung einigen können, steht allerdings noch in den Sternen. Für jedes Projekt sollen zwischen Charité, Helios und MDC künftig einzelne Verträge abgeschlossen werden. Die Gesamtkosten werden dabei von vornherein genau zwischen den drei beteiligten Partnern aufgeteilt werden. Noch fehlt dazu die Zustimmung des Aufsichtsrats der Charité. Helios-Geschäftsführer Francesco De Meo deutete letzte Woche an, sein Unternehmen wolle bei allen gemeinsamen Projekten mehr Kontrolle ausüben als bisher.

Ärger könnte der Trägerwechsel der bisher gemeinsam betriebenen Kliniken bereiten. Künftig ist Helios alleine zuständig. Die Charité-Professoren, die derzeit dort arbeiten, müssen sich künftig auch entscheiden, ob sie lieber zur Universität oder zu Helios gehören wollen. Ein Knackpunkt dabei könnte sein, wie sich die Rentenansprüche der verbeamteten Professoren in den privaten Konzern übertragen lassen. Hinter den Kulissen wird geschätzt, bis zu einer Einigung könnten noch viele Monate vergehen.

Der alte Vertrag soll schon zum Ende dieses Jahres aufgelöst werden. Der bisherige Generalvertrag aus dem Jahr 2001, der bis zum Jahr 2021 gelten sollte, sah vor, dass bei einer Kooperation der Charité mit den privaten Helios- Kliniken die Charité die Aufwendungen für Forschung und Lehre bestreitet und Helios für die medizinische Behandlung am Krankenbett aufkommt. Einhäupl und Helios-Geschäftsführer De Meo räumten letzte Woche ein, dass dieses Modell nicht funktioniert habe. Ob und in welcher Höhe Steuergelder für Forschung und Lehre von der Charité für die von Helios zu verantwortende Krankenversorgung umgelenkt wurden, soll ein Gutachten klären, das Ende November vorgelegt wird.

Das bisher auf Buch konzentrierte MDC will sich allerdings künftig auch Richtung Mitte orientieren. Dort setzt das Centrum auf eine verstärkte Kooperation mit der Charité auf dem Gebiet der Systembiologie, bei der es um die molekularen Zusammenhänge innerhalb biologischer Systeme geht. Die beiden Partner wollen in Mitte ein gemeinsames Institut errichten. Es entsteht entweder auf dem Charité-Gelände oder auf dem Campus Nord der Humboldt-Universität. In Mitte ist ohnehin ein Schwerpunkt für die Lebenswissenschaften im Aufbau – ein sogenannter Life-Science-Park.

Uwe Schlicht

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