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Fortpflanzung: Wettrennen der Spermien

Tierarten, deren Weibchen viele Männchen "ranlassen", haben die fittesten Spermien. Die menschlichen Keimzellen sind im Vergleich eher schwächlich.

Spermien sind Schlappschwänze. Jedenfalls die menschlichen. Natürlich, es ist ein unerbittliches Wettrennen zur Eizelle, an dem sich die kleinen Keimzellen beteiligen. Bis zu 250 Millionen Spermien kämpfen um die Möglichkeit, mit der Eizelle zu verschmelzen und so ihre Gene weiterzugeben. Das ist ungefähr so, als würde man sich um einen Job bewerben – mit allen Erwerbstätigen der EU zusammen. Im Vergleich zu den Spermien von Schimpansen und Rhesusaffen sind menschliche Spermien aber langsamer und weniger kräftig. Schlappschwänze eben.

Schuld soll laut Wissenschaftlern ausgerechnet unser – mehr oder weniger – monogames Wesen sein, unsere Neigung also, langfristige Partnerschaften einzugehen, während derer keine anderen Sexpartner zum Zug kommen. Ein Forscherteam von der McMaster Universität in Hamilton, Kanada, hat den Zusammenhang zwischen Paarungsverhalten und Spermieneigenschaften nun ausgiebig an Fischen untersucht. Über die Ergebnisse berichten sie im Fachblatt „PNAS“.

Sechs Monate lang haben die Wissenschaftler am Tanganjikasee in Afrika Buntbarsche gefangen. Diese Fische sind bekannt für ihre große Artenvielfalt und ihr weitgefächertes Sexualverhalten. „Die Unterschiede sind enorm“, sagt John Fitzpatrick, einer der beteiligten Forscher. So gebe es alleine im Tanganjikasee etwa 200 verschiedene Arten. Die Weibchen mancher Arten lebten dabei monogam mit einem Männchen zusammen und die beiden zögen gemeinsam den Nachwuchs heran. Andere Weibchen hingegen gingen „Spermien shoppen“ und ließen die Eier, die sie in ihrem Mund aufbewahrten, von zahlreichen Männchen befruchten. „Das hat den Vorteil, dass die Nachkommen sich stärker voneinander unterscheiden und bei Veränderungen in der Umgebung einzelne Individuen eher überleben.“

Die Wissenschaftler untersuchten hunderte Buntbarsche von 29 verschiedenen Arten, die sie vorher auf einer Skala von null bis vier nach ihrer Promiskuität eingeteilt hatten. Noch am Ufer präparierten die Forscher die Hoden der Fische und drehten Videos der Spermien. Anhand der Aufnahmen konnten sie Größe und Beweglichkeit der Spermien messen. Außerdem verglichen sie den Anteil, den die Hoden am gesamten Körpergewicht hatten.

Das Ergebnis: Je weniger monogam eine Art ist, umso schneller schwimmen die Spermien, umso länger ist der Spermienschwanz und umso größer sind die Hoden. „Der Wettstreit der Spermien von verschiedenen Männchen führt offenbar dazu, dass die Spermien schneller und kräftiger werden“, sagt Fitzpatrick. So würden die Spermien monogamer Arten nur rund 50 Mikrometer pro Sekunde zurücklegen. Die Spermien polygamer Arten seien rund doppelt so schnell. Mit irgendeinem Nachteil müsse diese Verbesserung der Spermien aber erkauft werden, sagt Fitzpatrick. Umsonst sei auch in der Natur nichts. „Wahrscheinlich bleibt den Fischen einfach weniger Energie, die Weibchen zu umwerben“, vermutet er.

Da die Verwandtschaftsbeziehungen der Buntbarsche gut erforscht sind, konnte das Biologenteam auch die evolutionäre Entwicklung ableiten. Die frühesten Buntbarsche waren demnach monogam und hatten nur kleine Spermien. Es entwickelten sich dann zunächst Arten mit promiskem Verhalten, ehe die Spermien wegen der neuen Konkurrenz größer und schneller wurden.

Wie so oft versucht der Mensch nun mit technischer Finesse auszugleichen, was ihm an biologischen Voraussetzungen fehlt. Wissenschaftler der Universität Edinburgh haben eine neue Methode entwickelt, um aus dem menschlichen Ejakulat die Spermien herauszupicken, die am besten geeignet sind für eine Befruchtung. „Bei einer natürlichen Befruchtung schaffen nur die gesündesten Spermien den beschwerlichen Weg zur Eizelle“, sagt Alistair Elfick, der das Projekt geleitet hat. Seine neue Methode soll nun bei künstlichen Befruchtungen ebenso eine Auswahl treffen.

Die Spermien werden dazu zwischen zwei hochfokussierten Laserstrahlen festgehalten. In dieser optischen Pinzette können dann die Eigenschaften des Spermiums untersucht werden. Dazu wird ein Lichtstrahl auf das Spermium gerichtet. Die Art und Weise, wie dieses Licht reflektiert wird, enthält Informationen über die Vibrationsmuster der Spermien. Und dieses Muster wiederum lässt Rückschlüsse auf die Erbsubstanz in den Spermien zu. „Dabei geht es nicht um Designerbabys“, sagt Elfick. „Wir können nur sagen, welche Spermien stark und gesund sind, nicht, ob sie ein Baby mit blauen Augen hervorbringen werden.“ Zurzeit führt nur etwa jede vierte künstliche Befruchtung zum Erfolg. Elfick hofft diese Quote durch die Spermienauswahl erhöhen zu können. Noch wird an der Technik geforscht, aber wenn die Tests erfolgreich sind, könnte das Verfahren in fünf Jahren eingesetzt werden. Menschliche Spermien wären dann zwar immer noch Schlappschwänze, aber sie hätten die Technik auf ihrer Seite.

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